Partizipation in Theorie und Praxis
Blauer als blau?
Freitag, 4. September 2009
Im aktuellen Programm der Wiener FP finden sich folgende Sätze: „Die Rechtsstellung von Bürgerinitiativen soll durch die Einräumung der Parteistellung in Verwaltungsangelegenheiten verbessert werden. Ihre Anliegen sind von der Bezirksvertretung zu beraten. Die Informationspflichten der Stadtverwaltung zu Fragen der Stadtverwaltung sind gegenüber den Bürgern auszubauen, damit sich diese aktiv einbringen können.“ Auch steht da: „Sämtliche Bau-, Verkehrs- und sonstige Vorhaben müssen öffentlich bekannt gemacht werden. Die Darstellung der Planungsziele und deren Auswirkungen sind in einer allgemein verständlichen Sprache durchzuführen. Nur so kann die Mitbestimmung der Bürger gewährleistet werden.“. Zu verstehen, warum die FP trotz mehrfacher schriftlicher Nachfrage von aktion21-pro Bürgerbeteiligung nicht reagiert hat, ja nicht einmal auf diese Aussagen verwiesen hat, ist schwierig. Es wird auch nicht einfacher, wenn man die jüngste Wortspende von LAbg. Dr. Herbert Madejski. liest. Er ließ über OTS verlauten: „Nachdem die SPÖ in den Zeitungen gejubelt und festgestellt hat, dass jeder in den Kulturbereich investierte Euro 2,3-fach an Wirtschaft und öffentliche Hand zurückfließt, ist die Rücksichtnahme der Stadt Wien auf die 15 grüngesteuerten Augartenbesetzer noch unverständlicher. Der Bau des neuen Konzertsaales für die Sängerknaben wird neben kulturellen auch wirtschaftliche Impulse setzen und Arbeitsplätze schaffen. Warum Häupl, Schicker und Mailath-Pokorny diese positive Entwicklung wegen eines Häufchens grüngesteuerter Berufsdemonstranten aufs Spiel setzen, ist rätselhaft.“ Ja, es ist fürwahr rätselhaft, welche kulturellen und wirtschaftlichen Impulse ausgerechnet die Verbauung des Augartens setzen sollte. Die kulturellen kann man sich ja ausmalen, wenn der Damm einmal gebrochen und der Augarten blinder Verbauungswut preisgegeben sein sollte. Das Gartendenkmal Augarten werden wir dann los geworden sein und gegen einen Neubau getauscht haben, über dessen kulturellen Wert uns der inzwischen zu viel Geld gekommene „Gönner“ aus der ehemaligen DDR unterrichten wird, allenfalls durch Verweis auf den kulturell bedeutenden Dachüberbau des Palais Coburg - das bleibt Geschmackssache. Weniger Geschmacksache sind die wirtschaftlichen Impulse in Gestalt neuer Arbeitsplätze. Nicht für die Sängerknaben, wie wir annehmen wollen, sondern wohl aufgrund der Bauführung. Da darf man angesichts des ausgelutschten Argumentes schon daran erinnern, dass jüngsten Untersuchungen zufolge unter den 30.000 freien Stellen nicht wenige qualifizierten Bauarbeitern gelten, weil inzwischen über Zaunsockel hinaus gehende Bauten fast ausschließlich mit teuren Maschinen errichtet werden, deren ökonomische Handhabung den „Bauarbeitern“ hohe Qualifikation abverlangt. Der trotz Krise anhaltende Mangel an solchen Fachkräften hat nicht zuletzt sogar bei Wien Mitte zu erheblichen Bauverzögerungen geführt. Womit sich der Herr Planungssprecher erst gar nicht auseinander setzt, ist die Tatsache, dass die Genehmigung des Konzertsaalbaues unter rechtlichen Umständen zustande gekommen ist, die bei einer „Einräumung der Parteistellung in Verwaltungsangelegenheiten“ wohl kaum so hätte zustande kommen können, weil mit einer höchstgerichtlichen Aufhebung des – nach heutiger Rechtslage unanfechtbaren – Denkmalschutzbescheides zu rechnen wäre. Aber selbst bei dem Häufchen grüngesteuerter Berufsdemonstranten ist der Herr Planungssprecher nicht ganz auf dem Laufenden, sonst würde er Tausende die „Freunde des Augartens“ unterstützende Bürgerinnen und Bürger nicht durch solche Abschätzungen diffamieren, zumal unter ihnen – durchschnittliches Wahlverhalten angenommen – ein erklecklicher Teil potenzieller FP-Wähler zu finden sein dürfte. Vielleicht hat er sich zu solcher Diktion durch nicht gerade nachahmenswerte SP-Vorbilder hinreißen lassen, deren politisches Gespür – siehe Umfrage der Krone – ebenfalls gegen Null konvergiert. Für mündige Bürgerinnen und Bürger gibt es nämlich kaum etwas Schlimmeres als die unbegründete Bezichtigung, von einer politischen Partei gesteuert zu werden. Und dass die Freunde des Augartens meilenweit davon entfernt sind, haben sie seit vielen Jahren immer wieder unter Beweis gestellt. Vielleicht findet sich in der Wiener FP jemand, der darüber nachdenkt, wie ein programmatisches Bekenntnis zu Bürgerbeteiligung auf jene wirkt, die in ihrem Bemühen um das, was die FP in Wien durchsetzen will, von dieser auf eine völlig undifferenzierte Art und Weise abqualifiziert werden. Und vielleicht lohnt es auch darüber nachzudenken, ob alles, wofür die Grünen eintreten, deshalb schon schlecht sein muss. 1999 hatten Blau und Grün zu Wien Mitte ja auch die gleiche Meinung.– sehr zum Ärger der damaligen Stadtregierung. Und vielleicht – die Hoffnung stirbt zuletzt – lässt sich einmal jemand von der Wiener FP dazu herab, mit einer Bürgerinitiative zu reden, statt ihr immer wieder über die Medien auszurichten, dass man von ihr nichts, aber auch schon gar nichts hält. Vielleicht hilft es ihr, sich durch Überzeugung „aktiv einzubringen“. Und: keine Angst, ihre Sprecher(innen) sind weder Chaoten und Berufsdemonstranten, noch beißen sie. Helmut Hofmann [ zurück ]
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