6 Fragen an die wahlwerbenden Parteien
Dienstag, 23. September 2008
Wie vor Wahlen üblich hat aktion21 – pro Bürgerbeteiligung allen wahlwerbenden Parteien 6 Fragen zur Bürgerbeteiligung vorgelegt und um Stellungnahme ersucht. Bei der letzten Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl haben wir von allen in diesen Gremien vertretenen Parteien mit Ausnahme der FPÖ Antworten erhalten. Diesmal haben nur 3 wahlwerbende Parteien geantwortet. Das kann verschiedenste Gründe haben: die kurze Zeit des Wahlkampfes, die damit einhergehende Überlastung der wahlwerbenden Politiker, der Verweis auf als bekannt vorausgesetzte Parteiprogramme, eine gewisse Verlegenheit bei der ehrlichen Beantwortung der Fragen usw. Wir meinen, das alles sind keine triftigen Gründe. Bürgerbeteiligung ist nicht irgendetwas Belangloses von untergeordneter Bedeutung. Wir meinen: Bürgerbeteiligung ist eines der wichtigsten demokratischen Anliegen. Es stünde mancher größeren Partei besser an, zu derart grundlegenden politischen Fragen Stellung zu nehmen, als sie nobel zu übergehen oder durch einen Leserbrief in einer einzigen speziellen Frage als ausreichend dargelegt zu sehen. Wir meinen daher: keine Antwort ist auch eine Antwort, und nicht eben eine für Bürger und Bürgerin erfreuliche. Die Antwort wird am 28. September gegeben werden.Immerhin haben es 3 Parteien der Mühe wert gefunden, unsere Fragen zu beantworten. Wir veröffentlichen diese Antworten im folgenden und versehen sie mit Kommentaren aus der Sicht von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung. 1. Wie stehen Sie zur partizipativen - nicht zu verwechseln mit direkter - Demokratie (Einbindung der betroffenen Bevölkerung in Planungs- und Entscheidungsprozesse)? GRÜNE: Die Grünen sind für partizipative Demokratie. Die Einbindung der betroffenen Bevölkerung in Planungs- und Entscheidungsprozesse ist eben Ausfluss des demokratischen Grundsatzes, steht aber auch im Dienst des rechtsstaatlichen Prinzips, um rechtskonforme staatliche Entscheidungen zu gewährleisten. Nur allzu oft werden Gesetze nur einseitig gelesen, da müssen sich die Betroffenen für den Schutz ihrer Gesundheit und der Umwelt einsetzen können. KPÖ: Wir treten für die möglichst umfassende Einbindung der betroffenen Bevölkerung in alle Planungs- und Entscheidungsprozesse ein. Bürgerbeteiligung darf kein Schlagwort bleiben. Derzeit ist es bei BürgerInnenbeteilungsverfahren üblich, BürgerInnen vor allem mit einer Fülle von Terminen „einzudecken“ oftmals verbunden mit Vorwürfen wenn Sie/ Er dann berufsbedingt oder auf Grund anderer Verpflichtungen einen oder mehreren Termine nicht wahrnehmen können. Nicht der Terminkalender der Politiker und Beamten, sondern die Teilnahmemöglichkeit für interessierte BürgerInnen muss im Vordergrund stehen. Was ist davon zu halten wenn z.B. bisher aktive MieterInnen auf der Donauplatte zu jahrelang ignorierten Problemen, jetzt zu einem Termin (um 13 Uhr) zum Bezirksvorsteher geladen werden, an dem niemand kann. Oft werden auch wichtige Entscheidungsgrundlagen willkürlich vorenthalten. Und oftmals wird Beteiligten auch eine nicht begründbare „Schweigepflicht“ gegenüber der Öffentlichkeit abverlangt, etc. Unser Grundsatz: Teilnahme an Bürgerbeteiligungsverfahren „nicht an Stelle“ der Betroffenen, sondern als Betroffener. Notwendig ist eine möglichst umfassende und breite Information aller Betroffenen. Wir treten darüber hinaus dafür ein, vor jeder Bezirksvertretungssitzung in der Donaustadt, ca eine Stunde ein BürgerInnenforum zu veranstalten. Ähnliches gibt es z.B. vor jeder Gemeinderatssitzung in Vöklabruck (OÖ) BürgerInnen, BürgerInneninitiativen und Vereine haben die Möglichkeit ihr wichtig erscheinende Probleme zur Sprache zu bringen., den MandadarInnen lernen