Niederschmetternd niederträchtig:
Wiener Parteien zur Bürgerbeteiligung (2): Die SPÖ
Donnerstag, 9. Jänner 2020
Seit Fussach, Sternwartepark, Stopfenreuther Au und Zwentendorf hat die SPÖ ein unrettbar gestörtes Verhältnis zur Mitsprache der Bevölkerung bei der politischen Entscheidungsfindung. Gerade, dass sie noch Wahlen duldet, natürlich unter der Voraussetzung, dass ihre Kandidaten gewählt werden. Alles andere sind „Irrtümer“ der Wählerinnen und Wähler. Und eben dieser Irrtumsanfälligkeit wegen sollten Entscheidungen grundsätzlich von jenen alleine getroffen werden, denen mehr politischer Verstand beigemessen wird: den gewählten Mandataren. Die wissen alles besser als das Volk, das sie gewählt hat, und noch besser wissen es die Partei-Häuptlinge. Die sind zwar auch gewählt, aber nur von geeichten Parteigängern. Und die können am wenigsten irren. Dass man dieses lupenreine Führerprinzip als eine sehr gefährliche Form von Wiederbetätigung sehen muss, spielt dabei keine Rolle. Quo vadis, Joe Taucher? Man ist ja einiges gewöhnt an politischer Wetterwendigkeit, aber es Ist doch überraschend, von jemandem, der dem Gedanken einer wirksameren politischen Bürgerbeteiligung zumindest aufgeschlossen gegenüber gestanden ist, plötzlich Aussagen präsentiert zu bekommen, die verstören. Wenn er meint, bei der direkten Demokratie bestehe die Gefahr der Majorisierung von Minderheiten, bei der partizipativen dagegen die Gefahr, dass sich die lautesten Schreier gegen die Mehrheit durchsetzen, dann bleibt an Bürgerbeteiligung nicht mehr viel übrig, dann steht die Bürgermehrheit sowohl am Majorisierungspranger als auch als lautstarker Minderheitsmob da, der von Taucher als besonders verwerflich dargestellt wird. Wobei er allerdings vergessen hat darauf hinzuweisen, dass dies nur dann gilt, wenn die von ihm gescholtenen Bürgerinnen und Bürger gegen Vorhaben der SPÖ oder SP-naher Organisationen protestieren. Dass man daraus logisch zwingend schließen muss, dass dem Sprecher der SPÖ damit jeglicher Bürgerwille suspekt ist, stört ihn kaum, verstört aber all jene, die geglaubt haben, die SPÖ sei ein Garant dafür, dass die einfache Bevölkerung auch dann, wenn sie nicht in einer politischen Partei organisiert ist, zur Teilnahme an der Gestaltung ihres politischen Gemeinwesens aufgerufen ist. Schamlose Bürgerbeleidigung Den Vogel aber hat Joe Taucher abgeschossen, als er die gegen die geplante sukzessive Vernichtung des Kulturerbes Otto Wagner-Spital protestierenden Menschen als „mobilisierten Mob“ verunglimpft hat. Es ist zwar unerfreulich, wenn ein Politiker seines Ranges so deutlich gegen Bürgerbeteiligung auftritt, aber es ist immerhin legitim. Mit der verächtlichen Bezeichnung protestierender, also immerhin ein Menschenrecht ausübender Bürgerinnen und Bürger als „Mob“ ist Taucher allerdings eindeutig zu weit gegangen. Es handelt sich dabei nämlich nicht nur um eine an sich untragbare verbale Entgleisung. Es ist genau das, worüber führende Exponenten der SPÖ sich zu beschweren nicht müde werden: Hetze, andere Menschen herabsetzende Denunzierung und Diskriminierung, Spaltung der Gesellschaft und ein jegliche Sachlichkeit vermissen lassender Diskurs. Das ist ein demokratiepolitischer Rückfall nicht nur in die Zeit vor Gusenbauer, der für Bürgerbeteiligung zumindest ein Lippenbekenntnis übrig gehabt hat, sondern eine deutliche Absage an jegliche Form von Bürgerbeteiligung in einer Schroffheit und Direktheit, die nicht einmal ein Bruno Kreisky, gestützt auf eine absolute Mehrheit der Österreicher, gewagt hätte. Wie sich eine Partei neu aufstellen