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Aktion 21
AKTION 21

Kulturelles Welterbe und Heumarkt:
WO BLEIBT DIE GUTE FEE?



Donnerstag, 8. Februar 2018

Frühzeitige, ehrliche und ergebnisoffene Einbindung der Bevölkerung in alle Vorhaben, die das öffentliche Interesse berühren, sollte das Ziel einer gesunden, demokratischen Politik sein. Intransparenz, Desinformation und arglistige Täuschung aber sind die traurige Realität.

„Bürgerbeteiligung“ als Lippenbekenntnis


Politiker, die mit Schlagworten sehr sorglos umgehen, relativieren ihr Bekenntnis zu Bürgerbeteiligung in dem Maße, in dem man danach fragt, wie diese Bürgerbeteiligung konkret aussehen solle. Ein immer wieder wie die Seeschlange von Loch Ness auftauchender Popanz ist die herbeigeredete „Gefahr““ einer Verhetzung der Bevölkerung, die zu „Fehlentscheidungen“ führen könnte. Dazu müssen immer wieder die gleichen unsinnigen „Argumente“ herhalten, die – bei näherem Hinsehen – ausgesprochen antidemokratisch sind und derzeit weltweit auf eine gefährliche Entwicklung zur Diktatur weisen.

Angst wovor?

Auch beim „Heumarkt-Projekt“ wurde versucht, die öffentliche Meinung zu verschweigen. Sie ist schätzungsweise zu über 80% gegen das derzeitige Projekt. Es gab schon vor Jahren eine Anrainer-Umfrage der MA 21. Ihr folgten mehrere Passantenbefragungen unter notarieller Aufsicht und eine offizielle Befragung der Funktionärsbasis der Wiener Grünen sowie eine Leser-Blitzumfrage der Gratiszeitung „Heute“. Lediglich eine ziemlich obskure Befragung von Investorenseite führte angeblich zu einem (nicht berauschenden) Pro-Ergebnis. Auch die Mehrheit im Wiener Gemeinderat für das Projekt war knapp. Sie ignorierte zahlreiche Appelle bedeutender Fachgremien wie von NGO-Seite. Selten gab es eine so nachhaltige, eindeutige Mehrheitsbildung wie bei der Ablehnung des Heumarkt-Projekts. Für deren Missachtung kann es nur EINE Erklärung geben, die allerdings nur jene offen geben wollen, die sich kostspielige und langwierige Prozesse finanziell leisten können. Vielleicht liegt der tiefere Grund, weshalb Bürgerbeteiligung immer wieder mit der geheuchelten Warnung vor populistischer Verhetzung schlechtgeredet wird, im schlechten Gewissen und in der Angst vor Aufdeckung fragwürdiger Machenschaften.

Transparenz: Floriani-Prinzip

Parteien haben nicht eben besondere Lust auf mehr Transparenz, zumal dann, wenn sie selbst von mangelnder Transparenz profitieren. Die Schmierenkomödie um eine Lockerung des Amtsgeheimnisses ist in übler Erinnerung. Die Verweigerung der notwendigen Zustimmung durch eine der Oppositionsparteien unter Berufung auf allzu fadenscheinige Gründe war wohl genau auspaktiert. Mit dem Ergebnis, dass NICHTS beschlossen wurde. Das eröffnet auch einer juristischen Vernebelungskampagne beim Heumarkt Tür und Tor. Damit soll es nun ein Ende haben. Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung hat in dem Komplex von Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit dem kulturellen Welterbe und dem Heumarkt-Projekt eine wesentliche Rolle spielen, endlich Klarheit geschaffen. Auch anerkannte Rechtsexperten können sich nun nicht mehr in Schweigen hüllen, ohne ihren Ruf aufs Spiel zu setzen. Dem Projekt wohlwollend gegenüber Stehende ziehen sich daher darauf zurück, dass auch VfGH-Entscheide nie 100%ig vorhersehbar sind. Die künstlich herbeigeführte Rechtsunsicherheit soll der Verwirrung sowohl der Bevölkerung als auch der UNESCO dienen.

