AKT!ON 21

Lästige Parteien im Bauverfahren:
Beteiligung unerwünscht


Sonntag, 11. Jänner 2009

Wenn eine Behörde uneinsichtig und gegen alle Regeln der logischen Vernunft auf einer Entscheidung beharrt, gegen die ein Rechtsmittel nicht möglich ist, dann liegt der Verdacht sehr nahe, dass irgend etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Es könnten unsachliche Beweggründe für die Entscheidung mitbestimmend sein

An der 20 m-Grenze sollt ihr sie erkennen.


Das gilt vor allem dann, wenn die Entfernung eines geplanten Bauwerks so knapp über der 2o m-Grenze angesetzt wird, dass dadurch Anrainern die Parteienstellung entzogen wird. (Zum Verständnis: die Wiener Bauordnung sieht vor, dass Eigentümer gegenüberliegender Liegenschaften im Bauverfahren Parteienstellung haben, wenn ihre Liegenschaften vom Baugrundstück durch einen öffentlichen Verkehrsweg getrennt sind und weniger als 20 m entfernt sind.) Die Ausschaltung kritischer Parteien soll die Möglichkeit, dass gegen fragwürdige Genehmigungsbescheide Rechtsmittel eingelegt werden, ausschließen. Wien Mitte ist ein klassisches Beispiel dafür, an der Alten Donau hat man, als Anrainereinsprüche gegen die geplante Strandbar erfolgten, das geplante Gebäude kurzerhand um einige Meter von den Anrainern abgerückt, um sie aus dem Verfahren heraushalten zu können.

„Verhinderer“ – von Katastrophen?

Zur vordergründigen Rechtfertigung dieses Vorgehens werden Anrainer immer wieder als Verhinderer verunglimpft, denen man mit solchen Tricks die Möglichkeit nehmen müsse, ihr Querulantentum auszuleben. Das geht so weit, dass die Wien Mitte Immobilien Gesellschaft m.b.H. in einer Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof (!) behauptet hatte: „Tatsache ist allerdings, dass die Beschwerdeführer seit Jahren im Zusammenhang mit der Umgestaltung des Areals des Bahnhofs Wien Mitte stehende Maßnahmen mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln bekämpfen.“ Besieht man solche Behauptungen bei Tageslicht, dann bleibt von dieser als Tatsache behaupteten Anschuldigung nichts übrig. Es sei denn, man wollte behaupten, dass die berechtigte Sorge um ein für die Behörde vorhersehbares und dennoch von ihr genehmigtes Katastrophenszenario à la Seveso oder Kaprun ein Mutwillensakt sei oder dass das Ankämpfen gegen die Nichtzulassung eines Anrainers als Partei zum Bauverfahren etwas mit der Bekämpfung von Umgestaltungsmaßnahmen zu tun habe. Es gibt nämlich keinen weiteren Fall, in welchem ein Anrainer die Umgestaltung von Wien Mitte mit rechtlichen Mitteln bekämpft hätte. Schon an diesem Beispiel wird offenkundig, dass es die Parteienstellung mit all den einer Partei gegebenen rechtlichen Möglichkeiten ist, welche Bauwerbern und den ihnen „wohlwollenden“ Amtsträgern ein Dorn im Auge zu sein scheint. Parteien haben volle Akteneinsicht, können sich daher über die rechtlichen Grundlagen aller geplanten Maßnahmen, über die Einhaltung der Gesetze und der ergangenen Bescheide aus erster Hand informieren und lästige Fragen stellen, wenn ihnen irgend etwas nicht rechtens zu sein scheint. So gesehen wundert es niemanden, wenn man lästige Frager mit allen Mitteln, auch rechtsstaatlich bedenklichen, aus den Verfahren entfernen will. Wenn dies noch dazu mit tatkräftiger Unterstützung der Behörde geschieht, dann sollten bei der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft die Alarmglocken schrillen – ganz besonders dann, wenn sich die sonst sehr selten Berufungen stattgebende Zweitinstanz zu einer „Korrektur“ zweifelhafter Spruchgewohnheiten der Unterinstanzen aufrafft. Zeitgenössische Korruption findet nicht, wie ein Vertreter von Transparency Internatioal zutreffend bemerkt hat, mit dem Geldköfferchen oder dem dicken Kuvert statt, bei dessen Übergabe man sich erwischen lässt. Solche Vorgänge laufen differenzierter ab. Will man sie aufdecken, dann muss man bei den Indizien ansetzen. Einige davon sind „todsichere“ Tipps, weil keine einleuchtenden Begründungen dafür gegeben werden können. Es ist nur mühevoll, den Weg vom nicht erklärbaren Sachverhalt zurück bis zur möglicherweise kriminellen Handlung zu verfolgen.

Alte Verhaltensmuster

Ich habe mein Lehrgeld vor mehr als 40 Jahren gezahlt. Es ging um 5 Autobahnbrücken. Bei 4 davon war eine über eine verstaatlichte Bank im Eigentum der Republik Österreich stehende Baufirma Bestbieter gewesen. Dennoch erhielt sie nicht einen einzigen Zuschlag. Also pilgerte ich zum zuständigen Ministerialrat F. im Bautenministerium. Der erzählte mir lang und breit von stilistischen Unterschieden zwischen „westlichen“ und „östlichen“ Autobahnbrücken und erklärte, die Brücken der verworfenen Angebote seien vom Erscheinungsbild her zu schlank und nicht zu den massiven Brücken, die man im Osten Österreichs favorisiere, passend. Das war der einzige Grund, den er für seine befremdliche Entscheidung nennen konnte. Ich musste unverrichteter Dinge abziehen, es gab keine Diskussionsbasis. Wenige Jahre später erhielt er als einer der „Haupttäter“ des Bauskandals der Sechzigerjahre vom Gericht eine mehrjährige Kerkerstrafe – für die Firma und die mit ihr ein zweites Mal geschädigte Republik Österreich ein schwacher Trost.

Helmut Hofmann


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