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Lärmbelastung und Vollzug der StVO


Freitag, 17. April 2009

In einer am Handelskai gelegenen Wohnung wurde im März 2008 der durch den Verkehrslärm bedingte Dauerschallpegel gemessen. Die untenstehende graphische Darstellung des Ergebnisses zeigt, dass über den größten Teil des Tages der Lärm im Bereich zwischen 60 und 68dB liegt.



agramm „Lärmmessung HK Wohnung“

Die Grenzwerte für den vorsorglichen Gesundheitsschutz für an der Strasse gemessene Lärmwerte nach der WHO liegen bei 55dB während des Tages und bei 45 dB während der Nachtstunden. Dies bedeutet, da nach der dB Skala ca. 10dB mehr einer Verdoppelung des Lärms entsprechen, dass in den Wohnungen am Handelskai der ca. drei- bis vierfache Grenzwert nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herrscht. Zur Verdeutlichung: werden in einem Gewerbebetrieb derartige Lärmwerte erreicht, so werden Gehörschutzmaßnahmen vorgeschrieben!!. Jedenfalls ist bei den in den Wohnungen am Handelskai herrschenden Lärmwerten statistisch mit einer Zunahme an Herz-Kreislauerkrankungen, einschließlich Herzinfarkten, um mindestens 20% zu rechnen. Nur zum Vergleich: wegen einer Risikoerhöhung für Lungenkrebs um 0,1% durch Asbest in Gebäuden (Quelle: „Lärmbekämpfung in Wien 1989“ MA 22) wurde um zig Mio. Schilling das Radstadion saniert. Aber daran hat ja die Bauwirtschaft verdient.

Vor diesem Hintergrund wurden die Messergebnisse am 18. Juni 2008 dem zuständigen Herrn Stadtrat D.I. Schicker übermittelt mit der Aufforderung entsprechend der StVO §43 Abs. 2, der zum Schutz der Bevölkerung vor Belästigungen, insb. durch Lärm, Geruch und Abgase, die Setzung verkehrsbeschränkender Maßnahmen vorschreibt, am Handelskai rechtskonforme Verhältnisse zu schaffen.
Siehe: 1. Brief an Schicker "Lärmmessung Wohnung"

Dies wurde mit dem Hinweis dass der Handelskai eine Hauptstrasse B sei und für LKW-Fahrverbote keine Ausweichrouten bestünden und angeblich aufgrund des Hinweises im §43 Abs. 2, dass bei der Erlassung solcher (verkehrsbeschränkender) Verordnungen auf den angestrebten Zweck und anderseits auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehung und der Verkehrserfordernisse Bedacht zu nehmen sei, abgelehnt.
Siehe: 1. Antwort von Schicker "Lärmmessung Wohnung"

Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt dem Stadtratbüro die VfGH-Entscheidnungen VfGH-Entscheidungen B123/90, B426/90 (8. Okt. 90), B778/86 800-802/86 (9. 0kt. 87) (alle Vorrang der Interessen der Anrainer vor Verkehrsinteressen), B51/76 (auch B202/76, B326/76) (21.Juni 77) (§43 Abs. 2 StVO ist weder im Hinblick auf die Eigenschaft einer Strasse als Bundesstrasse, noch sonst etwa in zeitlicher Hinsicht beschränkt), B931/93-12 (24. Juni 994) (auch geringe Verbesserungen für die Anrainer rechtfertigen verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach §43 Abs.2 StVO; Salzburger Busfahrverbot) bekannt. Auch ist aus dem erwähnten Hinweis im §43 Abs. 2 kein Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Interessensabwägung Verkehrsinteressen gegen Gesundheitsinteressen der Anrainer abzuleiten.
Die Antwort des Büros von Stadtrat D.I. Schicker zeigt somit erschreckende Inkompetenz.