will, die sich nicht einmal dazu durchringen kann, wenigstens ihrer eigenen Parteibasis eine Mitsprache bei grundlegenden Entscheidungsfindungen einzuräumen, bleibt schleierhaft. Es bleibt derzeit nur zu hoffen, dass sich in den Parlamenten Mehrheiten für mehr Partizipation auch ohne SPÖ finden werden. Zumindest so lange, als diese Partei ihren bürgerverachtenden Selbstvernichtungskurs beibehält. Kein „Einzelfall“ Man könnte diese Ausritte gegen die sich kritisch äußernde Bevölkerung als einen Einzelfall abtun, der einer besonderen Befindlichkeit zuzuschreiben wäre, wenn es so etwas wie eine deutliche Distanzierung der Parteiführung gegeben hätte. Davon ist freilich keine Rede.im Gegenteil: die Bezirksvorsteherin von Penzing, Frau Michaela Schachner, legt noch eins drauf, wenn sie 2019 (!!!) zu einigen hundert abgeholzten alten Bäumen nur zu sagen weiß: „Mir kommt es manchmal vor, als ob Bäume vorgeschoben würden.“ Verbürokratisierung der Bürgerbeteiligung Dass es sich nicht um eine vereinzelte Ansicht innerhalb der SPÖ handelt, hat GR Mag. Nina Abrahamczik bestätigt. Auch sie hat unangepassten Bürgerinitiativen, die sich erkühnen, ihre Meinung lautstark gegen verschlossene Ohren zu schreien, generell die demokratische Mehrheit abgesprochen. Es mag ja mitunter stimmen, dass sich Minderheiten lautstark wie Mehrheiten gebärden, vor allem, wenn sie von parteipolitischer Seite dazu ermuntert werden. Von solchen manipulierten Minderheiten auf ein generelles Verhalten all jener zu schließen, die sich unterstehen, gegen zweifelhafte Vorgangsweisen der Regierenden zu protestieren, ist allerdings ein starkes Stück mit dem Titel „Haltet den Dieb“. Es lässt darauf schließen, dass die Meinung der SPÖ von spin doctors in der nun schon offenen Konfrontation mit Bürgerinitiativen gebildet wird. Ältere erinnern sich an bekannten Partei-Berater, der „unfolgsame Bürger“ „irreguläre Oppposition“ benannt und die Partei wie folgt instruiert hat“: „nur durch die Eingliederung in das Muster der Demokratie wird die irreguläre Opposition zu einem positiven Anstoß zur Weiterentwicklung des partizipativen Elements und der rationalen Problemlösung in unserem politischen System.“ Wer diesen Politikersprech nicht auf Anhieb versteht: „Eingliederung in das Muster der Demokratie“ bedeutet, dass die Obrigkeit Vorschriften für Beteiligung erlässt, gegen die es kein Aufmucken gibt. So und nur so darf Partizipation stattfinden. Und Nina Abrahamczik sagt uns gleich, worum es sich dabei handelt: um „Masterplan Partizipation“ bis zum „Praxisbuch Partizipation“, über die Kinder- und Jugendparlamente in den Bezirken und die „Lokale Agenda 21“ bis zur „Werkstadt Junges Wien“ und um das Kapitel „Kernpunkt Partizipation“.in der „Smart City Rahmenstrategie“. Wer sich die Mühe macht, diese auf dem Schreibtisch entstandenen, viele Seiten langen Monster durchzulesen, wird freilich etwas darin nicht finden: eine praxistaugliche, auf das Wesentliche beschränkte Anleitung für Bürgerbeteiligung bei allen in der Öffentlichkeit geplanten Vorhaben. Hochgestochene, ellenlange und nichtssagende Schilderungen mit Ausschmückungen, Ablaufdiagrammen und blumigen Worthülsen sind unbrauchbar und alles andere als Ermunterungen zum Mitmachen. Alles in allem: eine Partizipations-Rezeptur, von der von vorneherein klar ist, dass sie als bloßes Alibi für die Bereitschaft zur Partizipation zu dienen hat und nicht wirklich ernst gemeint ist. Helmut Hofmann Demnächst als Fortsetzung auf dieser Homepage: FPÖ zur Bürgerbeteiligung [ zurück ]
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