Weitere Demontage der Lokalen Agenda 21 in Wien:
Sonntag, 27. Juli 2008
Aus für die Wiener LA21 nun auch im 7. BezirkTolle Wortspenden blühen in Vorwahlkampfzeiten. Die Blüten kommen nicht von irgendeinem Schattengewächs, sondern von einer kräftigen Pflanze: vom SPÖ-Bezirksvorsitzenden Neubau, dem ersten Vorsitzenden des Wiener Gemeinderats Godwin Schuster. Eine kräftige Pflanzerei sozusagen. Schuster kommentiert die Ablehnung der LA 21 im Neubau durch SPÖ, ÖVP und FPÖ. Man sollte sich den Argumentationssalat auf der Zunge zergehen lassen: „Bürgerbeteiligung kann nur überparteilich funktionieren.“ Pardautz! Weiß das auch Genosse Schicker? Wir haben es ihm schon seit 2 Jahren vergeblich beizubringen versucht. Wer war es denn, der die Lokale Agenda21 in Wien ans Gängelband der Politiker gehängt hat? Faule Konstruktion Zur Erinnerung: Lokale Agenda 21 ist in Wien ein Verein, dessen oberstes Entscheidungsorgan (Vorstand) aus einem Stadtrat und 6 Mitgliedern des Gemeinderates besteht – also durchwegs aus Politikern. Aktion21 – pro Bürgerbeteiligung hat immer schon darauf hingewiesen, dass dies mit dem Grundsatz „Politik darf Lokale Agenda 21 – Prozesse nicht vereinnahmen, sie ist aber ein verantwortlicher Partner im Agenda Prozess“ nicht vereinbart werden kann. Scheint sich nun auch GR Schuster unserer Meinung anzuschließen und damit einen Keil in die Theorie der Wiener SPÖ zu treiben? Oder hat man ganz einfach in der Kronenzeitung das Herz für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entdeckt – wenn schon nicht auf Dauer, so zumindest bis Ende September 2008? Zweierlei Maß? „Lediglich 182 Neubauerinnen und Neubauer sollen laut Blimlinger an den Agendaprozessen des Bezirks mitgearbeitet haben - das sind eindeutig zuwenig!", sagt Schuster. Wo er Recht hat, hat er Recht. Was Schuster nicht weiß oder zumindest nicht sagt: die Agendabezirke mit „roten“ Bezirksvorstehern wären wohl glücklich, hätten ihre Agendaprozesse nur annähernd so viele Mitarbeiter. Was ihn im Neubau wirklich stört, ist allerdings etwas ganz anderes. Es soll Agendabezirke geben – die Implementierung der Lokalen Agenda 21 ist in Wien „Bezirkssache“ und daher nur in wenigen Bezirken erfolgt - , in denen der Bezirksvorsteher eine nahezu unumschränkte Herrschaft, um nicht zu sagen Despotie walten lässt. Das ist für GR Schuster auch gut so, so lange es sich um einen Parteigenossen handelt. Das hätte Blimlinger bedenken und der SPÖ beitreten sollen. Dann wäre ja alles paletti. Denn seit über 2000 Jahren gilt der Grundsatz: quod licet Iovi, non licet bovi. Wie funktioniert das? "Es kann nicht sein, dass nur eine Partei, die nicht einmal die Mehrheit hat, über alles alleine entscheidet", sagt GR Schuster. Von welcher Lokalen Agenda21 spricht er da? Gibt es etwa für den Neubau Sonderregeln? Bestimmt dort – und nur dort – etwa keine Steuerungsgruppe „über alles“? Eine Steuerungsgruppe, der nicht nur die Vertreter aller Parteien, sondern auch die Vertreter der einzelnen Agendagruppen angehören? Wie kann dort ein Bezirksvorsteher, der noch dazu über keine absolute Mehrheit verfügt, über alles alleine entscheiden, ohne bestehende Gesetze so zu verletzen, dass seine Amtsenthebung ein Leichtes wäre? Für solche Behauptungen besteht schon einiger Erklärungsbedarf. Sollte bei der Konstruktion der