Donnerstag, 4. Juni 2009
In allen unheilvollen Entwicklungen gibt es einen Punkt, ab welchem die Talfahrt nicht mehr zu bremsen ist. Solche Entwicklungen finden oft schleichend statt und ihre Bedrohung wird nicht ernst genommen. Umso bitterer ist das Erwachen. Es ist nicht nur die unaufhaltsame Talfahrt der österreichischen Kulturgüter, die vor kurzem im Augarten begonnen hat. Auch der Demokratie und dem Rechtsstaat ist dort das Grab geschaufelt worden. Eine überzogene Sicht? Wer so denkt, sollte sich die Zeit nehmen, weiterzulesen.Der Anlass Es sind oft harmlos scheinende Stationen einer Entwicklung, an deren Ende die Katastrophe steht. Jene Katastrophe, von der spätere Generationen, denen der Blick auf solche Entwicklungen verstellt ist, fragen, wie es zu solchem Wahnsinn gekommen sein konnte. Wo man doch die Lehren aus der Vergangenheit hätte ziehen können, die freilich für die Betroffenen damals noch Zukunft gewesen sein mochte. Nein, nicht von der Wirtschaftskrise ist hier die Rede, obwohl das alles auch auf sie hervorragend passte. Es geht um weit mehr. Am 5. März 2009 hat das Bundesdenkmalamt einen Bescheid erlassen, mit welchem es die Verbauung eines Teiles des als Ganzes geschützten Denkmals Augarten ermöglicht hat. Wird der Denkmalcharakter verändert? Der Denkmalschutz beruht aufgrund von Kompetenzentscheidungen des Verfassungsgerichtshofes (19.03.1964, K II-4/63 und 29.09.1995, G 50/95) auf einem materialistisch ausgerichteten Ansatz, der im Grundsatz auf die Erhaltung schützenswerter Substanz reduziert ist. Dieses materialistische Denken ist im Denken des BDA so weit verankert, dass es auch auf das bisher einzige Anwendungsgebiet ausgedehnt wird, auf dem es aus den im Folgenden dargelegten Gründen rechtlich nicht vertretbar ist. Der Verfassungsgesetzgeber selbst hat nämlich mit der Novellierung des DMSG BGBl I Nr. 170/1999 eine erste Bresche in die vom VfGH im Wege von bindenden Kompetenzerkenntnissen vorgegebene materialistische Denkweise geschlagen und damit den Weg aus einer durch diese Erkenntnisse gestalteten Rechtslage gezeigt, der konsequenterweise zu einer zeitgemäßen generellen Umgestaltung des Denkmalschutzes führen sollte. Mit der Möglichkeit, historische Gärten zu Denkmälern zu erklären, wurden Schöpfungen der Raumkunst, die nicht auf die Substanz toter Materie beschränkt sind, sondern im Gegenteil kraft ihrer Natur einem ständigen Wandel ihrer Substanz unterworfen sind, ausdrücklich in den Denkmalrang erhoben. Gegenstand der Veränderung eines solchen Denkmals ist daher nicht nur ein Eingriff in die materielle Substanz des Denkmals, sondern auch jeglicher Eingriff in das Erscheinungsbild des Denkmals historischer Garten, weil die Substanz als solche, die ja täglich wahrnehmbaren Änderungen unterworfen ist, gar nicht unverändert erhalten werden kann und soll. Beim historischen Garten ist der Gegenstand des Denkmalschutzes daher primär das Erscheinungsbild bzw. die wechselweise Wirkung, in der sich die einzelnen Raumelemente gegenseitig ergänzen und dadurch den schützenswerten Gesamteindruck schaffen. Es ist einsichtig, dass jegliche mit diesen natürlich gewachsenen Raumteilen (der gestalteten Natur) konkurrierenden Bauwerke den Denkmalcharakter zwangsläufig verändern müssen, gleichgültig, an welcher Stelle des historischen Gartens sie errichtet werden. Dabei gibt es in jedem historischen Garten Teile, denen im Hinblick auf den Gesamteindruck eine höhere Bedeutung zukommt als anderen Teilen. Dies gilt im übrigen nicht nur für Gärten, sondern für jedes Werk der Raumkunst und darüber hinaus für jedes Kunstwerk. Es ist daher absolut unzulässig, aus einem historischen Garten, der zur Gänze (und nicht nur teilweise) begründet unter Schutz gestellt wurde, einzelne Teile mit der Begründung geringerer Schutzwürdigkeit von diesem Schutz zwar nicht völlig auszunehmen, aber ihre „Veränderung“ zuzulassen. Inhaltlich kommt dies auf das Gleiche hinaus, allerdings mit der grotesken