Dienstag, 7. November 2006
Nordost-Umfahrung droht dramatische Verteuerung: Kosten könnten auf mehr als zwei Milliarden Euro steigenVon Christian Mayr Negatives Bohrergebnis: In 75 Metern nur Sand und Wasser. Asfinag schließt Abkehr von Tunnel-Projekt nicht mehr aus. "Nicht unendlich viel Geld ausgeben." Wien. Während Umweltaktivisten nach wie vor im Nationalpark Donauauen ausharren und so die geplante Lobau-Autobahn verhindern wollen, sickern nun die ersten Ergebnisse der Probebohrungen außerhalb des Nationalparks durch. Und sie bringen schlechte Nachrichten für die Tunnelbauer: Statt wie angenommen in 60 Meter Tiefe festen Untergrund vorzufinden, gab es dort immer noch lockeren Sand und Wasser – was sich sogar bis auf 75 Meter fortsetzte. Andere Bauweise nötigDies wird der "Wiener Zeitung" von einem dem Bohrtrupp nahe stehenden Tunnelexperten berichtet: "Die Arbeiten beim Bohrloch nahe dem Ölhafen Lobau wurden bei 75 Meter abgebrochen, weil man immer noch auf keinen festen Untergrund gekommen ist", sagt der Fachmann, der nun "massive Probleme" für das Projekt erwartet. Denn da anzunehmen sei, dass sich diese geologische Situation auch unter der ganzen Lobau fortsetzt, werde sich der 8,5 Kilometer lange Tunnel massiv verteuern: "Das bedeutet, dass man jeden Meter einfrieren muss, um bohren zu können", sagt der Experte, der einen Vergleich zum U2-Tunnel unter dem Donaukanal zieht, wo ebenso teuer vereist worden sei.Außerdem müssten die Tunnelwände wesentlich dicker ausfallen, um vor Wassereinbrüchen zu schützen. Für den Experten ist daher schon jetzt klar, dass man mit den budgetierten 1,6 Milliarden Euro nicht auskommen werde: "Das wird sicher mehr als zwei Milliarden Euro kosten – leicht." Außerdem würde sich das gesamte Großprojekt unter diesen Bedingungen verzögern (die Fertigstellung wäre für 2015 avisiert): "Die Bauarbeiten dauern dann natürlich wesentlich länger. Es ist nicht absehbar, wie lange." Sollte an der Tunnelvariante festgehalten werden, gäbe es jedenfalls keine Alternative zur aufwendigen Vereisungs-Methode – denn tiefer zu graben sei aufgrund des dann größeren Straßengefälles unmöglich: "Das würde dann über vier Prozent Neigung gehen – und das ist unzulässig." Die für die Bohrungen zuständige Straßenbaugesellschaft Asfinag kann die Bohrergebnisse weder bestätigen noch dementieren: "Wir wissen davon noch nichts. Es wird ein Gesamtergebnis geben, wenn alle Bohrungen abgeschlossen sind", erklärt Asfinag-Sprecherin Astrid Oberholzer. "Anderes überlegen"Sie bestätigt aber nun erstmals, dass die Asfinag, die auf einem Schuldenberg von zehn Milliarden Euro sitzt, das Tunnel-Großprojekt fallen lassen könnte (im September wurde dies noch dementiert): "Wenn es aus irgendwelchen Gründen zu einer Kostenexplosion kommt, dann müssen wir uns etwas anderes überlegen. Die Asfinag kann nicht unendlich viel ausgeben", sagt Oberholzer zur "WZ". Es werde mit Sicherheit keinen Tunnel "ohne Wenn und Aber" geben. Näheres wisse man erst, wenn die Probebohrungen beendet seien – "deshalb werden diese ja gemacht".Auch Geologen bestätigen die schwierige Situation im Untergrund: Laut Godfrid Wessely, anerkannter Wissenschafter und einst leitender Geologe in der OMV, sei der lose Sand/Wasser/Ton-Untergrund auch unter der Lobau vorzufinden, da sich das "Ober-Pannonium" dorthin ausdehnt. Wessely widerspricht auch der Stadt Wien, die in ihrer Medien-Kampagne den "dichten Untergrund" bei rund 30 Meter Tiefe ansetzt: "Das ist sicher nicht der Fall. Denn ,dicht‘ würde bedeuten, dass kein Wasser durchfließt. Diese Schichten sind natürlich wasserführend", sagt Wessely. Besetzer bleiben in AuDie Gegner der Wiener Nordost-Umfahrung (S1) haben unterdessen am Montag angekündigt, nun den ganzen November in ihrem Camp in der Lobau bei Groß-Enzersdorf zu bleiben. Wie berichtet, wollen die rund 50 Umweltschützer die geplanten 18 Probebohrungen im Nationalpark stören und – auf friedlichem Wege – verhindern.Lange Verzögerung drohtWann genau die schweren Bohrfahrzeuge auffahren, wollte die Asfinag weiterhin nicht verraten. Sprecherin Oberholzer kündigt aber erneut an, dass niemand mit Gewalt aus der Lobau vertrieben werde – wodurch sich auch aus diesem Grund Verzögerungen abzeichnen: "Wenn wir nicht bohren können, verschiebt sich alles um ein Dreiviertel-Jahr, weil wir nur außerhalb der Vegetationszeit in den Nationalpark dürfen", so Oberholzer.Dienstag, 07. November 2006 Links zu diesem Thema
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