Der Butterberg
Sonntag, 10. Februar 2013
Heinz Neumann ist ein bekannter Architekt. Zumindest so bekannt, dass ihm die Gunst einer nicht nur im Umfang einseitigen Darstellung zuteil wird. Der scheinheilig Bürgerbeteiligung gutheißt, aber in einem Atemzug auf „die Anrainer“ hindrischt, speziell die von Wien Mitte.„Anrainer sind prinzipiell gegen jede Veränderung“ zitiert Ina Weber von der Wiener Zeitung (26./27. Jänner 2013) den frustrierten Stararchitekten, weshalb er „skeptisch“ sei, „was ihre Befragung betrifft.“ Soll wohl heißen: Bürgerbeteiligung nach Uraltmuster: den Bürgerinnen und Bürgern weitschweifig sagen, was man plant, sie aber ja nicht dazu Stellung nehmen lassen. Weil das (nicht nur von Neumann) Geplante immer unzumutbar und der Protest daher vorprogrammiert ist? Dass Pauschalierungen wie „die“ (grundsätzlich veränderungsfeindlichen) „Anrainer“ und „jede Veränderung“ gelinde gesagt unüberlegt und daher kaum ernst zu nehmen sind, sei nur nebenbei bemerkt. Sensibilität für Anliegen der Bevölkerung scheint nicht Neumanns Stärke zu sein, auch wenn er beteuert, es sei „schön, wenn die Bürger beteiligt werden“. Es fragt sich halt immer, was jemand unter Bürgerbeteiligung versteht. Dass, wie er sagt, vom Bürger entwickelte Leitbilder in der Ablage landen, ist zwar richtig, stört ihn aber anscheinend nicht besonders. bösen Anrainer „Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht“ – Zitat aus Orwells zeitlos gültiger Farm der Tiere. Neumann zürnt den Anrainern von Wien Mitte immer noch. Dafür, dass sie sich erfolgreich gegen den Wahnsinn gewehrt hatten, in 20,5 m Nähe vor ihren Fenstern zwei 65 m hohe Gebäude hinzuknallen. Dafür, dass sie sich gegen den - gezielt vor ihren Wohnungen veranstalteten - sechsmonatigen Tag und Nacht durchgehenden Lärmterror gewehrt haben. Dafür, dass dieser Terror wie auch viele andere Vorkommnisse rund um den Monsterbau mit voller Deckung durch die Behörden und scheinheiligem Bedauern seitens der schwarz-roten Volksanwälte als städtebauliche Großtat ausgegeben wird. Herr Neumann meint offenbar, die bösen Anrainer hätten sich offenbar ihm zu Fleiß ihre Wohnungen dort ausgesucht, wo er sich hochhausbauend verwirklichen wollte, ohne Rücksicht auf was immer. Dass das andere Architekten auch wollten und dabei die besseren Karten beim Bauherren hatten, verschweigt er wohlweislich, weil mit dem will er sich’s ja nicht verderben. Bei der von Neumann vorgeschlagenen Bauhöhe von 120 m bekamen sogar die sonst gar nicht stadtbildbewussten Projektfreunde kalte Füße. Deshalb braucht Neumann die Anrainer und „die Medien-Hetze“ als Prügelknaben, die er nach Herzenslust madig machen kann, ohne etwas zu riskieren. Eben jene Anrainer, die er auch bei der Präsentation des Nachfolgerbaues der Bank Austria über den Tisch ziehen wollte und die ihn bei der Bauverhandlung mit ihren Einsprüchen gegen seine Aufstockungstricks schwer gekränkt hatten. Die hatte er ja durch seine beschönigende Darstellung – Fragen dazu konnte er leider nicht beantworten, weil er, immer in Eile, sich vorzeitig verabschiedet hatte – von der Bauverhandlung fernhalten wollen. Ist halt diesmal nicht gelungen, was beim Justizturm mit der juristischen Brechstange von anderen gerade noch durchgeboxt worden war, nicht ohne Beteiligung des hohen Verwaltungsgerichtshofes an dem gelinde gesagt sehr, sehr seltsamen (un)rechtlichen Konstrukt, mit dem man die Anrainer von der Bauverhandlung und den zu erwartenden Einsprüchen ferngehalten hat. Wer Butter am Kopf hat... Jemand, der also, was Anschläge auf die Lebensqualität von Anrainern betrifft, nicht Butter, sondern einen ganzen Butterberg auf dem Kopf hat, sollte mit Anschuldigungen gegen jahrelang geplagte Anrainer, hinter denen in der Sache selbst nahezu die gesamte Architektenschaft Österreichs stand und steht, etwas behutsamer umgehen. Seine großartige Idee, in 800 m Entfernung vom Stephansturm ein 120 m hohes Gebäude zu errichten, das alleine durch seine Form dem Steffl die „Mitte der Stadt“ streitig gemacht hätte, haben nicht (nur) die Anrainer für abstrus gehalten. Sie wähnen sich auch heute noch in bester in- und ausländischer Gesellschaft führender Kulturträger, zu denen sich Herr Neumann in diametral entgegengesetzte Position begeben hat. Statt 13 Jahre danach seinen Fehler einzusehen und einzugestehen, was ihm zu lebenslänglicher Ehre gereicht hätte, versucht er sich heute an den Kleinsten und Schwächsten abzuputzen, denen er in die Schuhe schieben will, seine hochfliegenden Pläne zerstört zu haben – ein Verhalten, das seiner Projektidee durchaus ebenbürtig ist. Helmut Hofmann [ zurück ]
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