Einschränkung, dass ein auf einem solchen Teil zu errichtende Bauwerk, das nicht dem Interesse des Gartens, sondern gartenfremden Interessen Dritter dient, mit seiner Errichtung eben dem gleichen Denkmalschutz unterworfen sein wird wie die gesamte Gartenanlage, dass also künftige Veränderungen an diesem Bauwerk ebenso der im Gesetz geforderten Begründung und Interessenabwägung bedürfen werden wie dies jetzt für den Bau vorausgesetzt wurde. Wäre dem nicht so, ergäbe sich der noch viel unhaltbarere Zustand, dass die durch denkmalschutzrechtliche Genehmigung veränderten Teile und damit Teile des Denkmals dem Denkmalschutz entzogen sein würden. Dies ist zwar bei Bauwerken denkbar, nicht aber bei Denkmälern, deren Erscheinungsbild für den Denkmalcharakter hauptsächlich maßgeblich ist, weil bei solchen eine „Filetierung“ auch unbedeutenderer Teile zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Gesamterscheinungsbildes führen kann (und im konkreten Fall auch führen würde). Groteske Konsequenzen Das bedeutet im konkreten Fall: wenn das vorgeblich das öffentlichen Interesse überwiegende Interesse der Wiener Sängerknaben am Bau der Konzerthalle – etwa durch Absiedelung der Sängerknaben aus dem Augarten – wegfallen würde, könnte die Konzerthalle mangels Interesse an ihrer Beseitigung gar nicht demoliert werden, es sei denn, man würde auf die Unhaltbarkeit der Begründung zur nunmehrigen „Veränderung“ rekurrieren und sie durch eine Zustimmung zur abermaligen „Veränderung“ ad absurdum führen. An diese argumentatorische „Zwickmühle“, in die sich das Bundesdenkmalamt in diesem Fall selbst hineinmanövriert hat, wird man vielleicht gedacht haben, hat aber nicht die sich daraus entsprechenden Konsequenzen gezogen. Die Schlüsselstelle im Genehmigungsbescheid des BDA lautet: „Bei der vorgenommenen Interessenabwägung war im Wesentlichen auf folgende Punkte einzugehen:
Zu Punkt 1 fehlt im Bescheid jeder Bezug auf eine Überprüfung der von den WSK aufgestellten Behauptungen, die im Ergebnis unkritisch übernommen wurden. Punkt 2 untersucht lediglich Eingriffe in die historische Substanz und geht daher, wie noch auszuführen sein wird, wesentlich an der zu stellenden Frage vorbei. Die in Punkt 3 und 4 gestellten Fragen berühren zwar Wesentliches, lassen aber durch die Art ihrer Beantwortung darauf schließen, dass sie ebenfalls aus der Sicht des materiellen Bestandes und daher im wesentlichen unzureichend beantwortet wurden. Ein vom Bundesdenkmalamt zu Punkt 3 eingeholtes Gutachten wirft zunächst die Frage auf, wofür eine Behörde, die über entsprechend ausgebildete Fachkräfte verfügt, ein „Alibi“ in Form eines Gutachtens benötigt, für welches notabene nicht der bestehende Fachbeirat bzw. dessen Mitglieder bemüht werden. Die Frage wird umso dringlicher, als das Gutachten auf die „historisch wertvolle Kastanienallee“ abstellt, die durch den Bau (substanziell) nicht beeinträchtigt werde. Darauf, welche gestalterische Auswirkung der Bau unter anderem auf diese unmittelbar benachbarte Allee habe, geht das Gutachten überhaupt nicht ein. Es heißt lakonisch, das historisch wichtige Gartenelement, die Kastanienallee, „werde durch den Bau nicht beeinträchtigt“, „die Vervollständigung der Kastanienallee sei jederzeit möglich“, wobei bei baulichen Maßnahmen auf diese Möglichkeit Bedacht zu nehmen sei. Alleine schon daraus geht hervor, dass die unmittelbar benachbarte Lage von Konzerthalle und Kastanienallee zu einer gravierenden Veränderung des Erscheinungsbildes dieser Allee führen würde. Diesem Gutachten folgend begründet das Bundesdenkmalamt seine Zustimmung zur Veränderung damit, dass der in Rede stehende Randbereich („Augartenspitz“) bis Mitte des 20. Jahrhunderts vorwiegend mit Wirtschaftsgebäuden bebaut gewesen sei, der beabsichtigte Neubau sich daher auf einer Fläche erstrecke, die einerseits schon einmal bebaut gewesen sei, andererseits nie in die Gestaltungsabsichten der Gartenkonzeption einbezogen gewesen sei.. Die den