Donnerstag, 4. September 2008
Die folgenden Worte hat Josef Weinheber in seinem unnachahmlichen Gedichtzyklus “Wien wörtlich” einem “Angeheiterten” in den Mund gelegt.Was brauch ma des? Wann i, verstehst, was z’reden hätt, i schaffert alles a. Was brauch ma denn des alles, net? Is eh gnua da Is eh gnua da . Lebte Weinheber heute, er tauschte nur das Wort „schåffert“ gegen „reißert“. Tatsächlich hat man immer wieder den Eindruck, als wäre Wien fest in den Klauen von „Angeheiterten“, Allerdings sind diese mit einer Machtfülle ausgestattet, welche das besoffene Tun leider nicht in der Möglichkeitsform, sondern als traurige Wirklichkeit darbietet. Und es gibt nicht wenige, welche – die Dinge offenbar auch nicht ganz nüchtern betrachtend – dabei noch Applaus spenden, zumindest bevor das Malheur in seiner ganzen Pracht sichtbar geworden ist. Is eh gnua då – der vermeintliche Überfluss wird zu seinem eigenen Bumerang. Es beginnt schon beim Denkmalschutzgesetz, das für die Erhaltungswürdigkeit auf die Seltenheit gleichartiger Denkmäler abstellt. Wo also von gleicher oder ähnlicher Qualität „eh gnua da“ ist, besteht keine Schutzwürdigkeit. Da wird abgerissen, was das Zeug hält. Und plötzlich ist es zu spät, ist „eh fast nix mehr da“, und das desolat und absichtlich dem Verfall preisgegeben. Dann ist es mit dem Denkmalschutz wieder nichts. Denn wo nichts mehr ist, hat nicht nur der Kaiser, hat auch der Denkmalschutz das Recht verloren. Im wahrsten Sinn des Wortes. Wozu Denkmalschutz? Mancher fragt sich, wozu es überhaupt so etwas wie einen staatlichen Denkmalschutz gibt. Das Denkmalschutzgesetz gibt eine eindeutige Antwort: es besteht ein eminentes Interesse der Öffentlichkeit, also des „Volk“ genannten Souveräns der Republik Österreich, an der Erhaltung von Kulturdenkmälern. Das „Warum“ muss man wohl nicht mehr ausführen: nationale Identität, daraus erwachsende Werte wie Lebensqualität, Tourismus oder wissenschaftliche Forschung sprechen eine deutliche Sprache. Alle Kulturländer dieser Erde kennen diesen Denkmalschutz, um ihre kulturelle Identität wahren zu können, um für den oft lebensnotwendigen Tourismus attraktiv zu sein. Die Begehrlichkeit, bestehende Gebäude, und seien sie kulturell noch so wertvoll, abzureißen und an ihre Stelle neue zu setzen, ist allgegenwärtig. Sie ist umso größer, je attraktiver der betreffende Grund und Boden für Investoren ist. Eigennutz vor Gemeinnutz? Attraktivität für Investoren ist – vor allem in einer Kulturstadt wie Wien - nicht auf bestimmte Kulturzentren beschränkt. Sie muss nicht in der Wiener Innenstadt liegen. Auch die „Stadt des Kindes“ ist eine sogenannte gute – und daher teurere – Lage. Da lässt sich mit Neubauten – im Denkmalschutzjargon heißt das „Umbauten“ – gutes Geld machen. Von einer rein „privaten“ Gesellschaft natürlich. Das Naheverhältnis zur Stadt Wien bleibt dabei unerwähnt. Damit es da keine unerwarteten Hindernisse gebe, hat das Bundesdenkmalamt vor 6 Jahren den Denkmalschutz aufgehoben. Dazu schrieb Christian Kühn (Die Presse, Spectrum, 14.08.2004): „Umso befremdlicher ist eine vom Präsidenten des Denkmalamts, Gregor Rizzi, verfasste Stellungnahme, dass "ein öffentliches Interesse an der Erhaltung nicht gegeben" sei. Die "Stadt des Kindes" hätte, so Rizzi in seiner Begründung, "ihre inhaltliche sozialpädagogische Widmung verloren, die als Identitätsträger in sozialhistorischer Hinsicht auch einen Teil der Bedeutung ausmachte". Dem Objekt sei in seinem "gegenwärtigen Baubestand zwar durchaus architektonische Bedeutung beizumessen, doch kann sie angesichts der für die weitere Existenzfähigkeit des Baukomplexes absehbaren unumgänglichen Veränderungen nicht die Grundlage für ein öffentliches Interesse an der Erhaltung abgeben". Wozu Bundesdenkmalamt? Das Bundesdenkmalamt leitet seine Existenzberechtigung von der Wahrnehmung des öffentlichen Interesses am Denkmalschutz ab. Es muss seine im Denkmalschutzgesetz umschriebenen Aufgaben in Wahrnehmung dieses Interesses erfüllen. Wenn sich Entscheidungsträger dieses Amtes statt dessen den Kopf darüber zerbrechen, wie man aus den Buchstaben des Gesetzes und entgegen seinem Sinn Nachteiliges für den Erhalt eines Denkmals herauslesen kann, dann sind sie am falschen Platz. Potente Investoren und ihnen gefügige Politiker haben natürlich ein eminentes