so Probleme direkt kennen, es bleibt ihnen freigestellt, darauf zu antworten bzw. in weiterer Folge zu handeln und entsprechend zu reagieren. Formen und Möglichkeiten der BürgerInnenbeteiligung (Parteienstellung bei UVP etc.) dürfen nicht eingeschränkt und verbürokratisiert werden, sondern gehören erweitert. In Erinnerung bleibt der jüngste Vorfall gegenüber der überparteilichen Bürgerinitiative „Rettet die Lobau – Natur statt Beton“ wo wegen eines Formfehlers im Impressum der Status als „Bürgerinitiatiative“ verweigert wurde. RETTÖ: Wir sind für Partizipation offen und planen, die Österreichische Bevölkerung entscheiden zu lassen, welches die dringenden Themen und Lösungsvorschläge sind, die im Parlament behandelt gehören. Dafür werden wir entsprechende Einrichtungen, wie z.B. Foren im Internet schaffen. Für jene Bevölkerungsgruppen, die noch nicht im Internet zuhause sind, wird es Telefondienste geben. Kommentar von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: Alle 3 Gruppen treten grundsätzlich für Partizipation ein, wenngleich objektiverweise angemerkt werden muss, dass die Antwort von RETTÖ hinsichtlich der Unterscheidung zwischen direkter und partizipativer Demokratie nicht ganz eindeutig ist. 2. Sind Sie bereit, eine überparteiliche NGO zur Förderung der partizipativen Demokratie zu unterstützen, und wenn ja, wie? GRÜNE: Wir sind gerne zur Zusammenarbeit bereit, um dem gemeinsamen Ziel, der Stärkung von BürgerInnenrechten, schneller näher zu kommen. KPÖ: Ja, selbstverständlich. Wir sind bereit zu parteiübergreifenden Zusammenarbeit für dieses Anliegen. Wo wir in gewählten Gremien vertreten sind (Bezirksvertretungen (Wien 2 und Wien 3), Gemeinderäten (z.B. Graz, Fischamend, Krems, Leoben) informieren wir umfassend über das was drinnen vorgeht, und thematisieren in den Gremien über das Draußen. Übrigens auch im 22.Bezrk, obwohl wir hier derzeit kein Mandat haben. Aber wir nehmen an allen Bezirksvertretungssitzungen in der Donaustadt als Zuhörer teil. Zu den Ausschüssen haben wir als derzeit „Außerparlamentarische“ aber derzeit leider keinen Zugang. RETTÖ: Da Rettet Österreich weiterhin eine Bürgerinitiative bleibt, und nur aus rechtlichen Gründen nun auch eine Partei ist - sich aber niemals nur als eine politische Rolle versteht, ist dies gut vorstellbar. Es ist sehr begrüßenswert, wenn sich vorhandene und künftige Bürgerinitiativen vereinigen. Sobald Rettet Österreich im Parlament einzieht, werden wir auch in der Lage sein, solch eine wichtige Bürger-Plattform mit der nötigen Unterstützung zu fördern. Kommentar von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: : Die Bereitschaft, eine überparteiliche NGO zu unterstützen, ist allen gemeinsam. Auf die Frage nach dem „Wie“ verweist lediglich die KPÖ auf ihre Informationsarbeit. Besteht keine feste Vorstellung davon, wie eine solche Unterstützung aussehen könnte oder gibt es so etwas wie Angst vor konkreten verbindlichen Bekenntnissen? 3. Wie stehen Sie zu einer rechtsstaatlichen Verankerung der partizipativen Demokratie? GRÜNE: Wie schon unter Punkt 1 gesagt, geht es nicht nur darum, dass die BürgerInnen ihren Willen artikulieren können und dies im Ermessenspielraum der Behörde Berücksichtigung findet. Es geht auch darum, dass BürgerInnen die Einhaltung der Gesetze geltend machen können. So haben die Grünen 1993 bei den Verhandlungen zum Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz wesentlich dazu beigetragen, dass die Bürgerinitiativen Parteistellung im Verfahren bekommen und auch Beschwerde beim Verwaltungs- und beim Verfassungsgerichtshof einlegen können, wenn sie der Auffassung sind, dass die Umweltgesetze mit der behördlichen Genehmigung eines Projektes verletzt wurden. KPÖ: „Das Recht geht vom Volke aus“ ist in der