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Bürgerbeteiligung - für oder gegen „Florianiprinzip“?


Montag, 4. Jänner 2010

Profil (Herbert Lackner und Rosemarie Schwaiger) hat sich eines wichtigen Themas angenommen. Das Thema ist „Bürgerbeteiligung“, auch wenn die Verfasser des Beitrags ihn am sogenannten „Florianiprinzip“ aufgehängt haben. Schon die Erklärung dieses Prinzips hinkt. Sie liegt nämlich nicht unmittelbar in dem grausamen Martyriums Florians begründet, sondern in seiner Kür zum Schutzpatron gegen Feuersbrunst. Das Sprichwort „Jeder ist sich selbst der Nächste“ führte auf diesem Unglückssektor zum leicht ironischen Stoßgebet an den Hl. Florian, er möge das eigene Haus verschonen und das des Nachbarn anzünden.

Wir verdanken der modernen Neurobiologie die Erkenntnis, dass dieses Verhalten nicht das dem Menschen angeborene ist. Der von Hobbes bis Darwin vertretene Kampf aller gegen alle hat sich als Verhaltensweise entpuppt, die uns nur unter ganz bestimmten Umständen eigen ist. Unser Strickmuster ist vielmehr auf Zusammenarbeit und Altruismus ausgerichtet. Wer das nicht weiß, hat einfach die letzten zehn Jahre wissenschaftlicher Entwicklung verschlafen.
Wie kommt es aber, dass das Florianiprinzip immer noch Gültigkeit zu haben scheint?
Profil sei Dank: es hat an einigen Beispielen seine ungebrochene Wirkmächtigkeit demonstriert. Die Beispiele heißen: Müllverbrennung, Starkstromleitungen, Straßen, Erstaufnahmezentrum für Asylanten. Es hat allerdings vergessen, die Ursachen dafür zu ergründen. Die Ursachen heißen: Präpotenz und Ignoranz, Überheblichkeit und Gedankenlosigkeit.
Nämlich: was haben all die Beispiele gemeinsam?

Sie haben gemeinsam, dass „die da oben“ etwas aushecken und beschließen, während „die unten“ die versalzene Suppe auslöffeln sollen. Es geht nicht darum, ob Müll verbrannt, ob Stromleitungen oder Straßen gebaut oder ob Asylantenunterkünfte errichtet werden sollen. Es geht vielmehr darum, wann, wo, wie und in welchem Ausmaß dies geschehen soll. Es geht darum, dass all dies wohl gescheiter, zielführender und auch bürgernäher passierte, nähme man sich die Mühe, diejenigen, die damit leben müssen, in die Planung und Entscheidungsfindung einzubeziehen. Aber gerade das ist es ja, was man ängstlich vermeidet. „Die“ könnten ja dumme Fragen stellen, zu Offenlegungen zwingen. Gerade das ist es, was „die da oben“ nicht unter Mitgestalten verstehen, weil allzu viel Transparenz unangenehm werden könnte. Bürgerbeteiligung ja, aber nichts dreinreden, nur gut zuhören, wie bei einer Werbeveranstaltung, und dann das Geld auf den Tisch legen und kaufen. Bürgerbeteiligung à la „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“

Dabei zeigen die Bürger seit Jahrzehnten, wie man Müll auch anders behandeln bzw. gar nicht erst in diesem extremen Ausmaß entstehen lassen könnte, z.B. durch gesetzliche Maßnahmen zur Müllvermeidung, Forcieren von Recycling etc. Aber wer will das schon wissen?

Auch zeigen Bürger, wie man Strom anders leiten kann. Und das Unvorstellbare geschieht: Politiker greifen solche Vorschläge auf. Aber nicht, um die Diskussion auf eine breite Basis zu bringen, sondern um sich als bürgernah zu produzieren, aus rein parteitaktischen Überlegungen. Und schon hat man es wieder geschafft, Bürgerbeteiligung in Verruf zu bringen.
Bürger zeigen auch, wo neue Straßen unwillkommen sind, weil an ihnen kein Bedarf besteht. Kein Bedarf? Aber jedes Kind sieht doch, dass Bedarf vorhanden ist! Wie war das doch bei der Luegerplatzgarage: das Wichtigste, das Allererste, das ein Investor machen muss, bevor er Geld in eine Sache steckt, eine Bedarfsfeststellung – die gibt es immer noch nicht. Warum? Weil „die da oben“ ohnedies wissen, dass es einen ausreichenden Bedarf gibt. Ganz ohne Untersuchung, aus fester Überzeugung, Überheblichkeit und Gedankenlosigkeit.
So zeigt etwa die ASFINAG stolz ein Bürgerbeteiligungsmodell, bei denen die Trassenführung mit den Betroffenen ausdiskutiert und festgelegt worden ist. Die Notwendigkeit der betreffenden Straße allerdings war nicht Gegenstand des Diskurses, die wurde „von oben“ dekretiert.

Genau so verhält es sich bei den Asylantenheimen. Die Frage danach, ob und wie viele Asylanten Österreich aufnehmen soll, wird nicht erst gestellt, auch wenn wir im Verhältnis zu Deutschland, Frankreich oder England um vieles mehr an Asylanten aufgenommen haben. Die Frage, wie man solche Asylanten am besten unterbringt – zentral oder dezentral – wird ebenso wenig gestellt. Erst wenn es darum geht, wo so ein Konzentrationslager – im wahrsten Wortsinn - gebaut werden solle, beginnen sich die Gemüter zu entzünden. Und dann setzt eine hässliche, in tiefste parteipolitische Niederungen gezogene Diskussion ein, an der sich anständige Bürger erst gar nicht beteiligen wollen, weil sie sich dieses Niveaus schämen. Es müsste nicht so tief sein, hätte man den Mut, die wesentlichen Fragen im Vorfeld mutig und ehrlich aufzuarbeiten.

Warum bilden sich so viele Bürgerinitiativen, warum werden sie immer mehr? Ein Medium mit Profil sollte nicht nur über die Symptome an der Oberfläche ätzen, sondern auch über diese Frage tiefer nachdenken.

Helmut Hofmann

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