Seitens der B.I. wurde am 10.08.2008 erwidert, dass bei der ersichtlichen Bevorrangung der Verkehrsinteressen durch die Stadtverwaltung, die sich aufgrund deren Argumentation zeigt, der Schutz der Anrainer durch §43 Abs. 2 StVO ad absurdum geführt wird und die Damen und Herrn der Gesetzgebung als dumm dargestellt werden und eine Tempo 30 Beschränkung alle Verkehrsverbindungen unbeschränkt lässt und nur den Fahrspaß vermindert.
Siehe: 1.Antwort an Schicker "Lärmmessung Wohnung"

Weiters hat die B.I. Handelskai in einer ergänzenden Stellungnahme
Siehe: 2. Brief an Schicker "Lärmmesung Wohnung"

vom 16.08.2008 auf die Möglichkeit der Ausnahme vom angestrebten LKW-Fahrverbot für Lieferverkehr verwiesen, die Gegenstand eines Beschlusses der Bezirksvertretung aus dem April 1992 war. Weiters wurde auch erläutert, dass das Büro Schicker das Wort „bei“ im oben erwähnten Hinweis im §43 Abs. 2 StVO im Sinne von „vorher“ verwendet, was auf mangelnde Deutschkenntnisse schließen lässt, und der erwähnte Hinweis nur so verstanden werden könne, dass bei verkehrsbeschränkenden Maßnahmen die gelindesten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zwecks, des Schutzes der Bevölkerung vor Belästigungen, anzuwenden sind. Weiters wurde auf die Spruchpraxis des EuGH verwiesen, die den Vorrang des Gesundheitsschutzes vor Verkehrsinteressen festlegt.

Die Diskussion mit der B.I. Handelskai wurde dem Büro von Stadtrat D.I. Schicker offenbar zu schwierig und hat daher die MA 65 Rechtliche Verkehrsangelegenheiten eingeschaltet.

Diese konnte sich aber auch nicht zu einer Diskussion auf der Grundlage der seitens der B.I. Handelskai erwähnten VfGH Entscheidungen entschließen. Auf von einer Seite vorgelegte Entscheidungen überhaupt nicht einzugehen und nur eine Reihe anderer Entscheidungen zu nennen, wie dies die MA 65 tat
Siehe: Brief von MA65

ist an sich sehr ungewöhnlich und ist sicher kein Zeichen für eine vom Gesetz stark gestützte Position.

Die MA 65 beharrt in ihrem Schreiben vom 10. 09. 2008 auf einer Interessenabwägung von Verkehrsinteressen gegen Gesundheitsinteressen, lehnt verkehrsbeschränkende Maßnahmen ab und zeigt daher eine Haltung bei der es schwer fällt, sie von einer faschistischen Haltung zu unterscheiden. Weiters verweist sie darauf, dass verkehrsbeschränkende Maßnahmen nur auf Strassen verhängt werden können, die sich deutlich von anderen Strassen unterscheiden und nennt in dieser Richtung verschiedene VfGH Entscheidungen.

Darauf wurde am 24. 02. 2009 geantwortet
Siehe:Antwort auf Brief von MA65

und bemängelt, dass keine Begründung für den Ausgang der Interessensabwägung angegeben wurde. Weiters wurde festgestellt, dass die seitens der MA65 erwähnte Entscheidungen nur Maßnahmen betreffen die das gegenseitige Verhalten von verschiedenen Gruppen von motorisierten Verkehrsteilnehmern untereinander oder reine Fragen der Verkehrssicherheit betreffen, nicht aber Maßnahmen zum Schutz der Anrainer. Weiters wurde auch dargelegt, dass sich der Handelskai hinsichtlich der Lärmbelastung sehr deutlich vom Großteil der Strassen Wiens unterscheidet und daher die von der MA 65 erwähnte Bedingung für verkehrsbeschränkende Maßnahmen erfüllt ist. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der gesundheitsschädliche Lärm am Handelskai nachweislich ist und daher in Analogie zu einer nachweislichen erhöhten Gefährdung im Verkehrsgeschehen, auch den Vorgaben der MA 65 eine Herabsetzung der Geschwindigkeit zweckmäßig wäre. Schließlich wurde auf die VfGH Entscheidung in Sachen Busfahrverbot in Salzburg verwiesen, bei ausdrücklich festgehalten ist, dass auch geringe Verbesserungen für die Anrainer verkehrsbeschränkende Maßnahmen rechtfertigen.

Falls sich die MA 65 noch zu einer Antwort aufraffen sollte wird darüber berichtet werden.

Friedrich Hochmann
B.I. Handelskai
e-mail: Kontakt per E-Mail

P.S. Die erwähnten VfGH-Entscheidungen wurden vorerst nicht aufgenommen, um den Beitrag nicht zu überladen. Falls Interesse an diesen Entscheidungen besteht, so wird um Kontaktaufname über die Kontaktadresse gebeten.

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