Mittwoch, 21. Mai 2008
Josef Galley („Österreich“) hat wieder einmal volle Kompetenz in Sachen Partizipation bewiesen, indem er meinte: „Das ist das Dilemma der Grünen: Sie sind in der Geiselhaft gschaftlhuberischer Bürgerintiativen (oder selbst Teil davon), denen die urbane Zukunft herzlich wurscht ist.“ So einfach ist die Welt – pardon: Österreich – also aus der Sicht des Herrn Galley. Und so falsch obendrein. Immerhin: dass er „gschaftlhuberischen Bürgerinitiativen“ ansinnt, eine immerhin um die 10% der Wähler hinter sich wissende Partei in Geiselhaft nehmen zu können, ist ja schon eine (sicherlich unbeabsichtigte) Aufwertung der politischen Macht solcher Initiativen. Leider steht Herr Galley mit dieser Ansicht ziemlich alleine auf weiter Flur; die mit Bürgerinitiativen zu tun haben, wissen nur zu gut um das Gegenteil. Und dass die Grünen gar ein Teil der Bürgerinitiativen wären, glaubt er wohl selber nicht, weshalb er solchen Unsinn vorsorglich in Klammern setzt. Was für die Abrechnung noch übrig bleibt, ist die diffamierende Bezeichnung „gschaftlhuberisch“ und die Unterstellung, den Bürgerinitiativen wäre die urbane Zukunft „herzlich wurscht“. Engagierte Bürgerinnen und Bürger: Gschaftlhuber? Nun ist es fast peinlich, einem Journalisten den Unterschied zwischen „Gschaftlhuber“ und politisch engagiertem Bürger erklären zu müssen, weil man annehmen sollte, dass dieser jedem, der sich anheischt, seine Meinung zu veröffentlichen, geläufig sei. Aber anscheinend kann man sich auch darin irren. Nun denn, Herr Galley: Bürgerinitiativen sind Gruppierungen, die in aller Regel ein gemeinsames Anliegen auszeichnet, und zwar ein Anliegen, welches die beteiligten Menschen in ihrer unmittelbaren Lebensqualität berührt. Und zwar in einer Weise, welche mit nicht unbeträchtlichen Einbußen an dieser einhergeht, und das noch dazu nicht selten unter eklatanter Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien und Einrichtungen. Es darf doch noch vage gehofft werden, dass der Journalist einer Zeitung, die den Namen unseres Rechtsstaates zu dem ihres Blattes erkoren hat, das Eintreten für einen solchen nicht als Gschaftlhuberei ansieht!? Wem ist die urbane Zukunft: wurscht? Über die „urbane Zukunft“, etwa jener Wiens, kann man geteilter Meinung sein, das ist legitim. Man kann die Zukunft in einem Wolkenkratzer-Ring entlang der Ringstraße oder „Zweierlinie“ sehen, man kann sie in einem Rückbau der Fußgängerzonen und Radwege zugunsten von Garagen und Autostraßen sehen, man kann sie in einer Reduzierung der Öffis auf U-Bahnen und Autobusse sehen, man kann sie in zahllosen Einkaufszentren sehen, ohne dafür seherische Qualitäten strapazieren zu müssen. Mann könnte auch sagen: man kann gewachsene urbane Strukturen plattwalzen und dann das amerikanische Down-Town-Prinzip zur Geltung kommen lassen, vielleicht ein wenig verwässert mit ein paar Denkmälern wie dem Stephansdom, der Hofburg, vielleicht auch noch Belvedere, Schönbrunn, Lippizanern und Sängerknaben. Mann kann urbane Zukunft aber auch anders sehen. Als eine harmonische Verschmelzung von Altem und Neuem, als eine Mixtur aus natürlicher Kultur und kultivierter Natur, als Lebensraum, der so, wie er – noch immer – ist, zu den attraktivsten urbanen Lebensräumen der Welt zählt, trotz aller Wunden, die ihm immer wieder geschlagen wurden und immer noch werden. Was man aber wirklich nicht kann: all jene, welche um den Erhalt dieses lebenswerten Lebensraums unter Einsatz ihrer Zeit, Energie und ihres eigenen Geldes ehrlich bemüht sind, der Wurschtigkeit gegenüber der urbanen Zukunft zu zeihen. Dieser Vorwurf sollte sich eher gegen jene richten, die um eines augenblicklichen Vorteils willen auf so etwas wie Nachhaltigkeit glauben verzichten zu müssen. Die Bürgerinnen und Bürger der Wurschtigkeit zu zeihen, richtet den, der dies tut, von selbst. Auch dann, wenn er glaubt, sich damit bei gewissen Politikern, die mit Bürgerbeteiligung nichts anzufangen wissen, Liebkind zu machen. Dr. Helmut Hofmann |