Interesse daran, den Denkmalschutz zu durchlöchern, wo er ihren Plänen im Wege steht. Nur selten trifft man auf unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein für kulturelle Güter, für deren Priorität vor rücksichtsloser Gewinnmaximierung. Der Regelfall ist traurigerweise ein anderer. Und ein Bundesdenkmalamt, welches die Geschäfte rücksichtsloser Investoren besorgt, erweist seiner eigenen Existenz einen Bärendienst. Es besteht allerdings begründete Hoffnung, dass dessen jetzige Präsidentin das besser weiß als ihr Vorgänger. Nur: was unter diesem passiert ist, kann weder den entstandenen Schaden wieder gut machen, noch das Misstrauen in Vorgangsweisen beseitigen, die der ehemalige Bundespräsident Kirchschläger gemeint haben dürfte, wenn er von trocken zu legenden sauren Wiesen gesprochen hat. Wer hat im Denkmalschutz das Sagen? Aus der Geschichte des Seebahnhofes Gmunden wie aus jener des Konzerthallenprojektes der Wiener Sängerknaben im Wiener Augarten wissen wir, wie finanzkräftige Lobbies ranghohe Politiker dazu bestimmen können, einen hohen Beamten dazu zu bewegen, klar und eindeutig gegen das Gesetz verstoßende Entscheidungen in Denkmalfragen anzuordnen bzw. selbst zu treffen, wenn sich redliche Beamte weigern, solches zu exekutieren. Wenn sich in einem offenen Brief von DOCOMOMO an Frau Dr. Heide Schmidt und Dr. Hans Peter Haselsteiner folgender Satz findet: „Dass der Stadt des Kindes 2002 der Denkmalstatus verweigert wurde, beruhte auf einem fundamentalen Irrtum der zuständigen Behörden“, handelt es sich um einen – gelinde gesagt – Euphemismus, der nur dadurch zu erklären ist, dass internationale Vereinigungen in ihrer Wortwahl mitunter sehr zurückhaltend sind, wie es in der Diplomatie eben üblich ist. Man muss eine solche Ausdrucksweise nur in offene Sprache übersetzen um zu wissen, was gemeint ist. Selbst Christian Kühn tat dies – offenbar aus Rücksichtnahme auf den damals noch amtierenden Präsidenten Dr. Rizzi – im Zusammenhang mit der „Stadt des Kindes“ nicht mit der gebotenen Deutlichkeit, wenn er meinte: „Der Zirkelschluss ist evident: Weil eine bevorstehende Umnutzung das Objekt gefährde, könne es leider nicht geschützt werden. Rizzi beruft sich dabei auf einen Paragrafen des Denkmalschutzgesetzes, der besagt, dass ein Denkmal nicht unter Schutz gestellt werden kann, wenn es nach den Maßnahmen zu seiner Erhaltung so verändert wäre, dass ihm keine Bedeutung als Denkmal mehr zukäme. Dieser Passus bezieht sich aber ausdrücklich auf Maßnahmen, die durch den "statischen oder sonstigen physischen Zustand" erforderlich werden und nicht auf die Folgen einer Umnutzung.“ Wenn Kühn hier von Zirkelschluss spricht, dann ist das zwar die Wahrheit, aber eben nur die halbe. Interessanter ist ihre andere, nicht erwähnte Hälfte. Es gibt zwar gesetzliche Bestimmungen, die so unscharf sind, dass man sie in gewissen Fällen unterschiedlich auslegen kann. Es geht aber nicht an – und ist vor allem nicht Aufgabe des Denkmalamtes – Auslegungen zu konstruieren, die jeder Vernunft Hohn sprechen und die auch bei denkmalschutzfeindlichster Einstellung, intellektuelle Redlichkeit vorausgesetzt, nicht ernsthaft begründet werden können. Gerade darum handelt es sich aber bei der von Christian Kühn erwähnten Vorgangsweise des damals von Präsident Dr. Rizzi geleiteten Denkmalamtes, und es handelt sich, wie wir inzwischen gelernt haben, nicht um einen Einzelfall. Amtsmissbrauch durch Umgehung des Gesetzes ? Die denkmalschutzrechtliche Seite der „Stadt des Kindes“ enthält aber noch weit Brisanteres. Wer hier, wenn auch noch so haarsträubend, mit einer „Umnutzung“ argumentiert, tut dies wider besseres Wissen. Hier geht es nämlich darum, dass einem im Jahr 2002 erlassenen Feststellungsbescheid des Bundesdenkmalamtes der „Stadt des Kindes“ keine Denkmalqualität zukomme. Diese Feststellung verstößt eindeutig gegen das öffentliche Interesse im Sinne des Denkmalschutzgesetzes (DMSG). Die Begründung, die mit einer Widmungsänderung verbundene Veränderung des Verwendungszwecks erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 10 DMSG, verstößt gegen jegliche intellektuelle Redlichkeit, ist als Rechtsansicht schlechthin unvertretbar und daher als eklatante Rechtsbeugung zu qualifizieren. Deshalb hätte ein derartiger Feststellungsbescheid