Denkmalcharakter des Augarten bestimmenden Eigenschaften würden durch den Neubau daher nicht beeinträchtigt. Da stellt sich nur noch die Frage: war die vor nicht einmal einem Jahrzehnt erfolgte Einbeziehung dieser Fläche in das immerhin im Rang eines Verfassungsgesetzes geschützte Ensemble historischer Garten „Augarten“ zu Unrecht erfolgt, waren die dafür maßgeblichen, vom Bundesdenkmalamt erarbeiteten Unterlagen fehlerhaft, indem sie dazu dienten, eine „nie in die Gestaltungsabsichten der Gartenkonzeption einbezogene“ Fläche unzulässigerweise dem Ensemble hinzuzurechnen und damit unter Denkmalschutz zu stellen? Das Bundesdenkmalamt wird sich dazu bekennen müssen, dass entweder die Unterschutzstellung des Augartenspitzes oder die Zustimmung zur Veränderung eine Fehlentscheidung gewesen ist. Der Wortlaut der Begründung zu Punkt 4, „Die Planung für den Konzertsaal bezieht das ehemalige Pförtnerhaus in die Nutzung ein und schließt gartenseitig mit dem Neubau daran an. Die Verbindung vom Alt- zum Neubau wird durch ein glasüberdachtes Foyer bewerkstelligt. Der Neubau wird als qualitativ hochwertige Ergänzung des historischen Bestandes in seiner vorgesehenen Dimensionierung positiv bewertet“, spricht eher für letzteres. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Bundesdenkmalamtes, die Denkmalwürdigkeit einer beabsichtigten Veränderung zu prüfen, sondern zu beurteilen, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen. Von denkmalpflegerischer Qualität ist dabei keine Rede. Entweder der Bau verändert den historischen Garten oder er verändert ihn nicht. Nur dann, wenn sein Erscheinungsbild so unauffällig wäre, dass eine solche Veränderung nicht wesentlich wahrnehmbar wäre, spielte das Aussehen oder die technische Einbindung des Neubaus eine entscheidende Rolle. Die Fragestellung zu Punkt 4 betrifft daher zwar die Dimensionierung, die Gestaltung aber nur insoweit, als sie sich auf das gesamte Denkmal (Augarten) bezieht und nicht nur auf den Neubau und dessen architektonische Verbindung mit bestehenden Bauten. Die rechtsstaatliche Grundsatzfrage Juristischen Begründungen, die zwar auf mannigfache Gutachten gestützt werden, die die Behörde aber nicht davon befreit, die richtigen rechtlichen Schlussfolgerungen aus dem Gesetz abzuleiten, begegnet man immer wieder. Auffallend dabei ist, dass in Fällen, in denen der „höhere politische Wille“ notorisch ist, die Vergewaltigung des Gesetzes durch völlig unhaltbare Rechtsauslegungen geradezu üblich geworden ist. Dabei ist die Frage, ob eine übergeordnete Instanz, wenn ihre Anrufung überhaupt ermöglicht wird, die Rechtsstaatlichkeit wieder ins Lot bringt, in der Regel eine Frage der Ranghöhe des oder der Intervenierenden. Nicht immer handelt es sich dabei um Chargen, bei denen eine Behördeninstanz in Vorwegnahme eines zu erwartenden Höchstgerichtsentscheides rechtskonform entscheidet. Selbst Höchstgerichte sind vor rechtlich bedenklichen Entscheidungen nicht gefeit, wenn Sorge besteht, durch „Recht“-Sprechung dem Interesse führender Politiker (etwa an einem Großbau) nicht zu entsprechen (Konkret nachweisbar am sogenannten „Justizturm“ zu Wien-Mitte). Handelt eine Behörde, wie etwa das Bundesdenkmalamt im Fall des Riesenrundgemäldes Innsbruck, trotz höheren Winkes gesetzeskonform, kann man sicher sein, dass die Instanz – in diesem Fall die Bundesministerin – den Entscheid mit einer nichtssagenden Begründung abändert und damit einem anderen ranghohen Politiker gefällig ist. Der Begründung des abändernden Bescheides kommt in einem solchen Fall höchstens formalrechtlicher Alibicharakter zu. Der Materialismus des Denkmalschutzes Das österreichische Denkmalschutzrecht schützt die materielle Substanz eines Denkmals, sonst nichts. Ist die Substanz durch Verfall oder Vernichtung nicht mehr schutzwürdig oder schutzfähig, hört der Denkmalschutz auf. Ist die Substanz eines Teiles des Denkmals nicht schutzwürdig, kann dieser Teil vom Denkmalschutz ausgenommen