Freitag, 14. Dezember 2018
Wen ich bevollmächtige, dem muss ich vertrauen können. Wer dieses Vertrauen missbraucht, enttäuscht und wird unglaubwürdig. Wer das nicht lernen will, muss es eben fühlen – bei der nächsten Wahl.Fragt man danach, wie lernfähig die führenden Politiker der österreichischen Parteienlandschaft sind, stößt man sehr rasch an Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit. Man sollte meinen, dass Oppositionsparteien eher geneigt sind, den Pfad ihrer Erfolglosigkeit zu verlassen und sich ihren schwindenden Wählerinnen und Wählern zuzuwenden. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die SPÖ, die sich – von einer längst vergangenen Ausnahme (Gusenbauer) abgesehen, schon bei der Erwähnung des Begriffs Partizipation zurückzieht wie eine sich bedroht fühlende Schnecke in ihr Haus, hatte in einem Reformkonzept ein ohnedies mehr als bescheidenes Mitspracherecht wenigstens ihrer Parteibasis bei wesentlichen Weichenstellungen ihrer Partei vorgesehen. Selbst dieser winzige Vorstoß in Richtung Bürgerbeteiligung wurde eiligst wieder abgewürgt und „begradigt“. Dabei hatte die neue Vorsitzende erst vor wenigen Tagen gemeint, sie setze (im Gegensatz zu ihrem Vorgänger) lieber auf den Dialog. Fragt sich nur, mit wem sie diesen führen will; mit den Bürgerinnen und Bürgern wird man sie das wohl nicht lassen. Auf einen Durchbruch von dieser Seite wird man wohl auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, warten müssen. Wasser predigen, Wein trinken Die Grünen haben sich lange Zeit lautstark als VorkämpferInnen der Bürgerbeteiligung gebärdet und diese in Wien sogar in die Bezeichnung des von ihrer Obfrau geleiteten Magistratsbüros ausdrücklich aufgenommen. Zuerst gegenüber den grünen StudentInnen, dann – in Wien – gegenüber der eigenen Basis haben sie aber lieber eine Parteispaltung in Kauf genommen, als sich dem Mehrheitswunsch ihrer eigenen Leute anzuschließen. Man weiß inzwischen, warum: wer geht schon gerne fasten, wenn er vor der vollen Schüssel sitzt? Die Mitwirkung der Bevölkerung war den Grünen gerade noch eine Alibihandlung in Form eines völlig unverbindlichen „Masterplanes“ wert, den sie der Öffentlichkeit lieber vorenthalten haben, als sich dafür schämen zu müssen. Also ist auch bei den Grünen Partizipation eine Fehlanzeige. Regierungsprogrammatik Groß war das Getöse der FPÖ, eine plebiszitäre Demokratie zur Koalitionsbedingung zu machen. Das, was sie der ÖVP dabei abringen konnte, war eine verpflichtende Volksabstimmung, mit einer Hürde als Vorbedingung, die ohne Unterstützung eines ansehnlichen Machtapparates indiskutabel ist. Diese Art von Bürgerbeteiligung ist daher in der Praxis nur als parteipolitische „Fahne“ denkbar, die nur dann gehisst werden kann, wenn einer größere Partei dahinter steckt. Dass die ÖVP für ein solches Produkt erst gegen Ende der Legislaturperiode – gleichsam als „Belohnung für koalitionäres Wohlverhalten – zu haben sein wird, spricht Bände. Der Alibicharakter solcher Koalitionsvereinbarungen erweckt ein déjà vu: hatten nicht in Wien ÖVP und FPÖ zusammen mit den Grünen eine winzige Wahlrechtsreform gemeinsam gegen die SPÖ vorgesehen und dies in einem sogenannten „Notariatsakt“ auch gegen die SPÖ zu beschließen gelobt? Man darf daran erinnern, was daraus geworden ist: der Absprung eines grünen Abgeordneten zur SPÖ kurz vor Ende der Legislaturperiode, womit sowohl die Reform als auch das notariell beglaubigte Bekenntnis dazu hinfällig geworden waren.(Es ging darum, die Zahl der Mandatare dem Stimmenverhältnis anzupassen und den deutlichen Vorteil der stimmenstärksten Partei zu „begradigen“. Hatte Senol Akilic, der abtrünnige Abgeordnete, eine so tiefe Abneigung gegen eine solche stimmengerechte Mandatsverteilung, dass er nicht nur nicht für sie zu stimmen bereit war, sondern gleich die Partei wechselte? Und das kurz vor der nächsten Wahl? Für wie dumm hält man eigentlich die Bevölkerung, dass sie an die Echtheit solchen Gemauschels glaubt?) Nein, es werden sicher nicht einige FPÖ-Abgeordnete zur ÖVP wechseln, um die partizipative Demokratie in Österreich zu verhindern, aber es wird sich schon im letzten Augenblick ein Hindernis finden, das dem Vorhaben hinderlich sein wird. Denn