AKT!ON 21

Rückzugsmanöver Augartenspitz


Sonntag, 3. August 2008

Die Wiener Sängerknaben haben das zur Bauverhandlung eingereichte Konzertkristallprojekt zurückgezogen. Der Verein Freunde des Augartens hatte gemeinsam mit Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung und der Initiative Denkmalschutz die skandalösen Versuche publik gemacht, die Sachentscheidung des Bundesdenkmalamtes politisch zu unterlaufen und die Schwäche seines scheidenden Präsidenten zur Gesetzesbeugung zu missbrauchen, Die Bestellung von Frau Dr. Neubauer zu seiner Nachfolgerin war ein deutliches Signal für den Rechtsstaat. Der neue Präsident der Wiener Sängerknaben dürfte das sehr schnell erkannt und daraus die Konsequenzen gezogen haben. Ein Sieg der Rechtsstaatlichkeit?

Der Schein trügt


Naiv, wer nun glaubt, dass das Thema Augartenspitz erledigt sei. Schon hört man die Nachtigall trapsen. Die Rede ist nicht etwa von einem anderen Standort. Der Augartenspitz muss es sein, wenn nicht anders, dann „unter Einbeziehung“ des ehemaligen Pförtnerhauses. Also Umplanung ohne Abriss. Salamitaktik. Es wird – das wäre ja absolut nicht neu beim Denkmalschutz – so lange „abgeändert“, bis es dann irgend einmal „gerade noch“ tragbar ist aus denkmalschützerischer Sicht. Mit anderen Worten: bis das Bundesdenkmalamt mürbe gemacht ist. Zeit spielt dabei offenbar keine Rolle. Es handelt sich ja nicht um ein kaufmännisches Projekt, sondern um einen Prestigebau. Prestige eines Sponsors auf Kosten der Allgemeinheit.

Was wird „verändert?“

Zur Erinnerung: das geschützte Denkmal ist nicht das Pförtnerhaus, sondern der gesamte Augarten. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen: die „Veränderung“, um die es beim Denkmalschutz geht, und die nur zugelassen werden darf, wenn das Interesse des Bauwerbers das öffentliche Interesse am Denkmal (Augarten) überwiegt, nicht nur im Abriss eines Gebäudes besteht, sondern in der Veränderung, die der gesamte Augarten durch das Bauprojekt erfährt. Worin da ein so wesentlicher Unterschied besteht, wenn das Pförtnerhaus zwar materiell bestehen bleibt, aber in einen angrenzenden Neubau „einbezogen“ wird? Bleibt nur zu hoffen, dass sich das Bundesdenkmalamt unter der neuen Führung auch gegenüber derartigen Tricksereien resistent zeigt.

Leitbild oder Leidbild?

Als „Beruhigungspille“ hat die Stadt Wien ein Leitbildverfahren abgeführt. Dass der Augartenspitz darin überhaupt Erwähnung findet, haben die Bürgerinnen und Bürger gegen den Wunsch und Willen der Sprecher der Stadt Wien durchgesetzt. Schon der Gedanke, diese Thematik auszugrenzen und solcherart die Zukunft zur Vergangenheit zu machen, führt ein solches Verfahrens ad absurdum. Und so liest man nun auch im Entwurf „Leitbild Augarten und Umfeld“ unter der Rubrik „Projekte und Maßnahmen“ zum Augartenspitz: „Die AnrainerInnen und Initiativen lehnen mehrheitlich, den mit dem Projekt der WSK verbundenen Abriss des barocken Gesindehauses ab.“ Unter der Rubrik „Nutzungen“ steht: „aus fachlicher Sicht ist eine Verbesserung des Projektes Konzertsaals der WSK im Hinblick auf die städtebauliche Wirkung und eine attraktive Eingangssituation zu prüfen.“ Das heißt: die Verfasser des „Leitbild Augarten und Umfeld“ gehen davon aus, dass ein Konzertsaal im Augarten gebaut wird. Unabhängig von den salbungsvollen Stehsätzen, die solchen Plänen entgegenstehen, und unabhängig davon, dass es der ausdrückliche Wunsch aller anrainenden Bürgerinitiativen und Vereinigungen ist, keinen Konzertsaal im Augarten zu errichten. Auch so kann eine eindeutige Meinung durch sprachliche Manipulation in ihr Gegenteil verkehrt werden. Die Bürgerinnen und Bürger der Augartengegend werden noch gut aufpassen müssen, damit das Leitbild Augarten nicht zu ihrem Leidbild umfunktioniert werden wird.

Nichts verstanden

Architekt Johannes Kraus rechnet denn auch mit weiteren Anrainer-Protesten. Medien zitieren ihn: „Formalrechtlich haben wir jetzt eingelenkt. Die Anrainer sollen ruhig ihre ganzen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.“ Das heißt: für die Exponenten der Wiener Sängerknaben (und für wen noch?) steht der Konzerthallenbau unumstößlich fest. „Formalrechtlich eingelenkt“ bedeutet, dass man eben andere Wege gesucht hat, um rechtliche Hürden zu „nehmen“. Wenn sie so aussehen sollten, wie beim nun abgeblasenen Entwurf, dann gute Nacht, lieber Rechtsstaat. Es reicht ja schon das Gefeixe vom Ausschöpfen rechtlicher Möglichkeiten durch die Anrainer, als hätten sie solche jemals gehabt. Sie haben gelernt, dass sie nur so viel Mitsprachemöglichkeit haben, als sie sich selber – nicht rechtlich, sondern kommunalpolitisch – zu verschaffen wissen. Das Leitbildverfahren ist ein Lehrstück dafür. Vielleicht lernen nach dem 28. September auch andere daraus.

Helmut Hofmann
Links zu diesem Thema
Zu diesem Beitrag können keine Kommentare (mehr) verfasst werden.