AKT!ON 21

Alte Hüte remixed. Was die Wiener SPÖ für Bürgerbeteiligung hält


Mittwoch, 21. November 2007

Aus Wien Mitte nichts gelernt?

Partizipative Demokratie, Bürgerbeteiligung beim Zentralbahnhof? Wozu? Da gibt es doch so viele gescheite Experten, so bewährte Verfahren einer auf Bürgerausschaltung spezialisierten Bürokratie, auf die Herr Hora fest vertraut, so fest, dass es auch schon wieder – Stichwort Transparenz – verdächtig ist. Ergebnisoffenheit ist eine andere Kategorie. So wie bei Wien Mitte. Das Ergebnis ist bekannt. Der einzige Neubau auf diesem Terrain seit einem halben Jahrhundert wurde wieder abgerissen: das Festzelt für Häupls Spatenstich. Das rauschende Fest des Bürgermeisters, der den Bürgerinnen und Bürgern, denen er Wiens letzte Markthalle wegnimmt, seit Jahren das Gespräch verweigert. Weil er mit ihnen vor lauter Demut nichts zu reden hat. Dabei wollten die Menschen, die mit diesem Ort tagtäglich leben müssen, nur wissen, welche Überraschungen die großen „Player“ samt ihren famosen Experten da noch geplant haben. Statt dessen nichts als alte - und hunderttausende Euro teure - Hüte.

Klassenkampf in neuem Kleid

Klassenkampf ist ein noch älterer Hut. Gegen den Kapitalismus lockt man keinen Proletarier mehr hinter dem Ofen hervor. Vor allem nicht, seitdem die SPÖ sich zunehmend als die kapitalistischere Partei offenbart. Auf wen soll man dann aber los gehen? Erraten: das Feindbild sind nun die „Akademiker“. Nicht jene, die nur ein Doktor oder Magister ziert. Nein, jene, die den Gesetzen der Logik folgend eins und eins richtig zusammenzählen und dank ihrer (akademischen) Bildung imstande sind, das pseudochinesische Kauderwelsch der ach so tollen Experten in eine allgemein verständliche Sprache zu übersetzen. Peinlich für jene, die mit diesem wahren Feuerwerk von Sprachvernebelungsgranaten davon ablenken wollen, dass sie nichts oder zumindest nichts Angenehmes zu sagen haben. Fatal wäre es, so Hora, wenn ein Vorhaben auf „akademischer“ Ebene zerredet werde und sich in die Debatte nur jene für sich selbst einbringen würden, die sich auf Grund ihrer sozialen Situation dementsprechend artikulieren könnten. Jetzt wissen wir’s: Menschen, die im Diskurs die besseren Argumente haben und sie auch zu formulieren vermögen, sind als Diskussionspartner unwillkommen. Man redet, wenn überhaupt, nur mit denen, die „auf Grund ihrer sozialen Situation“ Mühe haben, ihre Gefühle zu artikulieren, weil man mit ihnen leichtes Spiel zu haben glaubt, so lange sie eben nur reden und nicht auf die Straße gehen, um zu protestieren. Tun sie letzteres, ist es allerdings auch nicht Recht.

Was steckt dahinter?

Auffallend ist, dass man sich im Dunstkreis der Stadt Wien verstärkt mit dem Thema Bürgerbeteiligung auseinandersetzt. Die Aktivitäten von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung, vor allem auch deren Ersuchen, ihre Bemühungen um eine funktionierende Bürgerbeteiligung durch die ihr nach der Charta von Aalborg sogar zustehende finanzielle Zuwendung zu unterstützen, scheinen nicht ohne Wirkung zu bleiben und einiges Kopfzerbrechen hervorzurufen. Immer mehr zeigt sich die verheerende Optik jener Überheblichkeit, mit der Stadtrat Schicker im Auftrag des Bürgermeisters vor etwas mehr als einem Jahr die von zahlreichen Bürgerinitiativen angebotene Zusammenarbeit zur Reform des unzulänglichen Wiener Modells der Lokalen Agenda21 rundweg ausgeschlagen hatte: weil es keinen Reformbedarf gebe. Das war knapp nach den Gemeinderatswahlen. Seither wackelt die Absolute der Wiener SP und clevere Wahlstrategen sind an verschiedenen Orten um die Begrenzung jenes Schadens bemüht, den eine eigenwillige Interpretation von Demut nun schon in staunenswerter Regelmäßigkeit anrichtet. Dazu gehört auch das Thema partizipative Demokratie, das man vielleicht ein wenig hinausschieben, aber nicht verhindern können wird.

Reform der Lokalen Agenda 21?

30 Funktionäre, Mitarbeiter und Experten der Lokalen Agenda 21 haben unlängst ihre Köpfe rauchen lassen, um dem Wiener Modell nun doch jene notwendige Reform angedeihen zu lassen, die vor einem Jahr noch als unnötig bezeichnet worden war. Dass man dabei auf die Mitwirkung derer, um die es dabei (angeblich) ging, nämlich der Bürgerinnen und Bürger, weitestgehend verzichtet hat, nur so nebenbei. 2 – in Worten zwei – von ihnen waren nebst Politikern, Funktionären oder Beauftragten der LA21 mit dabei. Zentrale Rolle waren die Hauptkritikpunkte von aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: erstens, dass das Beteiligungsmodell LA 21 von der Gunst der Bezirksvorsteher(innen) abhängt und daher nur in einer Minderheit von Bezirken implementiert ist, und zweitens, dass Agendagruppen nur dann zugelassen werden, wenn es gelingt, ihre Ziele positiv zu formulieren – als wäre Bürgerbeteiligung eine Frage raffinierten „akademischen“ Formulierungsvermögens. Was in der Diskussion nicht erwünscht war: die Haltung der Stadtverantwortlichen zu ihrer eigenen Lokalen Agenda 21 zu hinterfragen. Zum Beispiel, dass der Bürgermeister oder sein Büro einen auf eklatante Missstände hinweisenden Brief einer Agendagruppe einfach ignoriert und unbeantwortet lässt.

Skepsis ist angebracht

Was dabei herauskommen wird, darf befürchtet werden: eine Lösung nach dem Motto „wasch mir den Pelz aber mach mich nicht nass“, bei welcher die von aktion21 schonungslos aufgedeckten Blößen mit einem Feigenblatt namens „Kompetenzzentrum“ bedeckt werden, dessen Besonderheit darin bestehen dürfte, dass seine einzige Kompetenz sich darin erschöpft, nach außen hin so zu tun, als hätte Wien eine funktionierende Bürgerbeteiligung und bedürfte daher keiner aktion21-pro Bürgerbeteiligung. Deshalb auch Horas Sager von denjenigen, „die sich in die Debatte nur für sich selbst einbringen würden“. Das kommt nicht von Ungefähr und ist Teil einer Strategie, jene Bürgerinnen und Bürger, die eine aufrichtige und transparente Bürgerbeteiligung einfordern, sozial zu diskreditieren: Bürgerbeteiligung gegen die Bürger statt mit ihnen. Deshalb ist bis zum erbrachten Beweis des Gegenteils, bis zum Funktionieren einer echten Bürgerbeteiligung in dieser Stadt, Skepsis angebracht. Wenn wir uns auf die anderen verlassen, wird sich nichts bewegen. Nur durch Eigeninitiative werden wir Bürgerbeteiligung früher erreichen, als sie Wien als Wurmfortsatz einer europaweiten Entwicklung erreichen wird.

Helmut Hofmann



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