"Wiener Fahrradpolitik". Eine Demontage
Montag, 9. März 2009
Mit der Demontage sogenannter Ghostbikes wurde wiederum demonstriert wie die Wiener Stadtverwaltung mit den Initiativen engagierter Wiener Bürger und Bürgerinnen verfährt. Offener Brief an Stadtrat für Stadtentwicklung und Verkehr DI Rudolf Schicker Sehr geehrter Herr Stadtrat! Wie den Medien zu entnehmen ist, haben Sie in den letzten Tagen die Entfernung von sogenannten Ghostbikes durch die MA 48 veranlasst – diese, vollkommen weiß angestrichenen „Geisterfahrräder“ sollen an im Straßenverkehr getötete RadfahrerInnen erinnern und werden direkt an den Unfallstellen aufgestellt (Näheres hiezu hier: http://www.criticalmass.at ). Ihr Pressesprecher Martin Schipany meinte gegenüber standard.at, dass diese Ghostbikes „Fragmente im öffentlichen Raum ohne Genehmigung“ seien (Quelle: standard.at). Zunächst ist die Sinnhaftigkeit der Aufstellung von Ghostbikes wohl kaum ernsthaft zu bezweifeln; die aus Amerika stammende Idee hat nicht ohne Grund bereits weltweit Nachahmung gefunden: Mit geringem Kostenaufwand wird ausgesprochen effizient um mehr Rücksicht im Straßenverkehr - vor allem gegenüber Radfahrern - geworben. Persönliche Trauerarbeit wird mit politischem Engagement für mehr Verkehrssicherheit verbunden. In der Bevölkerung stößt diese Initiative jedenfalls auf sehr positive Resonanz. Ghostbikes werden nicht verkehrsbehindernd aufgestellt. Sie sind mehr als Ausdruck der persönlichen Trauer von Hinterbliebenen: Ghostbikes sollen Aufmerksamkeit erwecken und auf gefährliche Unfallstellen hinweisen. Sie sind ein öffentlich wahrnehmbares Signal für ein vernünftiges Miteinander der verschiedenen Teilnehmergruppen im Straßenverkehr. Die Initiatoren der Aufstellung von Ghostbikes sind um konstruktive Zusammenarbeit mit den Behörden bemüht. Wieso findet die Wiener Bürokratie keine Möglichkeit, dieser unbestreitbar guten Sache einen öffentlichen Raum zu geben? Wieso funktioniert das aber in anderen Städten dieser Welt? Und wenn es nur an einer Genehmigung liegen soll: Dann müssen eben entsprechende Genehmigungen erteilt werden respektive die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass solche künftig erteilt werden können. Sehr geehrter Herr Stadtrat, wir leben in einer Zeit mit großen Herausforderungen. Eine davon ist sicherlich, die Verringerung des innerstädtischen Verkehrsaufkommens und die dadurch zu erzielende Vergrößerung der Lebensqualität für die BürgerInnen in unsere Stadt. Eine zielführende Maßnahme ist, das Radfahren in der Stadt sicherer und attraktiver zu machen. Und wenn eingangs von „Fragmenten im öffentlichen Raum“ die Rede war: Derartige „Fragmente im öffentlichen Raum“ finden sich bedauerlicherweise in noch vielen Bereichen des lückenhaften Wiener Radwegnetzes. Es werden nicht die Bemühungen der Stadtverwaltung in den letzten Jahren um dessen weiteren Ausbau verkannt. Fakt ist aber, dass im Verhältnis „Einwohneranzahl / Länge des Radwegenetzes in Kilometern Wien“ hinter anderen europäischen Städten weit hinten nachhinkt. Weiterer Fakt ist, dass die von Ihnen seit Ihrem Amtsantritt 2001 geäußerte Absicht, den Radfahreranteil in Wien bis 2010 von 4% auf 8% zu erhöhen, nunmehr bei Ihnen nicht mehr vorhanden ist. (Quelle: Printausgabe Wiener Zeitung vom 7.3.2009). Maßnahmen zur Erreichung dieses Zieles werden nun zurückgestellt, obwohl es einen ganz starken Wunsch der Wiener BürgerInnen nach Realisierung Ihrer früheren Absichten gibt. Wünschenswert wäre, dass die Stadtverwaltung künftig nicht reflexartig jeder Initiative, die direkt von den BürgerInnen der Stadt Wien kommt, ein Stoppschild vor die Nase setzt. Stattdessen wünschen Wiener BürgerInnen eine Stadtverwaltung und – gestaltung, die sich erfolgreich um eine moderne, verantwortungsbewusste und bürgerorientierte Stadt- und Verkehrspolitik bemüht. Die von Ihnen veranlasste Demontage der Ghostbikes war jedenfalls ein Signal in die falsche Richtung. Mit freundlichen Grüßen Dr.Reinhard Wessely 1150 Wien, Johnstraße 14/28 mobil: 0664 / 20 680 96 [ zurück ]
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