auch die neue ÖVP hält trotz anderslautender Zusagen des Kanzlers vor der Wahl herzlich wenig von Bürgerbeteiligung, obwohl sie es beim Rauchervolksbegehren in der Hand gehabt hätte, ihrem Koalitionspartner im Zeitpunkt der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung um mehrere Jahre entgegenzukommen und mit einer Zustimmung zu der von der FPÖ vorgeschlagenen niederen Hürde beim Volksbegehren das von ihr angeblich sehr ungern gemachte Zugeständnis in der Raucherfrage im blauen Dunst verduften zu lassen. Deutlicher kann man ja nicht bekunden, wie wenig die ÖVP von einer Mitwirkung der Bevölkerung an der Rechtsetzung in diesem Land hält und wie rasch die FPÖ diese angeblich wesentliche Säule ihres Demokratieverständnisses aufzugeben bereit ist. NEOS? Bleiben die NEOS. Auch sie bekennen sich zur Bürgerbeteiligung, no na – und tun sich dabei nicht schwer, weil sie ja noch keinerlei Gelegenheit hatten, dieses Bekenntnis unter Beweis zu stellen. Also sind wir auf Signale angewiesen, zu denen es ja ausreichend Gelegenheit gegeben hat. Wer zu einem Thema, das ihm angeblich sehr am Herzen lliegt, nichts unternimmt, obwohl er parlamentarische und außerparlamentarische Möglichkeiten dazu hätte, signalisiert mangelnde Übereinstimmung von Wort und Tat. Statt permanenter Aufforderungen, der Bevölkerung doch endlich mehr Mitwirkung an der Gestaltung des politischen Lebens einzuräumen, gibt es pinke Wortspenden zu allen möglichen wichtigen und weniger wichtigen Fragen, emsige Opposition gegen fast alles, was Regierung macht, aber kaum etwas, das die NEOS als Bedingung für eine Unterstützung einforderten, jedenfalls nichts, das eine echte Bürgerbeteiligung zur Folge hätte. Dabei könnte sie gerade bei diesem Thema (inklusive Informationspflichtsgesetz) FPÖ und ÖVP an diesbezügliche Versprechungen erinnern und Bereitschaft zeigen, für allenfalls nötige Zweidrittelmehrheiten zur Verfügung zu stehen. Bürgerbeteiligung ja, aber… Verfolgt man die gelegentlichen Wortspenden zum Thema Partizipation, mit denen in einer auffallend übertriebenen Betulichkeit skeptische Vorbehalte gegenüber eventuell möglichen unerwünschten Begleiterscheinungen eines politischen Engagements der Zivilgesellschaft vorgebracht werden – natürlich nicht aus Angst, ein wenig an Macht einzubüßen oder gar an der Trockenlegung saurer Wiesen mitursächlich zu werden, sondern aus der gut geheuchelten Sorge um das Wohl jenes demokratischen Rechtsstaates, den auszuhöhlen die bei keiner sich bietenden Gelegenheit verabsäumen. Konkrete Beispiele gefällig? Man braucht diese Website nur durchgehen und wird vielfach fündig werden. Ein Lehrstück Als vor einigen Jahren eine Bürgerinitiative gegen ausufernde illegale Bautätigkeiten der ATIB in einem Wohnviertel Floridsdorfs das Pech hatte, einen Vereinnahmungsversuch durch die FPÖ abwehren zu müssen, und in dieser heiklen Lage bei Aktion 21 Hilfe suchte, kam es erst- und letztmals bei einer Mitgliedsaufnahme aufgrund parteipolitischen Einflusses auf einige Mitglieder zu einer Kampfabstimmung. Deren Ergebnis veranlasste einen beknnten Wiener Politiker zur besorgten Frage, ob wir – Aktion 21 – nicht befürchteten, dass es uns „zerreißen“ werde. Nun, die Sorge war unbegründet. Natürlich war der Aufnahme eine sehr gewissenhafte Prüfung vorangegangen. Hätte es uns trotzdem „zerrissen“, wäre um eine Organisation, die mit einer solchen Zerreißprobe nicht fertig wird, nicht schade gewesen. Unsere Mitglieder waren sich aber, wie das Ergebnis zeigte, ihrer Verantwortung gegenüber der Zivilgesellschaft bewusst und widerstanden parteipolitischem Opportunismus. Das ist die Stärke von Aktion 21 gegenüber einer Partei, die es, eben wegen dieses Opportunismusses, tatsächlich zerrissen hat. Wer aus solchen Vorgängen keine Lehre zieht, ist selber schuld. Die Krisen in den Parteien mehren sich. Im Moment bemühen sie sich noch krampfhaft, die Bevölkerung zu spalten und den Versuch einer konsensorientierten Bürgerbeteiligung aus ihrem politischen Handeln auszublenden. Das Lehrgeld werden sie am Wahltag zahlen, vorausgesetzt, es tritt jemand auf, der glaubwürdig und überzeugend auf echte, nicht „von oben“ huldvoll zurechtgeschneiderte Bürgerbeteiligung setzt. Helmut Hofmann |