Wir schaffen Klarheit

Man sagt Bürgerinitiativen oft nach, dass sie nur GEGEN etwas sind, aber nichts Konstruktives beitragen. Wie infam solche Behauptungen sind, zeigt alleine schon die Tatsache, dass sich bisher von berufener Seite niemand der Mühe unterzogen hat, rechtliche Klarheit in den gesamten Themenkomplex Welterbe und Heumarkt zu bringen und erst eine umfassende Untersuchung aus den Reihen der in Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung vereinten Initiativen Licht in das Gewirr widerstreitender Rechtsansichten gebracht hat. Wir haben keinen Grund, sie der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Die wesentlichen Aussagen sind im Folgenden verknappt, daher auch für Nichtjuristen verständlich, dargelegt. Der komplette Text der Untersuchung ist auf dieser Homepage unter „Welterbe und Heumarkt“ veröffentlicht.


Rechtliche Mythen zu Welterbe und Heumarktprojekt


Geld regiert die Welt, nicht das Recht. Man darf Rechtsfragen innerstaatlich nicht überbewerten. Der Wille der finanziell und politisch Mächtigen entscheidet. Im speziellen Fall liegt es ein wenig anders, weil auch völkerrechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind.

Worüber reden wir, wenn wir vom Welterbe reden?

Das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, die „Welterbe-Konvention“ wurde im Rahmen der UNESCO ausgearbeitet und von deren Generalkonferenz 1972 verabschiedet. Sie enthält Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten zur Erfassung, zum Schutz und zur Erhaltung von Kultur- und Naturgütern von außergewöhnlichem universellen Wert als „Kultur- und Naturerbe der gesamten Welt“

Innerstaatliche Wirkung

Die Republik Österreich ist diesem Abkommen 1992 beigetreten. Es wurde durch einfaches, vom NR und BR beschlossenes Gesetz 1993 Teil der autonomen innerstaatlichen Rechtsordnung.

Adressat der darin enthaltenen Rechte und Pflichten ist die Republik Österreich, demnach die Bundesländer und der von ihrer Gesamtheit gebildete eigenständige Bund.



Um die Welterbekonvention und ihre Anwendung auf das Heumarktprojekt ranken sich verschiedene rechtliche Mythen, die einer transparenten Diskussion entgegenstehen und denen ich daher entgegentreten möchte:

Mythos 1: die Welterbekonvention ist nicht „self executing“, d. h. innerstaatlich direkt anwendbar.


Worum geht es? Es geht um eine gesetzliche Verpflichtung der Republik Österreich, d. h. all ihrer Organe.

Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG:

Die gesamte innerstaatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden. Daraus ergibt sich die direkte Anwendbarkeit der zum innerstaatlichen Gesetz gewordenen Welterbe-Konvention auf alle Bundes- und Landesbehörden. Diese haben in ihrer Tätigkeit die darin enthaltenen Verpflichtungen der Republik Österreich, im Rahmen ihrer Kompetenz wahrzunehmen.

Mythos 2: Verletzungen der Welterbekonvention können beim VfGH nicht angefochten werden.

Anfechtbarkeit

Verwaltungsakte, die solche Verpflichtungen verletzen, können von verschiedenen Instanzen (z. B. Volksanwaltschaft) beim VfGH bzw. VwGH wegen Gesetzwidrigkeit angefochten werden.

Mythos 3: Die Welterbekonvention gilt nur für den Bund, nicht aber für die Länder.

Die Welterbe-Konvention richtet sich an die Republik Österreich, demnach ebenso an die Länder wie an den Bund.

Die Länder haben aufgrund des Art. 16 Abs. 4 B-VG zur Durchsetzung des Welterbe-Übereinkommens notwendige (auch gesetzliche) Maßnahmen in ihrem selbstständigen Wirkungsbereich zu treffen, andernfalls dies der Bund an ihrer Stelle tun kann und muss.

Kommt ein Landeshauptmann einer entsprechenden Weisung durch den Bund nicht nach, kann über den Ministerrat beim VfGH Anklage nach Art. 142 Abs. 2 lit. d) (sog. „Ministeranklage“) erhoben werden. Dieses Vorgehen einzuleiten stellt für den zuständigen Minister eine Amtspflicht dar, deren bewusste Missachtung als Missbrauch der Amtsgewalt gewertet werden könnte.