werden. Die Umgebung des Denkmals, sein Erscheinungsbild, soweit es sich nicht um geschützte Materie handelt, spielen keine Rolle. Auf diesen etwas lapidaren Nenner kann eine Rechtslage gebracht werden, die in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts durch den Verfassungsgerichtshof geschaffen wurde, genauer gesagt durch ein Kompetenzerkenntnis, der nach der österreichischen Rechtsordnung der Rang eines Verfassungsgesetzes zukommt. Diese Rechtslage kann daher nur im Wege einer Verfassungsbestimmung geändert werden. Historische Gärten als Ausnahme Auf der Grundlage der Charta von Florenz (1981) zum Schutz historischer Gärten hat sich die Republik Österreich zu deren Schutz bekannt. Nun ist es aber gerade das Wesen von solchen Gärten, dass nicht die lebendige, sich täglich durch Wuchs und Absterben ändernde Materie den Gegenstand eines schützenswerten Denkmals bildet, sondern die intendierte Gestaltung der Gartenanlage, ihre Architektur, in der sie sinnlich wahrnehmbar wird, ihr Zusammenhang mit der Landschaft, in die sie eingebettet ist: mit einem Wort, ihr Erscheinungsbild im Rahmen ihrer Umgebung. Deshalb war die Republik Österreich genötigt, diesen anders gearteten Schutz im Wege einer Verfassungsbestimmung zum Denkmalgesetz festzulegen, welche ausdrücklich den Schutz von Gärten, also Denkmälern, deren Erscheinungsbild (und nicht die Substanz) Schutzgegenstand ist, ermöglicht. Sozusagen als Einschränkung, damit daraus kein Wildwuchs an Sonderdenkmälern entstehen könne, hat der Verfassungsgesetzgeber diesen Schutz auf eine bestimmte Zahl individualisierter Denkmäler beschränkt. Unter ihnen befindet sich der Augarten. „Konzertkristall“: zulässige Veränderung? Das Bundesdenkmalamt war in den letzten Jahren mit einem Investorenwunsch konfrontiert, der die Errichtung einer Konzerthalle auf dem sogenannten Augartenspitz vorsieht. Das ursprüngliche Projekt, das - von der zuständigen Ministerin und dem Landeshauptmann „vehement befürwortet“ - unter dem früheren Bundesdenkmalamt-Chef bereits durchgewunken schien, hätte nicht nur die Verbauung eines bewachsenen Areals, sondern auch die Demolierung von Bauten (Pförtnerhaus, Mauer) zur Voraussetzung gehabt. Protestierende Bürgerinitiativen und mediale Thematisierung des drohenden Gesetzesbruches gaben dem materialistisch geprägten Denkmalschutz Anlass, dem Bauwerber die Verweigerung der Zustimmung zu einem solchen Projekt zu signalisieren. Die Reaktion: Abänderung der Verbauung des Augartenspitzes ohne Demolierung bestehender Baulichkeiten. Was für ein zu veränderndes Bauwerk Recht gewesen wäre, erschien für einen historischen Garten nur allzu billig. Zu Unrecht: die Veränderung (des Erscheinungsbildes Augarten) war gegenüber dem Vorgängerprojekt nur unwesentlich gemildert. Denn sie besteht nicht im Bestand oder Nichtbestand von barocken Bauwerken, sondern in der Art und Weise, in der sich der östliche Teile des gesamten Augartens nach einer Verbauung durch einen (post)modernen Konzertsaal der Öffentlichkeit präsentiert: mit einem als Fremdkörper empfundenen Bauwerk, welches so von der historischen Konzeption des Augartens, was immer man darunter verstehen mag, keinesfalls auch nur als Möglichkeit miterfasst sein konnte. Das Bundesdenkmalamt irrt also, um es vorsichtig auszudrücken, gründlich, wenn es im Bescheid behauptet, die den Denkmalcharakter des Augarten bestimmenden Eigenschaften würden durch den Neubau nicht beeinträchtigt. Vorsichtig, wie das Bundesdenkmalamt nun einmal ist und auch sein muss, vor allem auch, weil es durch die Bürgerinitiative mehrfach auf die Problematik hingewiesen worden war, hat es zu seiner Deckung das bereits erwähnte Gutachten eingeholt. Eine Rechtsfrage... Die Kosten für dieses Gutachten hätte man sich im BDA sparen können. Die Frage, ob die Verbauung des Augartenspitzes im geplanten Umfang und in der geplanten Art und Weise eine Veränderung des Denkmals Augarten darstellen würde, ist nämlich in erster Linie