Lokalen Agenda21-Struktur gar etwas passiert sein, was die Alleinentscheidung eines Bezirkskaisers ermöglicht? Natürlich in der Annahme, dass das nie ein Grüner sein würde? Die Hose ist unten "Bürgerbeteiligungen in Neubau sollen künftig von Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten begleitet werden. Künftig sollen für unterschiedliche Themenbereiche spezialisierte Einrichtungen und Personen, wie beispielsweise Stadt- und Landschaftsplaner, die Gebietsbetreuung oder Mediatoren eingesetzt werden können...Diese Organisationsform kann effizienter arbeiten als die bisherige 'Agenda 21' mit einem fixen Büro und einem fixen Team. Diese Personen können - trotz zugegebenermaßen hohen Engagements - nicht Spezialisten in allen Bereichen sein", sagt Schuster. Er sagt genau das, was aktion21 – pro Bürgerbeteiligung seit Jahren Stadtrat Schicker, dem obersten Agenda- und Bürgerbeteiligungschef Wiens vergeblich klar zu machen versucht: dass die bestehende Konstruktion der Lokalen Agenda 21 den Ansprüchen nicht gerecht wird. Es fragt sich allerdings, ob mit der „Begleitung“ durch jene Experten, mit deren Gefälligkeitsgutachten sich manche Agendagruppe kritisch auseinandersetzen musste, nicht der Teufel durch Beelzebub ausgetrieben werden soll. Da scheint uns die Befassung von Mediatoren schon eher geeignet, einen Schritt in Richtung einer echten Bürgerbeteiligung zu wagen. Aber nicht mit „verordneten“ Mediatoren, sondern mit solchen, die auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger haben. Warum nicht Agenda 21? So zukunftsweisend Schusters Vorschlag klingt, eines erklärt er doch nicht ganz: Hat der Bezirk die Fortsetzung einer im Sinne Schusters geänderten Lokalen Agenda 21 abgelehnt? Wenn nicht, warum hat die in Wien mit absoluter Mehrheit regierende SPÖ eine diesbezügliche Änderung nicht schon längst durchgesetzt? Sie hatte dazu nicht nur jahrelang die Möglichkeit, sie wurde auch von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung immer wieder dazu aufgefordert! Wenn es der Wiener SPÖ ernst ist mit dem, was GR Schuster verkündet hat, dann wäre es, wenn man schon den Übergang von der Agenda zur Aktion verschlafen hat, hoch an der Zeit, sich mit den durch aktion21 – pro Bürgerbeteiligung vertretenen, ein Vielfaches von 182 betragenden – Bürgerinnen und Bürgern zusammen zu tun und ein funktionierendes Beteiligungsmodell unter einem aktuellen Namen zu konzipieren. Alles andere ist bla bla und geeignet, das Glaubwürdigkeitsdefizit der SPÖ zu erhöhen. Wir sind zu einer ernsthaften Diskussion nach wie vor bereit. Wir faseln nicht nur von Bürgerbeteiligung, wir wollen sie wirklich. Versöhnlicher Schluss Zuletzt äußert GR Schuster seine Überzeugung, "Unter neuen Voraussetzungen werden sich bestimmt mehr als 182 Personen für ihre Anliegen im Bezirk einsetzen". Da hat ihn sicher die Lektüre der Homepage von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung so hoffnungsfroh gestimmt. 182 Leute, die sich in einem Bezirk für ihre Anliegen einsetzen, sind nämlich in den Reihen unserer Bürgerinitiativen fürwahr keine Seltenheit. Nur fanden sie bei GR Schuster und Genossen halt fast nie Gehör. Dürfen sie nun für die Zukunft – die nach dem 28. September – hoffen? Helmut Hofmann [ zurück ]
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