vom Bürgermeister und Landeshauptmann oder der Gemeinde Wien (als Parteien im Sinne des § 26 DMSG) angefochten werden müssen. Dies verabsäumt zu haben, ist schon deshalb fragwürdig, weil hier Antragsteller und Parteien, die vom Gesetz als Wahrer des Denkmalschutzes mit dieser Parteienstellung ausgestattet wurden, zusammengefallen sind. Umso mehr hätte der Landeshauptmann und Bürgermeister von Wien die Rechtmäßigkeit – oder besser gesagt die offenkundige Unrechtmäßigkeit - des Feststellungsbescheides durch ein entsprechendes Rechtsmittel hinterfragen müssen. Das ist vom Standpunkt reinen Formalrechts gesehen zwar nicht zwingend vorgeschrieben, entspricht aber fraglos der rechtlichen wie politischen Ethik. Da dies nicht geschehen ist, müssen sich die Verantwortlichen wohl der Frage stellen, wie es zu dem eklatant gesetzwidrigen Feststellungsbescheid überhaupt gekommen ist und alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Verdacht zu entkräften, hier sei gar auf „höhere Weisung“ klar und eindeutig Recht gebrochen worden. Wenn – und daran ist wohl nicht zu zweifeln – schon zum Zeitpunkt der Antragstellung der (auch bedingte) Vorsatz bestanden hat, die „Stadt des Kindes“ ganz oder teilweise abzureißen oder so zu verändern, dass der Denkmalcharakter verloren geht, dann wurde mit diesem Feststellungsbescheid und der damit verbundenen Aufhebung des Denkmalschutzes die Anwendung des § 5 Abs. 5 DMSG vereitelt, der zufolge vor Entscheidung über die Zerstörung der Denkmalbeirat zu hören gewesen wäre. Da die Aufhebung des Denkmalschutzes unter den gegebenen und dem Denkmalamt schon durch die Umwidmung bekannten Absichten faktisch einer Zerstörungsbewilligung gleichkommt, kommt die eingeschlagene Vorgangsweise einem äußerst fragwürdigen Umgehungstatbestand gleich. Ein Fall für den Staatsanwalt? Wo durch eine unvertretbare Gesetzesauslegung die Schwelle zum Gesetzesbruch überschritten wird, ist aber auch zu bedenken, dass ein Vertreter von Transparency International politische Interventionen, die Anlass zu solchen unhaltbaren „Interpretationen“ geben, als Korruption qualifiziert hat. Dies im Einzelfall festzustellen ist natürlich Sache der Staatsanwaltschaft und, falls sie – trotz des zu erwartenden Rückzugs auf die „Amtsverschwiegenheit“ – persönlich Verantwortliche findet, Sache der Strafgerichte. Art. 18 unserer Bundesverfassung besagt, dass die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden darf. Es wäre an der Zeit, durch die Gerichte zu klären, wo dabei die Grenze zwischen vertretbarer und nicht vertretbarer Auslegung zu ziehen ist. Unabhängig davon aber sollten diejenigen, welchen das „unverständliche“ Verhalten von Beamten zum Vorteil gereicht, überdenken, ob darauf gestützte Aktivitäten „um jeden Preis“ durchgezogen werden sollten. Nicht aus rechtlichen, wohl aber aus politischen Gründen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht. An der Bevölkerung vorbeigeschummelt Ist es nicht bemerkenswert, dass derartige Eingriffe in die Integrität der Verwaltung nicht nur dort stattfinden, wo private Bauherren in den Verdacht geraten, sich’s mit Geld bei der Politik „zu richten“, sondern – und nicht selten – gerade dort, wo die öffentliche Hand, welcher der Schutz der Denkmale obliegt, selbst das Recht, das sie hüten sollte, bricht, um Bauvorhaben aus ihrem Dunstkreis zu ermöglichen? Da wird es verständlich, dass man kritische Stimmen aus der Bevölkerung fürchtet und es gar nicht erst darauf ankommen lässt, sie frühzeitig über die wahren Absichten zu informieren. Keine Geringeren als der UNESCO-Direktor Francesco Bandarin und der ICOMOS-Präsident Michael Petzet haben gemeint: ohne den Rückhalt in der Öffentlichkeit gibt es keinen wirksamen Denkmalschutz. Es ist traurig genug, dass die, welche es primär angeht, die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, wie bei einer Schmierenkomödie abseits stehen und zusehen müssen, wie man mit ihrem Kapital umgeht. Aber selbst diejenigen, denen die „Stadt des Kindes“ egal ist, dürfen sich als Demokraten mit einer solchen verfassungswidrigen Vorgangsweise nicht identifizieren. Schon aus diesem Grund – unbeschadet sonstiger sachlicher Erwägungen – muss eine Vorgangsweise, die als eklatant rechtswidrig zu qualifizieren ist, schärfstens verurteilt werden. Helmut Hofmann |