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Feinstaub-Berechnung mit „falschen“ Basiswerten


Samstag, 22. Dezember 2007

Komet-Turbulenzen Teil 7. Um den Feinstaub an der Westeinfahrt bei den Komet-Gründen zu berechnen, verwendet die Stadt Wien eine Messstelle in einem fast autofreien Seitengasserl. Die Begründung erscheint merkwürdig und gewöhnungsbedürftig.

Die Luftmessstelle Hietzing befindet sich direkt an der Westeinfahrt, am Hietzinger Kai. Die Stickoxidwerte sind regelmäßig jenseits aller Grenzwerte, Feinstaub hingegen wurde dort bis vor kurzem gar nicht gemessen. Diese Messstelle am Hietzinger Kai wäre ein gutes Modell für die Schadstoffbelastung bei den Kometgründen, wo allerdings der „Schluchteffekt“ durch beiderseitige hohe Häuser die Situation noch verschlimmert.

Doch welch Überraschung: Um Basiswerte für die umweltrechtliche Bewilligung des Komet-Kolosses zu erhalten, verwendet die Stadt Wien tatsächlich eine völlig andere Messstelle, nämlich die in „Gaudenzdorf“. Es handelt sich dabei um das Eck zwischen der fast autofreien Dunklergasse und dem fast autofreien Olga-Perl-Weg. Offene, niedrige Baukörper ermöglichen ein Durchströmen des Westwinds und daher eine Luftreinigung, was zu entsprechend niedrigen Schadstoffwerten führt. Die dort gemessenen Werte sind in keiner Weise repräsentativ für die Kometgründe, werden aber trotzdem für die Bewilligung des Projekts herangezogen, da ein Gesetz vorschreibt, dass die Bereiche stadteinwärts von der Grünbergstrasse durch diese Messstelle Gaudenzdorf „repräsentiert“ werden. Ein klarer Fall von Realitätsverweigerung.

Im Seitengasserl und an der Westeinfahrt

Schauen wir uns mal ein paar Messwerte an, etwa die 24-Stunden-Mittelwerte für den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2), dessen Quelle (über das Zwischenprodukt NO) hauptsächlich Autoabgase sind. Di, 4. Dezember 2007: Gaudenzdorf mit vergleichsweise harmlosen 28 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, Hietzinger Kai dagegen mit 66, also dem fast zweieinhalbfachen Schadstoffwert.

Am Mi, 5.12. stieg Gaudenzdorf auf 39, der Hietzinger Kai erreichte beunruhigende 91, wobei 80 der Grenzwert (für den 24-Stunden-MW) ist, über dem Handlungsbedarf besteht. Am Do, 6.12. lag Gaudenzdorf immerhin sogar bei 54, der Hietzinger Kai stieg hingegen auf 94.

Weil die Stadt Wien keine Feinstaubdaten hatte, messen Greenpeace und Bürgerinitiative

Seit kurzem steht beim Hietzinger Kai ein Messcontainer des „iC consulenten“ Ziviltechnikerbüros, wo im Auftrag der MA22 auch Feinstaub gemessen wird. Als die Referenzmessungen für die Bewilligung des Komet-Wolkenkratzers getätigt wurden, besaß die Stadt Wien keinerlei Feinstaubmesseinrichtungen an der Westeinfahrt, auch nicht am Hietzinger Kai, da dort nur Stickoxide und Kohlenmonoxid gemessen wurden. Dies ist einer der Gründe, warum die vermutlich viel zu geringen Feinstaubwerte aus Gaudenzdorf für die Hochhausbewilligung herangezogen wurden.

Am 9. Oktober 2007 hat Greenpeace daher in Zusammenarbeit mit der „Bürgerinitiative gegen das Komethochhaus“ direkt beim künftigen Hochhausstandort mehrere Stunden lang Feinstaubmessungen durchgeführt. Im Minutenintervall wurden aktuelle PM-10-Gehalte am Monitor angezeigt. Obwohl an diesem Tag ein frischer Westwind die Häuserschlucht der Schönbrunner Schlossstraße reinigte, wurde der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft oft erreicht und immer wieder überschritten. Daher ist davon auszugehen, dass bei Windstille und entsprechender Wetterlage schon jetzt, ohne Komet-Koloss, massive Überschreitungen der Grenzwerte auftreten.

Unverantwortliche Raumordnungspolitik

Bis Ende 2009 darf ein Tagesmittelwert von 50 µg/m3 höchstens 30 Mal im Jahr überschritten werden. Bei den Kometgründen passiert dies aber garantiert weitaus häufiger. Man müsste es nur messen. Ab dem Jahr 2010 darf der Jahresmittelwert laut verpflichtender EU-Umweltrichtlinie nur mehr 20 Mikrogramm pro Kubikmeter PM10-Feinstaub betragen, die 50 µg/m3 Luft dürfen nur mehr sieben Mal pro Jahr (!) überschritten werden. Angesichts der von Greenpeace sogar bei frischem luftreinigendem Westwind gemessenen 40 bis 60 µg/m3, mit Einzelwerten bis zu 90 µg/m3 besteht ein dringender Bedarf für verkehrsberuhigende Maßnahmen in diesem Wohngebiet.

Die Errichtung eines Hochhauskomplexes, der Verkehr anzieht und die Feinstaubproblematik verstärkt, in einem Areal, das jetzt schon Sanierungsbedarf zeigt, ist inakzeptabel. Es ist ein Versagen der Stadtplanung, eine unverantwortliche Raumordnungspolitik. Die Gruppe um Stadtrat Rudi Schicker (Stadtplanung) und Stadträtin Ulli Sima (Umwelt) ist dafür verantwortlich, sie zeigt hier anscheinend mangelnde Fachkompetenz oder mangelnden Durchsetzungswillen.

Zu klären wäre jedenfalls, ob die enge Verschränkung zwischen Politik (SP-Fraktion im Rathaus und Ex-SP-Minister Karl Schlögl), Investoren (HPD-Holding mit Ex-SP-Minister Schlögl und Architekt Podsedensek) und Architekt (Architekt Podsedensek) dazu beigetragen hat, dass die Stadtregierung dieses monströse und umweltschädliche Projekt mit solcher Kraft forciert.

Autor: Gerd Mayr
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