AKT!ON 21

Aufgeschnappt:
Morast mit System


Sonntag, 9. Dezember 2007

Es grenzt an ein Wunder. Ein Wunder des Journalismus. Es geschah in der Wiener Zeitung. Dort berichtete Christian Mayr über eine Reise nach Dubai und in die Vereinigten Arabischen Emirate. Nicht irgendeine Reise natürlich, sondern die einer 7-köpfigen Delegation des Presse- und Informationsdienstes der MA 53. Wozu, blieb dabei offen. So etwas wird wohl kein Einzelfall sein. Singulär freilich mutet die Reaktion der Stadtverantwortlichen an.

In der Wiener Zeitung ist weiter zu lesen: Das Rathaus – das bisher zur Causa schwieg – dementiert die Vorwürfe einer "Urlaubsreise": "Das ist nicht wahr. Die PID-Mitarbeiter sind dort ordentlich eingespannt", sagt PID-Vizechef Christoph Ronge. Es seien auch nur drei "echte" PID-Mitarbeiter mitgereist, die restlichen vier wären nur dem Kontingent zugeteilt – möglicherweise als "freie" PID-Mitarbeiter. Ob und warum Journalisten "Business-Class" flogen und wie teuer dies kam, entziehe sich seiner Kenntnis.

Ja derfens denn dös?

Naivität der Obrigkeit hat in Österreich Tradition. Es wird kolportiert, dass Kaiser Ferdinand, genannt „der Gütige“ die Meldung über den Ausbruch der Revolution mit den Worten kommentierte: Ja derfens denn dös? Auch die Stellungnahme des Magistrats zeigt, dass es offenbar überhaupt kein Problembewusstsein gibt. Nur die Aussage: Urlaub war es nicht. Es ist, als würde jemand, wegen eines Schusses aus einer Browning des Mordes beschuldigt, darauf nur entrüstet antworten: es war keine Browning, sondern eine Glock. Dass hier Geld – den Bürgerinnen und Bürgern über Steuern, Gebühren und Abgaben reichlich aus der Tasche gezogen – zur „Belohnung“ (man könnte auch sagen zum Kauf) von Mitarbeitern der MA 53 ausgegeben wird, wen hat’s zu kümmern? Transparency International hat zu Recht kritisiert, dass in Österreich nicht die Korruption das Problem sei, sondern das mangelnde Unrechtsbewusstsein sowohl bei den Akteuren als auch in Kreisen der Bevölkerung.

Putin lässt grüßen

Dabei hat die Stadt Wien vor 5 Jahren das Thema Korruption in einer großangelegten Studie „evaluiert“. Da ist von allem Möglichen die Rede, nur auf eines hat man in dieser Studie „vergessen“: dass der Dienstgeber einzelne Dienstnehmer selbst korrumpieren kann. Wer weiß, mit welchen Mitteln? Denn es heißt weiter im Bericht der Wiener Zeitung: "Damit werden die Journalisten endgültig eingekauft. Sie bringen dann völlig unkritische Jubelberichte über die angeblich erzielten Wirtschaftserfolge", heißt es. Geladen waren "Presse", "Kurier", "Apa", "Krone" und der "ORF". Ein Aufschrei in allen Medien wäre zu erwarten gewesen. Nichts – fast nichts. Ja doch: die Gratiszeitung „Heute“ brachte einen kurzen Beitrag, allerdings nur unter Erwähnung von Apa und ORF, unter „Aussparung“ der großen Tageszeitungen. Gefiltert sozusagen. Aha. Und selbst das nur deshalb, weil es den Christian Mayr und die Wiener Zeitung gibt. Wer sonst berichtet über Missstände dieser Art? Alle Versuche, die Wiener Zeitung abzuwürgen, sollten auch unter diesem Aspekt misstrauisch beobachtet werden. Putin lässt grüßen.

Transparenz durch Bürgerbeteiligung

Wieder zurück zum hohen Magistrat: wie viel Geld mehr die Business-Class ausmacht, könne man nicht auf Anhieb sagen. So wenig pfeift man sich um Geld, das mit vollen Händen ausgegeben wird. Unser Geld. Geld, das wir doppelt ausgeben: einmal, um derartige Machenschaften damit zu finanzieren, ein zweites Mal – und das versteuert! - , um solche Machenschaften anzuprangern, zu bekämpfen, durch effiziente Bürgerbeteiligung in den Griff zu bekommen. Weil die Stadt Wien unser Geld – unser Steuergeld – für eine echte Bürgerbeteiligung nicht locker machen will, so locker es sonst sitzt, wo es dazu dienen soll, Berichterstattung über solches Unwesen im Keim zu ersticken. Die Mächtigen wissen schon, wie sie lästige Informationen von der Öffentlichkeit fern halten können. Mit Geld geht alles. Kein Wunder, dass in Österreich, wie Transparency International verwundert festgestellt hat, die Korruption von Politikern der Öffentlichkeit weit eher bewusst ist, als jene im Gesundheitswesen.

Helmut Hofmann
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