Wien ist Drüber + Fahren. Wien ist anders.
Samstag, 9. Dezember 2006 bis Sonntag, 10. Dezember 2006
Wien ist Drüber + Fahren. Wien ist anders.Dass die Selbstherrlichkeit der Rathausmehrheit nach den Nationalratswahlen 2006 noch steigerungsfähig sein würde, war zu befürchten. Wie man aber unserer Wienerstadt zu Leibe gehen würde, drauf und dran, sämtliche Grünoasen zubetonieren zu lassen, stellt selbst die schlimmsten Ahnungen in den Schatten. Es vergeht keine Woche, in der nicht eine neue Bürgerinitiative entsteht, aus Protest gegen eine Obrigkeit, die jedes Augenmaß verloren hat und sich nur in ihrer totalen Machtausübung suhlt. Daran, dass politische Mitbewerber nichts außer Häme zu erwarten haben, haben wir uns gewöhnt. Noch fehlt der Beweis, dass sie es im umgekehrten Fall anders machen würden. Dass aber auch die Bürger in dieser Stadt ohne Rücksicht auf ihre politische Einstellung der Missachtung preisgegeben sind, lässt an jenen Hochmut denken, der vor den Fall kommt. Und dieser könnte sehr tief sein; die Menetekel an der Wand – etwa die sinkende Wahlbeteiligung und der unerwartete Stimmenzuwachs einer schon totgesagten Partei – sind unübersehbar. Wenn die vor den Wahlen eingeforderte neue Fairness so aussieht, dass die beim politischen Gegner angeprangerte soziale Kälte im Vergleich zu dem, was in Wien über die Bühne geht, wie ein Hitzeschock wirkt, dann wird irgendwann die Rechnung für so viel perfide Wählertäuschung präsentiert werden. Wovon ist die Rede? Die Reue kommt zu spät Niemand hat etwas davon, wenn Projekte durchgezogen werden und dann Politiker oder zuständige Magistratsbeamte mit vielleicht sogar ehrlichem Bedauern sagen, dass sie die Einbeziehung der Bevölkerung in den Planungs- und Entscheidungsprozess verabsäumt hätten. Es geht eben gerade darum, unverzeihliche Fehler dadurch zu vermeiden, dass man nicht nur die Experten befragt, sondern auch jene, die dann mit der neuen Situation leben werden müssen. Der Wille des Höchsten Es ist das alte Spiel: ein überdrüber stehender Spitzenpolitiker – etwa ein Bürgermeister oder Landeshauptmann – will etwas. Etwas, das auf den ersten Blick durchaus vernünftig anmutet, ganz nach öffentlichem Interesse aussieht. Aber der – von der Politik abhängige - Projektentwickler oder Organisator geht an sein Vorhaben nicht nach den Regeln wirtschaftlicher Überlegung heran, sondern nach der Vorgabe: wie überwinde ich die rechtlichen und kommerziellen Hindernisse, die sich dem allerhöchsten Willen entgegenstellen, am schnellsten und unauffälligsten? Die Experten Den Sachverständigen, welche die erforderlichen Gutachten erstellen müssen, werden die entsprechenden Fragen schon so vorgegeben, dass das gewünschte Resultat dabei herauskommen muss. Gelingt das nicht ganz, wird das Gutachten geändert. Ist es bereits fertig und aus der Hand gegeben, gibt es, wenn etwas Nachteiliges hervorkommt, eben ein Nachtragsgutachten. Spielt der Sachverständige nicht mit, wird ein anderer, willfährigerer bestellt. Handelt es sich gar um einen Amtssachverständigen, wird mit ihm „geredet“. Dass da einer in einer wichtigen, aber nicht entscheidenden Frage trotzdem „hart“ bleibt, soll gelegentlich vorkommen. Die Beamten Beamte mit Verantwortungsbewusstsein, die sich gegen ein Verbiegen gesetzlicher Bestimmungen quer legen, werden aus dem Entscheidungsprozess herausgenommen. Ja sogar dann, wenn Richter, die man nicht ausschalten kann, die ungesetzliche Mitwirkung verweigern, weiß man sich zu helfen: dann muss eben eine Gesetzesänderung herhalten. Damit sie ja nicht auffällt, verpackt man sie in einer „unauffälligen“ Materie, etwa im Budgetbegleitgesetz, wo sie niemand vermutet. Die Verfahren Die nötigen Verfahren werden irgendwie durchgezogen. Sie entsprechen zwar in vielen Punkten nicht dem Gesetz, doch ist oft niemand, der dafür in Frage käme, zu einer Anfechtung vor den Berufungsinstanzen oder Höchstgerichten legitimiert. Weil man von vornherein bemüht ist, die Teilnahmeberechtigung solcher Personen am Verfahren durch Ausschöpfen aller gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten auszuschalten.In seltenen Fällen verweigert ein Höchstgericht die Gefolgschaft. Dann ist das, was es für unzulässig erklärt, längst passiert. Achselzucken. Schönreden hilft immer Wenn alles über die Bühne gegangen ist, setzt die mediale Walze ein: das Projekt wird über teure Inserate „schöngeredet“. Und so erfahren die Betroffenen überhaupt erst davon, was real geplant ist. Formiert sich dann Unbehagen in der Bevölkerung, kommt es gar zu Protesten und widerständlerischen Aktionen, wird jener Rechtsstaat, der zuvor mit Füßen getreten wurde, zum Zeugen gegen solche „bösen Machenschaften“ angerufen. Man denkt unwillkürlich an Zidane. die ihm von Mazeratti zugefügten Beleidigungen - weil für andere nicht wahrnehmbar – konnten „leider“ nicht geahndet werden, wohl aber rief Zidanes sichtbare Reaktion darauf nach Bestrafung. Provozierte Gewalt Es gibt eine Eskalation der Gewalt. Die Geschichte der Revolutionen lehrt uns, dass sie stets dort auftritt, wo man im Vorfeld dieser Eskalation, also dort, wo ein vernünftiger Dialog durchaus noch möglich wäre, eben diesen Dialog verweigert oder erst gar nicht aufkommen lässt. Die Beispiele dafür sind Legion. Warum? Weil der Wunsch eines Despoten eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit dieses Wunsches grundsätzlich nicht zulässt. So einfach ist das, und so traurig. Helmut Hofmann [ zurück ]
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