AKT!ON 21

Fauler Widmungszauber

Dienstag, 4. Dezember 2007

Es wird viel geklagt, noch mehr geredet – und es geschieht nichts. In Wien wird die öffentliche Auflage des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes und die mit ihr verbundene Möglichkeit zur Stellungnahme als Musterbeispiel gelebter Öffentlichkeitsbeteiligung gepriesen und als schamlose Bürgerverachtung praktiziert. Wer die Frechheit besitzt, diese Farce als Mitgestaltungsmöglichkeit der Bevölkerung zu bezeichnen, übt sich in unverschämtem Zynismus.

Der Skandal ist das System

Widmungen sind so eine eigene Sache. Sie folgen keiner Ideologie, keinem Parteiprogramm, nicht einmal einem konkreten Wahlversprechen. Sie folgen einem eigenen Gesetz, das mit jenem, welches sie regeln sollte, nicht mehr zu tun hat als die penible Einhaltung formalrechtlicher Bestimmungen, besser gesagt, der oft sehr eigenwilligen Auslegung dieses Formalrechts - und selbst das nicht einmal. Kurz gesagt: sie folgen dem Gesetz des Handels. Des Handels mit Widmungen. Und wie bei jedem Handel gibt es eine Handelsspanne, die ein gut gehütetes Geheimnis ist.
Die mit Widmungen handeln, sind zu bedauern. Zahlreich sind die Hindernisse, die es zu überwinden gilt, lang die Handelswege. Und über allem lauert die Neugierde all jener, die an dem Handel nicht beteiligt sind. Eine unwillkommene Kontrolle. Von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern über einige wenige unbestechliche Journalisten bis hin zu den Korruptionsbekämpfern von Transparency International.

Speed kills

Sie alle können natürlich nicht den Handel selbst bloßlegen. Sie können nur auf seltsame Dinge hinweisen, für die dringender Erklärungsbedarf besteht. Weil das, was an Erklärung angeboten wird, einer intellektuellen Beleidigung, einer Fopperei gleichkommt. Wie etwa die Vorgänge um die Flächenwidmung eines Teilgebietes der Inneren Stadt, in welchem das Künstlerhaus liegt. Da braut sich etwas zusammen. Eine von vielen ungewollte Änderung, die es ermöglichen soll, dass das Künstlerhaus um 10 m in die Höhe wächst. Schnell soll es gehen, speed kills – hat das nicht Andreas Khol vor laufender Kamera gesagt, als die schwarz-blaue Regierung gerade frisch installiert worden war? Damals sehr zum Ärger derer, die nun genau das Gleiche praktizieren, wo ihnen der Wähler, wie in Wien, zur Macht verholfen hat. Von Demut hat Bürgermeister Häupl damals gesprochen, von neuer Fairness später sein Parteifreund und Kanzler Gusenbauer. Die nackten Tatsachen sprechen eine andere Sprache: speed kills.

Die Tatsachen

Am 22.11.07 wird der Flächenwidmungsplan für einen wesentlichen Teil des Bezirks öffentlich kundgemacht. Von da ab kann er durch 6 Wochen, also bis 03.01.08 eingesehen werden und es können Stellungnahmen dazu erfolgen.
Dem Bezirk ist vom Magistrat für seine Stellungnahme eine Maximalfrist von 3 Monaten einzuräumen. Tatsächlich wurde dem Bezirk eine Frist bis 05.12.07 zur Stellungnahme gesetzt. Das sind 13 Tage, davon 9 Werktage. In dieser Zeit sollten die Bezirksräte, vor allem die Mitglieder des Bezirks-Bauausschusses, das umfangreiche Dokument studieren, prüfen, dazu zuerst im Bauausschuss und dann im Bezirksratsplenum Stellung nehmen und diese Stellungnahme dem Magistrat bekannt geben.
Die Stellungnahme des Bezirks lehnte den Flächenwidmungsplan ab, was allerdings mangels ¾-Mehrheit – die SPÖ stimmte für den Antrag - für den Magistrat belanglos ist.

Was sagt der Herr Bürgermeister dazu?

BM Häupl hat, allerdings in anderem Zusammenhang, großspurig verkündet, er werde nicht gegen den Willen der Mehrheit im Bezirk handeln. Zur Erinnerung: das war, als eine Mehrheit der Landstraßer Bezirksvertretung die Schließung der Landstraßer Markthalle gutgeheißen hatte. Ob dies auch für Flächenwidmungen gilt?
Allerdings gibt es eine weitgehend geübte Praxis bei Widmungen: den Wunsch eines Bezirks bei Widmungen zu berücksichtigen. Eine Praxis, die, wenn auch nicht ganz lupenrein (siehe Sechskrügelgasse) seit Jahrzehnten gehandhabt wird. Auf dem Rücken der Bevölkerung, deren Stellungnahmen, soferne sie nach der Stellungnahme des Bezirks erfolgen, sodann „für die Fisch“ sind. Die entscheidenden Schritte sind ja bereits gesetzt worden. Eine sehr eigenartige Auffassung von Bürgerbeteiligung.

