AKT!ON 21

Statt gelobter Demut:
Unerträgliche Überheblichkeit


Mittwoch, 10. Juni 2009

Ein Bürgermeister, in dessen Stadt die Wählerinnen und Wähler erstmals in ihrer Geschichte den Sozialdemokraten scharenweise davongelaufen sind, frozzelt sie nachträglich mit dem Stehsatz: "...ich biete den Hans-Peter-Martin-Wählern an, über etwaige Wünsche in der Kommunalpolitik zu sprechen; vielleicht haben diese Wähler ja keine solchen Anliegen..."

Ah ja. Wie gnädig, Herr Bürgermeister. Sich herabzulassen, mit den Hans-Peter-Martin-Wählern über „etwaige“ Wünsche zu sprechen, die sie „untertänigst“ als „Supplikanten“ vorgetragen dürfen, auf dass Sie ihnen bedeuten würden, sie sollten sich „über die Häuser hauen“, wie es einer Ihrer Parteigenossen berichtet hat, voll Ingrimm und Verzweiflung über das, was da aus „seiner“ Partei geworden ist. Er ist sicher nicht der einzige in der SPÖ, der über Ihren Behübschungssozialismus nur den Kopf schütteln kann.

Diejenigen, die statt FPÖ, BZÖ oder Grüne vorgezogen haben, Hans Peter Martin zu wählen, mit dem Zusatz zu frozzeln, dass sie „vielleicht gar keine kommunalpolitischen Anliegen hätten“, zeugt von maßloser Fehleinschätzung der Sachlage. Warum, glauben Sie wohl, sind die Verluste der SP gerade in Wien so dramatisch? Weil die Wiener EU-kritischer sind? Weil ihnen ihr ehemaliger Stadtrat Hanns Swoboda so auf den Wecker geht? Oder gar weil sie mit der Kronenzeitungs-EU-Politik Ihres ehemaligen Stadtrats und jetzigen Bundeskanzlers nicht einverstanden sind? Da wären sie ja doch bei Hans Peter Martin vom Regen in die Traufe gekommen! Nein, lieber Herr Bürgermeister, diesmal sind sich sogar die Politologen einig: es ist die gerade durch die Wiener Sozialisten praktizierte Abgehobenheit, das völlige Ignorieren der Wünsche des „kleinen Mannes“, die brutale Politik des Drüberfahrens, die alles bisher da Gewesene um Längen übertrifft und die auf die Stimmen aus der Bevölkerung keine Rücksicht nimmt, welche die elementarsten Bedürfnisse der Menschen verhöhnt, wenn es der neoliberalen Wirtschaftspolitik der Wiener SPÖ fürpass kommt.

Statt den Hut zu nehmen, werden Sie wohl an den Browns und Orbans Maß nehmen, die vorzeigen, wie man eine Mehrheitspartei pulverisiert. Ihren Nachfolgern im Parteivorsitz, wenn auch nicht im Bürgermeisteramt, werden Sie es durch Ihr Bleiben nicht einfacher machen. Wie hat doch Gorbatschov gesagt: „Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte“. Sie bestraft auch den, der zu spät geht.


Helmut Hofmann

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