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Die Logik des Unrechts: An ihren Argumenten sollt ihr sie erkennen


Mittwoch, 26. März 2008

„Öffentliches Interesse – nicht zu verwechseln mit Interesse der Öffentlichkeit“ hat der inzwischen geschiedene Präsident des Bundesdenkmalamts die Bürgerinitiative in seinem Brief vom 28. Februar 2007 wissen lassen. Und: „Eine Einschaltung des Denkmalbeirates ist im vorliegenden Fall weder vom Gesetz her vorgesehen, noch vom Bundesdenkmalamt aus anderen Gründen beabsichtigt, da sich keine Sachfragen stellen, die eine gutachterliche Äußerung dieses Gremiums erfordern würden.“ Eigentlich gar nicht so abwegig, wie man auf den ersten Blick glauben möchte. Beide Standpunkte sind – jeder für sich – durchaus vertretbar. Sie haben nur einen Nachteil: sie passen absolut nicht zusammen

Öffentliches Interesse und Denkmalbeirat.


Präsident Rizzi weiß das natürlich. Er weiß auch, dass das öffentliche Interesse gleichbedeutend ist mit dem Interesse der Öffentlichkeit. Auch dass der Begriff „Öffentlichkeit“ so weit und seiner Natur nach so unbestimmt ist, dass er für den rechtssicheren Gebrauch des Bundesdenkmalamtes präziser gefasst werden musste. Daher setzt das Denkmalschutzgesetz das Interesse der Öffentlichkeit am Denkmalschutz, das an sich schon durch die Kompetenzregelung der Bundesverfassung festgeschrieben ist, unter gewissen Bedingungen als grundsätzlich gegeben voraus (§ 1 Abs. 2 DMSG) und überträgt die Entscheidung über das Vorliegen der Bedingungen (mit im Gesetz genannten Ausnahmen) dem Bundesdenkmalamt, das „unter Bedachtnahme auf diesbezügliche wissenschaftliche Forschungsergebnisse“ im konkreten Fall entscheidet. Die Frage, ob die Bedingungen in diesem Fall vorliegen, ist daher sehr wohl eine Sachfrage und ist ja gerade deshalb dem Bundesdenkmalamt zur Entscheidung anheim gestellt.

Denkmalbeirat vom Gesetz nicht vorgesehen?

Nun ist der Denkmalbeirat im Denkmalschutzgesetz als „Gremium des Bundesdenkmalamtes bei der Lösung von Fragen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege“ vorgesehen. Wann, wenn nicht bei heiklen oder strittigen Fragen des Denkmalschutzes (wie jener der beabsichtigten Veränderung des Augartens) sollte dieses Gremium – außer in dem einen gesetzlich zwingend vorgesehenen Fall (des § 5 Abs. 5 DMSG, Zerstörung eines Denkmals)), der hier nicht zutrifft - beigezogen werden?
Wenn Rizzi dies im vorliegenden Fall als „vom Gesetz her nicht vorgesehen“ ansieht, dann übersieht er geflissentlich, dass das Gesetz den Sinn der Institution Denkmalbeirat gerade auf Fragen wie die vorliegende abstellt. Dass es die Beiziehung nicht, wie bei einer Zerstörung eines Denkmals, zwingend vorschreibt, ändert nichts daran, dass diese vom Gesetz auch in solchen Fällen vorgesehen ist. Sie wird vor allem dann angezeigt sein, wenn die Beurteilung der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses von Bedeutung ist. Dies ist aber gerade beim Augartenspitz in entscheidendem Maße der Fall.

Warum wohl?

