AKT!ON 21

Stadt Wien erlaubt „Baumfreimachung“ eines Wohnviertels




Freitag, 20. Februar 2009

Das Baumschutzreferat der MA 42 bewilligte die Rodung des Baumbestandes auf den der Teilen des Komet-Areals, die der HPD-Holding gehören

Anfang Februar 2009 rückten Arbeiter der Firma „Kratky“ auf den Komet-Gründen in Wien Meidling an und rodeten die Bäume des Areals. „Baumpflege – Im Einklang mit der Natur“ steht als Motto auf dem Lastwagen der Firma Kratky, die ihren Sitz in 1130 Wien, Feldkellergasse 30 hat.

Es war ein Kahlschlag ohnegleichen. Laut Fällungsbewilligung von Frau Mag. Vetter vom Bezirksamt Meidling soll ein (nicht genannter) Amtssachverständiger der MA 42 am 11.11.2008 festgestellt haben, dass sämtliche (!) Bäume auf dem Areal „ihre physiologische Altersgrenze erreicht“ hätten und/oder nicht mehr „ausreichend bruchsicher“ seien, sodass eine Fällung nötig sei. Die Behauptung, dass alle Bäume auf dem Areal gleichzeitig morsch und altersschwach geworden seien, klingt zweifellos merkwürdig.



Anrainer berichten, dass die Bäume (bis auf einen einzigen) keine Anzeichen für Holzfäule im Stamm zeigten. Die großen Bäume entlang der Fabriksgasse seien völlig gesund gewesen, es gab bestenfalls vereinzelte morsche Äste, die man rasch hätte entfernen können. Brisant sind überdies die Aussagen von Arbeitern der Rodungsfirma Kratky. Gegenüber einem in der Nähe wohnenden Universitätsprofessor gaben die Arbeiter zu, dass die Bäume gesund seien, man sei aber an den Rodungsbescheid gebunden.

Ing. Norbert Selenz, Leiter des „Baumschutzreferates“ der Stadt Wien, teilte am 3. Februar auf Anfrage mit, ein Amtssachverständiger habe die Bäume objektiv beurteilt, es gäbe keine rechtliche Möglichkeit, die Fällung zu verhindern. Die MA 42 sei nicht Auslöser des Verfahrens zur Erlangung der Fällungsbewilligung gewesen. Wer oder was steckt also hinter dem Kahlschlag auf den Komet-Gründen?

Verschiedene Schlägerungsszenarien

Eigentümer des Areals, auf dem die gefällten Bäume standen, ist die bauwerbende HPD-Holding, die dort – anscheinend mit russischen Geldern – trotz Wirtschaftskrise ein Hochhausprojekt verwirklichen will. Da sie nicht alle Grundstücke kaufen konnte, müsste die geplante riesige Gebäudekubatur wie eine „Würgeschlange“ um die drei verbleibenden Wohnhäuser herum gebaut werden. Diese Liegenschaftsbesitzer werden nun massiv unter Druck gesetzt. Die Baumfällungen sind dabei möglicherweise ein Steinchen im Puzzle.

Die HPD-Holding beauftragte das „Sachverständigenbüro Peter Schabel“ in 1130 Wien mit der Abwicklung der Formalitäten zur Rodung der Bäume am Komet-Areal. Wären die Bäume nicht schon jetzt mit dem zweifelhaften Argument „aus Sicherheitsgründen“ geschlägert worden, hätten sie bei Baubeginn des Hochhauses beseitigt werden müssen. Zweifellos würde eine solche Rodung großer Bäume zu Baubeginn auf wütende Bürgerproteste stoßen, da dem Großbauvorhaben die Akzeptanz der Wohnbevölkerung fehlt. Eine Rodung aus „Sicherheitsgründen“ wird, falls gerechtfertigt, leichter akzeptiert, scheint man in Rathauskreisen zu denken. Außerdem müssen bei einer Abholzung wegen eines Bauprojekts für jeden Baum je nach Stammumfang viele teure Ersatzbäume in unmittelbarer Nähe gepflanzt werden. Wenn jedoch wegen der „physiologischen Altersgrenze“ gerodet wird, ist nur eine (billige) eins-zu-eins-Ersatzpflanzung nötig, die gegebenenfalls auch mit einer Abschlagszahlung abgegolten werden kann, womit das „Baumproblem“ für den Projektentwickler erledigt wäre.

Anrainer werden fotografiert

Für die HPD-Holding waren die Fällungsbescheide der Stadt Wien zweifellos ein Glücksfall. Als Berater der HPD fungierte übrigens jahrelang der SP-Ex-Minister Karl Schlögl. Die Kontakte der Firma zum Rathaus gelten als gut.

Interessant ist die Stellungnahme der MA 42 gegenüber der Kronenzeitung vom 5.2.2009: Demnach wäre ein Rückschnitt der Baumkronen dem Bauwerber nicht zuzumuten gewesen, weil die gesunden Stämme dem Projekt im Weg stünden und sowieso bald weg müssten.

Dies ist unrichtig, da es für das Projekt keine gültige Baubewilligung gibt und es ungewiss ist, ob angesichts der Liquiditätsengpässe russischer Investoren das Projekt jemals Wirklichkeit wird. Architekt Podsedensek, der sich das Komet-Projekt eigentlich als letzte Krönung seiner Laufbahn vor seiner Pensionierung wünschte, hat sich folgerichtig nun auch dem Eisring Süd zugewendet, wo neben einer Sportanlage ein Einkaufszentrum errichtet werden soll.

Gegenüber der Kronenzeitung behauptete die MA 42 übrigens, die geschlägerten Baumkronen seien „tot“ gewesen. Das hier präsentierte Foto vom Sommer 2008 belegt jedenfalls, dass diese Behauptung unrichtig ist.

Wie gesund oder krank die Bäume waren, darüber können die Anrainer jetzt nur mehr spekulieren. Die Beweise für die angeblich morschen Stämme wurden von der Firma Kratky („Im Einklang mit der Natur“) im Häcksler zerkleinert und nicht dokumentiert. Der Leiter der Baumfällungen, ein Mitglied der Firma Kratky, hat allerdings am folgenden Tag durchaus Fotos gemacht: Er fotografierte originellerweise die Gesichter der anwesenden Anrainer, die fassungslos die Entfernung weiterer Bäume beobachteten.

GERD MAIER
Zu diesem Beitrag können keine Kommentare (mehr) verfasst werden.