Bürgerverhöhnung inbegriffen

Warum der Magistrat dem „schwarzen“ Bezirk eine so kurze Frist setzt? Was sich der Magistrat von einer „Behandlung“ in 9 Tagen durch den Bezirk verspricht? Die Antwort fällt nicht schwer: nichts. Mit anderen Worten: man erwartet, dass 9 Tage nicht reichen, um das Plandokument auch nur oberflächlich zu studieren, sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen über die beabsichtigten Änderungen (soferne man diese aus den Hieroglyphen überhaupt herauszulesen imstande ist), dass es daher zu einer sachlich fundierte Stellungnahme nicht kommen könne, sondern bloß zu einer -im Ergebnis vorhersehbaren- „politischen“ Entscheidung, die dann aber für den Magistrat ohnedies nicht verbindlich sein würde. In einer Art und Weise, die einer Verhöhnung aller darstellt, die sich ehrlich um eine sachliche Stellungnahme bemühen wollen, auch eine Verhöhnung des Gesetzgebers selbst, der mit einer solchen Pervertierung zugunsten der unmittelbar betroffenen Menschen geschaffenen Bestimmung sicher nicht gerechnet hat, und jedenfalls eine Verhöhnung all jener, denen das Gesetz die Möglichkeit wenigstens einer (unverbindlichen) Stellungnahme einräumt, weil diese auf die von ihnen gewählten Bezirksvertreter innerhalb einer zumutbaren Frist überhaupt keinen Einfluss nehmen können (und vermutlich auch gar nicht sollen). Speed kills – Termindruck erstickt jede sachliche Behandlung im Keim.

Eine Lüge mehr?

Die BV-Stellvertreterin Daniela Stepp (SPÖ) hat per Mail behauptet: "Ich habe mich im Rathaus erkundigt und dort wurde mir bestätigt, dass wir ab Kundmachung (22.11.07) drei Monate Zeit hätten unsere Stellungnahme abzugeben...“ Dies lässt 3 Möglichkeiten offen: 1. „das Rathaus“ sagt die Unwahrheit, 2. sie selbst sagt die Unwahrheit, oder 3. es gibt eine Möglichkeit, das Gesetz zu umgehen. Denn dieses sagt klipp und klar (und für jedermann im § 2 Abs. 5 der Bauordnung für Wien nachvollziehbar): Der Magistrat hat die Entwürfe für die Festsetzung und für Abänderungen der Flächenwidmungspläne und der Bebauungspläne ...der ... Bezirksvertretung mit der Einladung zu übermitteln, innerhalb einer gleichzeitig festzusetzenden Frist, die drei Monate nicht überschreiten darf, nach Vorberatung durch den Bauausschuß dazu Stellung zu nehmen. Alle weiteren Ausflüchte, wie „man hätte diese Frist mit einem einfachen Telefonat auf drei Monate verlängern können“, riechen – nein, stinken gewaltig danach, man könne es sich im Magistrat „richten“, wenn man den richtigen – sprich roten – Draht habe. Aber was darf man denn aus dem Dunstkreis dieser Mehrheitspartei überhaupt noch erwarten?

Schluss mit Resignation!

Das war schon immer so. Da kann man nichts machen. Da könnte ja jeder kommen. Bis zur nächsten Wahl wird das vergessen sein. Unsere Wahlpropaganda wird das schon hinkriegen. Speed kills – rasch, rasch die Schäflein uns Trockene bringen, so lange der Wahlkampf noch nicht angebrochen ist, so lange wir auf das kurze Gedächtnis sündigen können. Nur: irgendwann wird diese Rechnung nicht mehr aufgehen. Die Menschen haben genug, genug davon, angelogen, betrogen, hinters Licht geführt und von einem Klüngel politischer Maden ausgesaugt zu werden. Von Worthülsen und leeren Versprechungen haben wir genug. Entweder es folgen Taten, Taten in Form einer bürgernahen und längst fälligen Reform der Raumordnung, und da vor allem der Bauordnung, oder die Initiative wird sich verlagern müssen. Hin zu den Bürgerinnen und Bürgern, zu den Menschen, die mit den Folgen solcher Unzulänglichkeiten zu leben gezwungen werden, und die es satt sind, der Willkür einiger Politiker und ihnen ergebener Apparatschiks ausgeliefert zu sein.
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