Verfassung festgeschrieben. Das müsste im Sinne partizipativer Demokratie eigentlich ausreichen, sollte man meinen. Tut es aber nicht, wie die Praxis immer wieder unter Beweis stellt. Derzeit gesetzlich festgehaltene Möglichkeiten selbst an der „Demokratie teilzunehmen“ sind gering. Selbst im Gesetz festgehaltene Möglichkeiten werden oftmals nicht eingehalten bzw. verbürokratisiert. Wir verschließen uns nicht diesbezüglicher Gesetzesinitiativen. Entscheidend bleibt die Beteiligung an der Demokratie zu leben, täglich neu einzufordern und diesbezüglich öffentlichen Druck zu erzeugen. Da sind wir so weit unsere Kräfte reichen mit voller Überzeugung dabei! RETTÖ: Indem die heutige Politik ein offensichtliches Auslaufmodell ist, hervorgehend aus der derzeitigen Demokratie, muss an deren Stelle etwas Neues verankert werden. In Zukunft geht es sicher in vermehrtem Maße als bisher um Organisation und Management der öffentlichen Angelegenheiten eines Staates, als um jedwede Herrschaft. Wenn der eigentliche Souverän, nämlich das Volk, das Neue mit „partizipativer Demokratie“ bezeichnen möchte, dann wird diese rechtsstaatlich verankert werden! Kommentar von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: Grüne und KPÖ bekennen sich zu einer wirksamen rechtsstaatlichen Verankerung der partizipativen Demokratie, RETTÖ setzt voraus, dass das Volk zuerst (wie?) Partizipation als das notwendige Neue bezeichnet. Damit kommt die Präferenz für die direkte Demokratie klar zum Ausdruck. 4. Mit welchen konkreten Maßnahmen zur Stärkung der partizipativen Demokratie dürfen Ihre Wählerinnen und Wähler rechnen? GRÜNE: a) Wir setzen uns für den Ausbau des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes ein: Parteistellung der BürgerInnen auch im Feststellungsverfahren, Abschaffung des vereinfachten Verfahrens, in dem BürgerInnen keine volle Parteistellung haben, Senkung der Schwellenwerte, damit das UVP-G bei mehr Projekten zur Anwendung kommt, Sicherstellung einer finanziellen Unterstützung. b) In Ausführung der Aarhus-Kovention muss es endlich ein Umweltrechtsgesetz geben, das BürgerInnen ein Klagsrecht bei Verletzung von Umweltrecht durch Private oder den Staat gibt. Wichtig ist, dass diese Verfahren erschwinglich sind. c) Das (verwaltungsrechtliche) Umwelthaftungsgesetz muss eine echte Umweltbeschwerde enthalten. Der bisherige Vorschlag von Rot und Schwarz ist ungenügend. KPÖ: „Das Recht geht vom Volke aus“ ist in der Verfassung festgeschrieben. Das müsste im Sinne partizipativer Demokratie eigentlich ausreichen, sollte man meinen. Tut es aber nicht, wie die Praxis immer wieder unter Beweis stellt. Derzeit gesetzlich festgehaltene Möglichkeiten selbst an der „Demokratie teilzunehmen“ sind gering. Selbst im Gesetz festgehaltene Möglichkeiten werden oftmals nicht eingehalten bzw. verbürokratisiert. Wir verschließen uns nicht diesbezüglicher Gesetzesinitiativen. Entscheidend bleibt die Beteiligung an der Demokratie zu leben, täglich neu einzufordern und diesbezüglich öffentlichen Druck zu erzeugen. Da sind wir so weit unsere Kräfte reichen mit voller Überzeugung dabei! RETTÖ: In ähnlicher Art und Weise, wie in Montpellier wäre das vorstellbar: http://ge.montpellier.fr/1522-aufbau-einer-partizipativen-demokratie.htm zusätzlich zu den bereits unter 1. erwähnten Maßnahmen. Kommentar von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: Alle wollen sich für Partizipation einsetzen. Die Grünen beschränken ihren Einsatz für Partizipation auf Umweltfragen. RETTÖ verweist auf die Homepage von Montpellier, in welcher die Vorstellung der dortigen Kommunalverwaltung von Partizipation beschrieben wird. Die Frage, welche konkreten Maßnahmen zur Partizipation daraus abzuleiten sind, blieb unbeantwortet. 