Montag, 1. September 2008
Ein Buch zum Thema Bürgerbeteiligung: - Rezension von H.Hofmann - Miteinander Bürger gewinnen von Robert Moser, Karl Sieghartsleitner, Hans Lichtenwörther: Der renommierte Verlag MANZ hat diesen „Leitfaden für Bürgeraktivitäten und Projekte“ – nicht eben sehr professionell – vorgestellt. Unprofessionell, nicht nur deshalb, weil aktion21 – pro Bürgerbeteiligung und andere, auf Beteiligung ausgerichtete Aktivitäten in Österreich darin nicht vorkommen und auf diesen Umstand bei der Präsentation mit keinem Wort eingegangen wurde, sondern wohl auch deshalb, weil (dadurch) auch auf die Gelegenheit verzichtet wurde, das Buch schon bei seinem Start einem größeren Interessentenkreis bekannt zu machen. So erfreulich die über 300 Seiten starke Publikation an sich ist, so bedauerlich ist all das, was sie nicht enthält. (weiter...) Theoretischer Konsens Zunächst das Positive: die - leider durch Übergliederung nicht ganz übersichtliche - Publikation zeigt auf, dass es erfolgreiche Beispiele für Bürgerbeteiligung gibt, dass es lohnt, anhand der im Buch dargelegten Schritte Bürgerbeteiligung zu versuchen. Es richtet sich sowohl an beteiligungswillige Bürgerinnen und Bürger als auch an kommunale politische Entscheidungsträger(innen) und – mit diesen meist kooperierende – Unternehmungen. Allerdings zugeschnitten auf kleinere Kommunen. Die für Bürgerbeteiligung angeführten Argumente sind auch allesamt zutreffend. Dies wird, und auch das wird betont, von niemandem bestritten. Im Gegenteil: die politischen Verantwortungsträger werden, belegt durch Zitate aus den Parteiprogrammen, nicht müde, sich zur Bürgerbeteiligung zu bekennen. In den wenigen Fällen, wo Wort und Tat übereinstimmen, funktioniert auch alles bestens, wie uns sehr eindringlich vor Augen geführt wird. So, dass kein vernünftiger Mensch am Sinn von Bürgerbeteiligung zweifeln könnte. Eine Frage und keine Antwort Aber was ist, wenn die Bekenntnisse Schall und Rauch, wenn der Wille zur Bürgerbeteiligung bei den politischen Entscheidungsträgern gegen Null konvergiert? Auf diesen in der Praxis leider überwiegenden Fall geht das Buch erst gar nicht ein. Gar für Kommunen von der Größe Wiens, das räumt man unumwunden ein, passt der Leitfaden überhaupt nicht. Es sei denn, es gelänge, die Kommunalpolitik in eine Grätzelpolitik umzuformen. Das Buch will die Politiker davon überzeugen, dass Bürgerbeteiligung sinnvoll ist. Was aber, wo diese Überzeugungsarbeit daran scheitert, dass Beteiligung nicht ohne Transparenz denkbar ist, und wo man diese Transparenz aus guten – besser gesagt aus schlechten – Gründen scheut wie der Teufel das Weihwasser? Was ist, wenn deshalb jede Regung einer Beteiligungswilligkeit gezielt unterdrückt wird? Mit der Feststellung, dass Kaderschmieden und politische Akademien die Bürgerbeteiligung totschweigen oder als Bürgerbeteiligung nur das sehen, was gerade noch tolerierbar erscheint, ist zu wenig. Vorgänge wie in Zirl oder rund um die Montafoner Konzertarena, von Wien ganz zu schweigen, bleiben ausgespart. Gerade der Umgang mit solchen Beteiligungskatastrophen wäre aber interessant. Ganz besonders vermisst wird dabei die Beschreibung des Salzburger Modells, also ein erbittert erkämpfter Erfolg in einer gar nicht so kleinen Kommune. Der Bürger, an den sich das Buch nach Aussage der Autoren primär wendet, enthält auf solche Fragen keine Antwort. Gerade sie aber wird allerorts gestellt, mit Ausnahme vielleicht einer Handvoll Kommunen, die lobend erwähnt werden. So wächst die Verdrossenheit. Die Gemeindepolitiker, die nicht verstehen wollen, kämpfen gegen ihre eigenen Bürgerinnen und Bürger, als wäre es ihre größten Feinde. Eine versäumte Gelegenheit Schade, dass diese Seite der Medaille in einem für die Idee der Beteiligung so wertvollen Buch überhaupt nicht aufgeschlagen wird. Wenn man das Nichtfunktionieren wegschaltet, weder erwähnt noch analysiert, gerät man beim Leser rasch in den Verdacht, gutes Wetter machen zu wollen, während diejenigen, die es eigentlich angeht, nicht die geringste Lust darauf haben. Das ist, als mache man Hungrigen, denen es am Nötigsten mangelt, mit Gourmet-Rezepten den Mund wässerig, um ihnen letzten Endes zu bedeuten, das diese Rezepte für sie eben nicht anwendbar seien. Das wird die Verdrossenheit nicht beseitigen, sondern steigern. Einige Negativbeispiele samt den negativen Folgen für die verantwortlichen Politiker hätten der Publikation jene Bedeutung gegeben, die ihr von der Thematik her zukommen sollte. Trotzdem: für jeden Beteiligungswilligen lesenswert. |