Wenn der Präsident des Denkmalamtes in einer solchen Situation auf den Denkmalbeirat verzichtet und zur Frage des öffentlichen Interesses auf einen „nachweislichen Bedarf der Sängerknaben an einer möglichst nahen Konzerthalle“ verweist, deren „Situierung in Randlage ihm von daher plausibel erscheint“, darf er sich nicht darüber wundern, wenn man nach dem Motiv für eine derart schwache, dem Gesetz zuwiderlaufende Argumentation fragt. Es ist unschwer zu erraten: es darf mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass der Denkmalbeirat die Bedeutung des unveränderten Augartens höher stellt als alle Begehrlichkeiten, Vorhandenes einem Neubau zu opfern. Selbst wenn dieses dem Interesse der Sängerknaben an einem komfortableren Probenraum diente. Er würde dieses private Interesse des Vereins Wiener Sängerknaben auch vom öffentlichen Interesse am Bestand der Sängerknaben zu unterscheiden wissen, der durch die Nichterrichtung des Konzertsaals am Augartenspitz weit weniger gefährdet erscheint als durch die langsam schwindende Zugkraft für frischen Nachwuchs. Und er würde das öffentliche Interesse am denkmalgeschützten Augarten wohl anders bewerten als der bedauernswerte Präsident, der ohne Druck „von ganz oben“ kaum eine so armselige Begründung für die Aufhebung des Denkmalschutzes gegeben hätte.

Unrecht mit Methode

Es ist kein gutes Argument darauf hinzuweisen, dass das Denkmalamt immer schon einem starken denkmalfeindlichen Druck gewisser Lobbies und diesen sich verpflichtet fühlender Politiker ausgesetzt war. Nicht nur einmal ist dieser Druck von einem Landeshauptmann ausgegangen, der sich im Spiel der politischen Kräfte als stärker erwiesen hat als selbst der zuständige Minister. Am wenigsten darf man es den Beamten des Denkmalamtes anrechnen, wenn sie auf höheren Befehl „umfallen“ müssen. Doch jede Demokratie macht eine Entwicklung durch, die vom öffentlichen Aufzeigen rechtsstaatlich bedenklicher Vorgänge gekennzeichnet ist. Wenn das Aufzeigen nicht genügt, dann müssen eben schärfere Geschütze aufgefahren werden: dann sind Höchstgerichte, Staatsanwälte und Untersuchungsausschüsse gefordert, dem Rechtsstaat zu seinem Recht zu verhelfen. Wenn Peter Warta in der Presse (22.03.08) unter anderem drei Beispielsfälle ** anführt, „wie man das Recht begräbt“, dann kann man diesen getrost unzählige weitere hinzufügen, in denen gezielt gegen Art. 18 Abs. 1 des Bundesverfassungsgesetzes verstoßen wird, indem Akte der Verwaltung eklatant gesetzwidrig erfolgen.

Schluss mit der Willkür der Mächtigen

Die Vorgänge im Innenministerium und deren Folgen sind hoffentlich ein über ihren konkreten Anlass hinausgehendes Fanal dafür, dass die Öffentlichkeit, das Volk die Nase voll hat von solcher Willkür derer, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, von solchen Spielchen und Tricksereien, die das vom Volk gemäß Art. 1 unserer Bundesverfassung ausgehende Recht und damit die Öffentlichkeit ungestraft verhöhnt. Darum, nicht um Sängerknaben oder Filmarchiv, um Flakturm oder Denkmalschutz geht es in Wahrheit bei Vorgängen wie jenen im und um den Augarten. Es gilt, der Aushöhlung des Rechtsstaates einen Riegel vorzuschieben, bevor die Dämme brechen und es zu spät ist. Wenn führende Politiker das Interesse am Konzerthallenbau wirklich so hoch einschätzen, wie sie es dem Denkmalamt zu entscheiden vorgeben, dann sollten sie den Mut haben, dies über eine für alle geltende Gesetzesänderung zu verwirklichen. Und zwar über eine, die nicht im Husch-Pfusch-Verfahren von einer parlamentarischen Mehrheit über die Köpfe ihrer Wählerinnen und Wähler beschlossen wird, sondern nach fairer und ausführlicher Diskussion mit all denen, in deren Namen zu handeln sie sich für legitimiert erachtet. Mit anderen Worten: nach entsprechender Bürgerbeteiligung. Bis dahin aber sollten die zur Entscheidung berufenen Beamten unbeeinflusst und ohne Druck von oben handeln können. Im Augarten und auch anderswo.

H. Hofmann
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**Diese Beispiele sind die Nichtbeachtung einer Weisung des Sozialministers betreffend Geschäftsöffnung am 8. Dezember durch LH Haslauer (1984), die Missachtung der Ortstafelerkenntnisse des VfGH durch LH Haider und die Unterschriftsverweigerung des Bundespräsidenten unter ein verfassungswidriges, aber verfassungsmäßig zustande gekommenes Gesetz.

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