5. Was wurde von Ihrer Seite in den letzten 5 Jahren konkret unternommen, um partizipative Demokratie zu fördern? GRÜNE: Die Grünen haben im Österreich-Konvent folgende Textvorschläge für eine Verankerung in der Verfassung gemacht: a) Transparenz- und Partizipationsgebot b) Recht auf Dokumentenzugang für BürgerInnnen c) Erweiterung des Staatsziels Umweltschutz um ein Klagerecht für BürgerInnen bei Verletzung von Umweltrecht c) Grundrecht auf Gesundheit Der mit Beiträgen der grünen Abgeordneten gespeiste Verein zur Unterstützung von BürgerInneninitiativen unterstützt seit 1991 BürgerInnen und Bürgerinitiativen, die sich für den Schutz der Umwelt und der Grundrechte einsetzen. Lesen Sie näheres unter: www.buergerinitiativen.at. KPÖ: Siehe Pkt. 2. Wir thematisieren in Gremien das, was die anderen „links liegen lassen“ und wir informieren die Öffentlichkeit über das, was „drinnen“ vorgeht. Hier unterscheiden wir uns deutlich von den derzeit im Parlament, im Rathaus sowie in den Bezirksvertretungen sitzenden Parteien, in vielen Fällen auch von den Grünen, die über selbst durchaus begrüßenswerte eigene „parlamentarische“ Initiativen oftmals nicht in der Öffentlichkeit berichten. Eine solche Information der Information der Öffentlichkeit hat in der Donaustadt z.B. der Kaktus, unsere Bezirkszeitung und dessen Website (www.kaktus.kpoe.at) Wir versprechen übrigens nicht „für BürgerInnen“ etwas zu tun, sondern wir wollen „mit BürgerInnen“ für deren Anliegen aktiv werden. RETTÖ: Was mindestens 300.000 Österreichern noch gegenwärtig ist - ist unser Engagement mit der Entstehung von Rettet Österreich. Unsere Aktionen: Veranstaltung von Vorträgen von Prof. Schachtscheider und unseren Universitätsprofessoren, zahlreiche Demonstrationen und Veröffentlichungen, wie der Vortrag von Percy Schmeiser über GVOs, sowie unermüdliches Aufklären der Bevölkerung über öffentliche Vorgänge, die bewusst verschleiert, verschwiegen oder gar konspirativ verheimlicht werden! Kommentar von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: Die Förderung von Partizipation ist natürlich auch eine Funktion der Parteigröße. Das führt dazu, dass die Grünen auf konkretere Beispiele verweisen können als KPÖ und vor allem RETTÖ, ohne dass man diesen den Willen zur Förderung absprechen dürfte. 6. Falls Sie der partizipativen Demokratie skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen, aus welchen Gründen? GRÜNE: --- KPÖ: erübrigt sich – siehe Punkt 1-5 RETTÖ: Wir stehen dieser Frage weder skeptisch noch ablehnend gegenüber, doch in dieser schnelllebigen Zeit könnte auch noch eine bessere Idee auftauchen, welcher wir uns nicht verschließen wollen, indem wir uns auf die „Partizipatorische Demokratie“ festlegen. Erfahrungsgemäß ist alles, was starr ist, zum Scheitern verurteilt. Daher sollten wir offen und beweglich bleiben und uns selber keine engen Grenzen setzen. Alles was in unserem Staat passiert und für Alle im Parlament entschieden wird, muss auch von der Bevölkerung gewollt sein. Kommentar von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: Während Grüne und KPÖ logischerweise keinen Anlass zur Beantwortung dieser Frage sehen, zeigt die Antwort von RETTÖ, dass unsere obenerwähnte Mutmaßung, man trete eher für direkte als für partizipative Demokratie ein, richtig ist. Es ist auch völlig legitim, in diesem Punkt anderer Meinung zu sein als aktion21 – pro Bürgerbeteiligung, aber man sollte das klar und offen aussprechen und nicht auf möglicherweise auftauchende bessere Ideen verweisen. Wir können uns nur mit Ideen auseinandersetzen, die vorhanden und bekannt sind. Auf Eingebungen hoffen und deshalb die vorhandenen Verbesserungsmöglichkeiten nicht nutzen bringt im Ergebnis nichts. [ zurück ]
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