eine Rechtsfrage und keine Frage der Bedeutungsrelation des zu verbauenden Grundstücks. Nicht darauf, ob dieses Grundstück ein wesentlicher Bestandteil des schützenswerten Ensembles ist, kommt es an, sondern darauf, ob durch den geplanten Bau das Erscheinungsbild des Augartens als Ganzes (oder eines erheblichen Teiles davon) verändert würde. Um diese Frage zu beantworten bedarf es keines Gutachtens, sondern nur eines intakten Beurteilungsvermögens von Fragen, die das tägliche Leben mit sich bringt. Wäre die Frage der beabsichtigten Veränderung bejaht worden, dann wäre nur noch die Interessenabwägung vorzunehmen gewesen, deren Beantwortung sich das Bundesdenkmalamt in seiner Entscheidung vermutlich deshalb entzogen hat, weil aus ihr für den Bauwerber nichts zu gewinnen gewesen wäre. ...und was dahinter steckt Freilich, das Bundesdenkmalamt und seine Präsidentin waren in keiner beneidenswerten Lage. Sie können darauf verweisen, dass Beharren auf dem verfassungsmäßig vorgegebenen Legalitätsprinzip – nur dem Gesetz gegenüber verpflichtet zu sein – nur dazu führe, dass die Ministerin als Berufungsinstanz den Bescheid aufheben würde, wie dies erst unlängst im Fall des Innsbrucker Rundgemäldes der Fall gewesen ist. Diesen Ärger – gegen den es notabene keinerlei Möglichkeit gibt, ein Höchstgericht anzurufen – wollte man sich ersparen. Verständlich, wenn doch damit (wie schon seit Jahren) automatisch die Drohkeule verbunden ist, den Denkmalschutz verfassungsmäßig der Länderkompetenz auszuliefern – ein Schreckensszenario, mit dem das Bundesdenkmalamt immer noch gefügig gemacht werden konnte. Dass es für einen solcherart erpressbar gewordenen Denkmalschutz ziemlich gleichgültig sein kann, ob er nun in 9 Landesbehörden aufgeteilt vom Wohlwollen des jeweiligen Landeshauptes abhängig gemacht würde, oder ob dessen Arm über das zuständige Ministerium weit in eine Bundesbehörde hineinreicht, ist bei der offenkundigen Ohnmacht dieser Bundesbehörde gegenüber den Wünschen von Landeshäuptern ziemlich gleichgültig. Die Urangst ist also nicht die des Denkmalschutzes, sondern beschränkt sich auf einige wenige Spitzenbeamte, die um ihren Job bangen. Dass die „Gefahr“ tatsächlich besteht, ist – vor allem in großkoalitionären Zeiten – nicht von der Hand zu weisen, auch wenn internationale Gremien, von der UNESCO angefangen über die EU bis hin zu internationalen Denkmalschutzorganisationen – über die offenbar verrückt gewordenen Össis nur den Kopf schütteln würden. Wen hinterm Berg kümmert’s? Bierdippler-Mentalität? Wieder einmal hat ein Landeshauptmann seinen Wunsch durchgesetzt, hat eine angeschlagene Ministerin den Weg des geringsten Widerstandes gewiesen. Die Folgen werden verheerend sein. Den Augarten darf man abschreiben. Der nächste Einbruch steht bereits vor der Türe. Mit welchem Argument man das Flakturm-Datencenter ablehnen soll, wenn eine politisch günstige Konstellation mit dem Verweis auf den Augartenspitz Gleichheit vor dem Gesetz einfordert, wird wohl niemand beantworten können. Die Bürgerinitiative hat auf die Gefahr dieses Dammbruches hingewiesen. Sie wurde nicht gehört. Es ist zu befürchten, dass mit dem Augarten der gesamte Denkmalschutz ad absurdum geführt werden wird. Er wird zum Spielball und zum Tauschobjekt der Politiker degradiert werden (so weit er das nicht schon heute ist), er wird nicht mehr ernst genommen werden, auch im Ausland nicht. Der Ausverkauf an Kulturgütern, dessen Verhinderung die Ursache der vertrackten rechtlichen Situation gewesen ist, wird unter galoppierender Schwindsucht leiden. Die kulturellen Bierdippler dieser Nation schreien ohnedies bereits mit den Worten Josef Weinhebers: „Wann i, verstehst, was z’reden hätt, i schaffert alles a, was brauch ma denn dös alles, net, is eh gnua da.“ Sie haben zu reden, sogar sehr viel. Leider. In Österreich scheint Alkoholismus nämlich keine Krankheit, sondern die Normalität zu sein. Wir alle leiden darunter, auch die Nüchternen. H. Hofmann |