Eingeschränkte Verpflichtung? Ein bisschen schwanger?

Mythos 4: Die Verpflichtung aus Art. 4 der Welterbe-Konvention ist eine weniger weit reichende, eingeschränkte Verpflichtung. Die Republik Österreich sei zwar (über Ersuchen eines anderen Staates) zum Schutz von dessen Welterbe uneingeschränkt und verbindlich verpflichtet, nicht aber zum Schutz des eigenen Welterbes. (Ministerbüro Drozda)

Diese seltsame Auslegung der Welterbe-Konvention beruht auf dem unglücklichen Ausdruck „Umfang der Verpflichtungen“ in den Erläuternden Bemerkungen zu Art.4. des österreichischen Gesetzes, der von Juristen der Stadt Wien als„Relativierung der Verbindlichkeit der Welterbe-Konvention“ ausgelegt wird.

Mit „Umfang der Verpflichtungen“ ist allerdings nicht die verbindliche Qualität der Verpflichtung gemeint, die sich nicht wie „ein bisschen schwanger“ einschränken, sondern nur bejahen oder verneinen lässt.
Gemeint ist die Quantität der geschützten Objekte, also die Zahl der durch Aufnahme in die Liste deklarierten und genau umschriebenen Welterbestätten. Die Schutzverpflichtung bezieht sich nur auf die Letzteren. Für alle anderen besteht bloß eine Bemühungszusage (im Sinn des § 880 a ABGB, 1. Halbsatz).

Fehlerhaftes Präjudiz
Mythos 5: Der VwGH hat im Fall des Semmeringtunnels gemeint, der Bewilligung stehe keine Verpflichtung aus der Welterbe- Konvention entgegen. In seiner Begründung hat er angemerkt, dass die deutsche Übersetzung der authentischen Fassung den Schutz des Welterbes als „eine Aufgabe (der Republik Österreich) und nicht als Verpflichtung anerkenne, während im Art.6 ausdrücklich von „Verpflichtungen“ gesprochen werde.
Diese Ansicht, die auf das Gesamtergebnis des Erkenntnisses nicht von maßgeblichem Einfluss war, ist unhaltbar. Schon aus präjudiziellen Gründen ist ihr entgegenzutreten.Der Wortlaut der Welterbekonvention ist in 5 Sprachen (u.a. in englischer und französischer, nicht aber in deutscher) als authentisch bezeichnet. Nach den Auslegungsregeln der österreichischen Rechtsordnung ist bei Unklarheit einer gesetzlichen Bestimmung für die Bedeutung eines ins Deutsche übersetzten Ausdrucks der authentische Text heranzuziehen. Dort ist- (im englischen Wortlaut) von „recognize…duty“ und
(im französischen) von „reconnaît … obligation die Rede, also klar und unmissverständlich von verbindlichen Verpflichtungen.
Die deutsche Fassung übersetzt dies mit „anerkennt….seine Aufgabe“

Ohnmächtiger Rechtsstaat?

Mythos 6: Man kann gegen die Heumarkt-Widmung nichts mehr machen.

Österreichische Verwaltungsorgane – auch Minister und der Wiener Gemeinderat – sind in der Causa Heumarkt teils vorsätzlich gesetzwidrig vorgegangen und haben gegen das Legalitätsprinzip des Art. 18 B-VG verstoßen. Damit können strafrechtliche Tatbestände, insbesondere Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 Strafgesetz) – auch durch Mittäterschaft – erfüllt sein.

Die Rechtsordnung unseres Rechtsstaates stellt – wie dargelegt - die geeigneten Rechtsmittel zur Verfügung, um dagegen wirksam vorzugehen. Man kann dem völkerrechtlichen Vertrag und dem nationalen Recht zum Durchbruch verhelfen – vorausgesetzt, man will es auch.

Dr.jur. Mag.phil et art. Helmut Hofmann

Die Datei "WEV-Welterbe-und-Heumarkt-Rechtslage" im Anhang ist auch unter folgendem Link aufzurufen
http://www.aktion21.at/_data/WEV-Welterbe-und-Heumarkt-Rechtslage.pdf
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