Schmähtandeln und groß reden
Montag, 22. September 2008
In einer Weihrauch triefenden OTS-Aussendung jubelt Schicker: „Wien boomt: die Infrastruktur wächst mit.“ Sandmännchen kommt geschlichen und streut den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt Feinstaub in die Augen und Lungen. Aber die fragt ja ohnedies niemand. Zunächst begibt sich der Stadtrat unter die Sudleser. Da steht etwa, dass „Wien im Jahr 1035 2 Millionen EinwohnerInnen haben“ werde. Auch die Verkehrsprojekte müssten mitwachsen. „Wir achten hier auf hohe Qualitätsstandards und auf modernste Technologien." Wissen das auch die Wiener Linien? Und weiter heißt es: „Gleichzeitig sind die Infrastrukturprojekte der Stadt Wien ein wichtiger Wirtschaftsmotor. Damit werden jährlich rund 2.900 Arbeitsplätze/Jahr im Straßenbau gesichert und weitere rund 5.000 Arbeitsplätze/Jahr durch den U-Bahn-Bau.“ Und: „Folgende Wiener Bahnhöfe wurden bzw. werden im Zuge der Bahnhofsoffensive/Phase 2 modernisiert: o Wien Praterstern (Umbau abgeschlossen) o Bahnhof Meidling (Fertigstellung Ende 2009) o Wien Mitte (Fertigstellung 2011) o Westbahnhof (Fertigstellung Herbst 2011) o Wien Hauptbahnhof (Inbetriebnahme Bahnhof 2013)“. Der Schmäh mit den Arbeitsplätzen ist schon abgelutscht. Wer etwa die Großbaustelle Wien Mitte besichtigen kann (sie ist vorsorglich durch Einhausung den Blicken Neugieriger entzogen), wird dort höchstens ein Dutzend Bauarbeiter erspähen, die mit schweren Baumaschinen ihre Arbeit verrichten. Wären da mehrere am Werk; sie würden einander selbst auf dem riesigen Areal nur gefährden. Aber das beste kommt erst: die Baufirmen jammern, dass es zur Zeit fast unmöglich sei, Bauarbeiter zu bekommen, der Arbeitsmarkt sei leer gefegt. Sie müssen es ja wissen. Hatte nicht auch der Bauträger die größten Schwierigkeiten, Baufirmen zu finden, die über genügend freie Kapazität für die Abbruch- und Bauarbeiten verfügten? Wozu also die abgedroschene Leier mit den tausenden Arbeitsplätzen? Nur um Quatsch zu verzapfen und Leser zu verdummen? Weiß Schicker etwa nicht Bescheid über den Bau-Arbeitsmarkt? Oder betet er die Arbeitsplatzlüge schon aus Gewohnheit herunter ohne zu merken, wie lächerlich sie geworden ist? Ankündigungspolitik pur sind die der Bahnhofsoffensive zugerechneten Projekte. Dass dabei auch Wien Mitte erwähnt wird, obwohl die ÖBB damit überhaupt nichts mehr zu tun haben, soll wohl sichern, dass man im Falle von Fehleinschätzungen den ÖBB den schwarzen Peter zuspielen kann. Aber auch die übrigen Projekte muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: nur beim Praterstern kann man auf fast Fertiges verweisen. Haupt- und Westbahnhof sind nicht einmal begonnen und die Langzeitbaustelle Meidling ist noch lange nicht am Ende des Tunnels. Die angegebenen Fertigstellungstermine sind ebenso Wunschdenken wie 2011 bei Wien Mitte. Was nicht gesagt wird ist, dass es sich dabei um Idealplanungen handelt, die - wie bei Wien Mitte - durch Überraschungen beim Abbruch ernsthaft in Zweifel zu ziehen sind. Was wurde denn gerade bei dieser Baustelle nicht schon alles als Fertigstellungstermin versprochen, von 2003 angefangen über vielfache Verschiebungen bis zuletzt 2011? Wer soll da noch etwas glauben? Doch Papier ist geduldig, vor allem wenn Bauträgermeldungen nie hinterfragt werden. Irgendwie spekuliert man auf die Demenz der Wienerinnen und Wiener, auf ihre Vergesslichkeit und auf ihre nimmermüde Bereitschaft, Versprechungen zu glauben, seien sie auch noch so unglaubwürdig. YWünsche an den Faynachtsmann wären: • nicht auf die kollektive Intelligenz der Bürgerinnen und Bürger zu verzichten, vor allem die der unmittelbar Betroffenen, • auf diese – besonders die Kunden, aber auch die Anrainer der Offensivbahnhöfe die gebotene Rücksicht nehmen, • die Bauten zügig voranzutreiben, sie in die Hände wirklich fähiger Menschen zu legen und vor allem • nichts schönreden, was nicht fertig da steht und so gut ausgefallen ist, dass man es gar nicht erst schönreden muss. Wenn man dann auch noch dazu sagen kann, dass das nicht mehr gekostet hat als ursprünglich veranschlagt und dass man mit letztlich unserem Geld gewissenhaftest umgegangen sei, dann wollen wir es zufrieden sein und bravo rufen. Aber erst dann, in 3, 4, 5 oder vielleicht auch 10 oder noch mehr Jahren. Helmut Hofmann Aufgeschnappt Beitrag [ zurück ]
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