Donnerstag, 20. März 2008
Zur beabsichtigten Zerstörung des barocken Ensembles auf dem sogenannten Augartenspitz zwecks Errichtung eines Konzertsaales für die Wiener Sängerknaben fand gegenüber des vom Abriss bedrohten „Gesindehauses“ eine Pressekonferenz statt, in der die Art und Weise, wie die behördlichen Genehmigungen dafür auf der Basis unhaltbarer Gesetzesauslegungen zustande kommen sollen, als rechtsstaatlich äußerst bedenklich angeprangert wurde. Das Echo darauf war gewaltig; offenbar handelt es sich um einen demokratiepolitischen Volltreffer. Wie erwartet, gab es von politischer Seite dazu auch Differenzierteres."Ich habe volles Vertrauen in das Bundesdenkmalamt, dass alle Entscheidungen den Augarten betreffend, auf rechtsstaatlichen Kriterien beruhen. Die heutige Kritik und die Mutmaßungen des Vereins Freunde des Augartens und der Aktion 21 sind daher nicht nachvollziehbar. Jetzt schon von Rechtsbeugung zu sprechen, ist aus unserer Sicht nicht zulässig. Und sollten konkrete Vorwürfe vorliegen, gibt es immer noch den Weg zu ordentlichen Gerichten." Das sagte der Landesgeschäftsführer der ÖVP Wien, Stadtrat Norbert Walter. Sein Wort in Gottes Ohr. Verhöhnung der Öffentlichkeit? Es hat nur zwei Schönheitsfehler. Der eine ist: im Nachhinein, wenn das Kind einmal im Brunnen liegt, ist es zwecklos, Rechtsbeugung zu reklamieren. Das beeindruckt – leider – niemanden. Am allerwenigsten die, die aufgerufen sind oder aufgerufen haben, die Gesetze zurechtzubiegen. Der zweite ist, und das sollte Stadtrat Walter wissen: so konkret können die Vorwürfe gar nicht sein, dass es – leider – weder für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger noch für die interessierte Öffentlichkeit einen Weg zu den ordentlichen Gerichten gibt. Vor allem stoßen rechtswidrige behördeninterne Vorgänge zufolge der behördlichen Verschwiegenheitspflicht sogar beim Strafrichter auf Beweisnotstand. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss bleibt als einziges Mittel, und zu dessen Einberufung bedarf es einer parlamentarischen Mehrheit. Hinter solchem Bollwerk verschanzt kann man die Öffentlichkeit mühelos verhöhnen. Ungewollte (?) Bestätigung unserer „Mutmaßungen“ Stadtrat Walter bestätigt aber ungewollt unsere Kritik und unsere Mutmaßungen, wenn er meint: „Wenn nun aber die Entscheidung für den Konzertkristall der Sängerknaben getroffen wurde...“. Die zuständigen Behörden haben bis dato jedenfalls noch keine Entscheidung getroffen. Wer war es dann? Stadtrat Walter hat eindeutig in der grammatikalischen Vergangenheit gesprochen. Daran ändert nichts, wenn es nur ein unbewusster Versprecher gewesen sein sollte. Wir zweifeln jedenfalls nicht daran, dass er die Wahrheit gesprochen hat. Immerhin: Bekenntnis zu Partizipation und Denkmalschutz Immerhin legt Stadtrat Walter, und das soll positiv herausgestrichen werden, ein grundsätzliches Bekenntnis zur Öffentlichkeitsbeteiligung ab. Vermutlich wird es über deren Ausgestaltung manche Differenzen geben. Im Grunde genommen ist es aber ein zartes Signal, dass es hier doch einmal zu einem Konsens kommen wird, mit dem seine Partei ebenso gut leben kann wie die Öffentlichkeit. Auch dass er ausdrücklich erwähnt, dass dem Schutz der historischen Anlage höchste Priorität zukommt, lässt ein ganz klein wenig Hoffnung aufkommen, dass die denkmalfeindliche Kolleg(inn)enschaft in seiner Partei der Vergangenheit angehört. Sie hat ihr ja nicht gerade viele Freunde beschert. SP-Hora: beachtlicher Seiltanz Einen beachtlichen Seiltanz legt sein SP-Gegenspieler Karlheinz Hora hin, wenn er einerseits auf beteiligungswillig und transparent tut, es sich aber andererseits nicht verkneifen kann, nicht SP-nahe Partizipationsbestrebungen in wenig qualifizierter Art zu verunglimpfen. Dass gerade er vor Übertreibungen nicht zurückschreckt, beweist seine Aussage, der Leitbildprozess Augarten werde von Kritikern ausschließlich auf den Augartenspitz konzentriert. Sollten diese „Kritiker“, wenn Ihnen die Diskussion über diesen Teil des Augartens schlichtweg versagt wird, etwa den Mund halten und schlucken, was man ihnen da an bitterer Pille verabreichen will? Untersuchung gefordert Der Ratschlag, Vorwürfe der Rechtsbeugung dem Staatsanwalt mitzuteilen, war – siehe oben – überflüssig. Das weiß Hora selbst natürlich auch. Aufhorchen lässt er aber mit der Feststellung, solch schwerwiegende Behauptungen gehörten untersucht. Hat er etwa die Absicht, den Untersuchungsausschuss auf sie ausdehnen zu lassen? Wir wären ihm dafür wahrlich zu Dank verpflichtet. Zuletzt noch eine Lachnummer: aktion21 „vereinnahmt“ Bürgerinitiativen! Zum Abschluss liefert Hora noch eine ganz tolle Lachnummer. Auch wenn ihn die Vereinnahmung des Vereins "Freunde des Augartens" durch aktion21-pro Bürgerbeteiligung wirklich irritieren sollte: sie würde auch uns irritieren, mehr sogar als Herrn Hora, denn aktion21 will überhaupt niemanden vereinnahmen. Sie ist froh, wenn sie selbst niemand zu vereinnahmen sucht. Altkanzler Kreisky hätte Hora geraten, Geschichte zu lernen, die Geschichte von aktion21 nämlich. Die "Freunde des Augartens" war nämlich schon bei deren Vorgängervereinigung, den Initiativen Wiener Bürgerinitiativen, dabei, als es etwa um den Hakoah-Sportplatz ging. Dass der Verein "Freunde des Augartens" nicht in der Gründungsphase von aktion21 präsent war, lag gerade daran, dass aktion21 wie ihre Vorgängervereinigung keiner Bürgerinitiative nachgelaufen ist oder nachläuft. Der "Freunde des Augartens" hat von der Existenz der aktion21 gewusst und ist ihr aus freien Stücken beigetreten. Als Mitglied und Teil von aktion21 können sie sich wohl nicht gut selbst vereinnahmen. Und damit, dass Hora die von den angehörigen Bürgerinitiativen gewählten Funktionäre von aktion21, die alle selbst aus Bürgerinitiativen hervorgegangen sind, wegen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben – nicht das erste Mal - als Unterwanderzirkus abtut, macht er sich allmählich lächerlich. Aktion21 drängt sich schon deshalb keiner einzigen Bürgerinitiative auf, weil das ihre zeitlichen – im Gegensatz zu Hora unbezahlten – Resourcen übersteigen würde, sondern kommt nur, wenn sie um Rat und Unterstützung gebeten wird. Ob Anrainer oder nicht – wir lassen uns von niemandem verbieten, uns – im Gegensatz zu manchen hochrangigen Parteienvertretern – auch um Anliegen anderer Bürgerinnen und Bürger zu kümmern, die nicht gegenüber unserer Wohnung oder „ums Eck“ leben. Weil Bürgerbeteiligung nicht vor der eigenen Haustüre halt macht. Aber das muss sich bis zu Hora wohl erst herumsprechen. Weiß denn der Vorsitzende des Planungsausschusses noch immer nicht, dass die von SP-Vertretern immer wieder als Beispiel für Bürgerbeteiligung zitierte, gesetzlich verankerte Möglichkeit, zu neuen Widmungen Stellungnahmen abzugeben, allen Wienern (und nicht nur Anrainern) zusteht? Nicht ernst nehmen Horas Argumentationsakrobatik ist nur verständlich, wenn man weiß, dass er das Sprachrohr des Planungsstadtrates Schicker im Gemeinderat ist, und dass es schließlich Schicker war, dessen Verhalten die Gründung von aktion21-pro Bürgerbeteiligung zur Folge hatte. Das erklärt die unreflektierten Beißreflexe, die Schickers allzeit Getreuen überkommen, wenn sie die Witterung von aktion21 aufzunehmen glauben. Immerhin gibt er damit – wohl ungewollt – zu, dass die Phase des Totschweigens von aktion21 endgültig vorbei ist und dass Partizipation, wie wir sie uns vorstellen und für die wir uns einsetzen, kein leeres Wunschbild ist, sondern eine politische Größe, mit der in Zukunft gerechnet werden muss. Am Wesentlichen vorbei An der Nagelprobe drücken sich diese und andere Stellungnahmen freilich vorbei. Gesetzt den Fall, irgendein Privater, der sich nicht der Huld eines allmächtigen Herrschers erfreut, käme den Behörden mit dem Ansuchen daher, in einer bau-, denkmal- und naturschutzrechtlich abgesicherten Schutzzone ein Gebäude abzureissen und an seine Stelle ein neues zu bauen. Die zuständigen Beamten würden ihn wohl fragen, ob er alle beisammen habe, wo doch das Gesetz einem solchen Ansinnen klar und deutlich entgegenstünde. Ziemlich belämmert würde der Antragsteller wieder abziehen. Wetten? Doch Bananenrepublik? Man muss eben die richtigen Verbindungen haben. Ganz oben. Dann ticken die Uhren bei den auf das Gesetz verpflichteten Beamten anders. Nicht dass sie dieses einfach brechen wollten, i wo. Da geschieht etwas ganz anderes. Da werden die als trocken und fantasielos verschrieenen Amtsträger plötzlich kreativ und erfinderisch, machen mit Hilfe einer bewundernswerten Rabulistik aus krumm gerade, aus schwarz weiß, aus Park Garage, aus Gründland Bauland und – aus Unrecht Recht. Nicht in vorauseilendem, dafür aber in zähneknirschendem Gehorsam. Die Verpackung heißt: Rechtsstaat, der Inhalt Bananenrepublik. Helmut Hofmann Links zu diesem Thema
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