AKT!ON 21

Trügerische Sicherheit


Donnerstag, 22. Juni 2017

„Wir haben die besten Brandschutzvorschriften der Welt und beachten sie auch.“ Es gibt keinen Handlungsbedarf, weil alles wie immer bestens ist. Das war VOR Kaprun so, das ist bei der U-Bahn-Brandrauchentlüftung Wien Mitte so und wird auch so bleiben - bis zum nächsten Großbrand.

Ein viel zu wenig beachteter Faktor ist dabei die Stadtplanung. Wer Hochhäuser plant, wird daran denken, dass der Brandschutz andere Voraussetzungen erfordert als Bauten vierstöckiger Häuser. Bei diesen ist eine Bergung von außen relativ einfach: Wohnungstür schließen, nass verhängen und am Fenster auf Hilfe warten - ein Rezept, das sich immer wieder bewährt. Auf Hochhäuser ist es, wie London zeigt, allerdings nur eingeschränkt anwendbar.

Die Londoner Tragödie zeigt, dass die Beschränkung auf einen einzigen Fluchtweg und, ergänzend dazu, auf eine schnelle, sichere Fensterbergung, angesichts der großen Höhe fraglich ist. Eine Stadtplanung, die auch eine Hochhausplanung umfasst und den Hochhausbau nicht ausschließlich der Initiative von Investoren anheimstellt, könnte an dafür geeigneten Orten Cluster aus mehrere Hochhäusern in brandsicherer Entfernung voneinander planen, mit Sprinklervorhängen und vor allem mit mehreren feuerhemmenden Brücken in mehreren Ebenen, die im Brandfall als Notausgänge in benachbarte Hochhäuser wirken.

Natürlich wird dagegen das Argument kommen, das verursache Kosten, die von den Nutzern nicht getragen werden wollen, weil sie ihnen – außer im unwahrscheinlichen Brandfall – nichts bringen. Ein gewichtiges Argument, das wie Asche in sich zusammenfällt, wenn es dann doch einmal ein paar Dutzend Tote gibt. Kaprun lässt grüßen.

Nein, es wird nicht einmal dieses Argument kommen, denn so lange es keine effiziente Stadtplanung gibt, die auch Hochhäuser konkret plant, wird es keine Cluster geben, die man zu einem Netz von Fluchtwegen heranziehen kann, sondern nur Einzeltürme, die in sich abgeschottet eine Mausefalle für die Bewohner werden, wenn es tatsächlich einmal brennen sollte. Sie glauben es nicht?

Eine Bürgerinitiative hat vor 10 Jahren darum kämpfen müssen, dass eine neu errichtete Brandrauchentlüftung für die U 4 zu Wien Mitte den im Ernstfall (Brand auf einem Bahnsteig) über Turbinen ins Freie beförderten hochgiftigen Brandrauch nicht auf „Augenhöhe“ ausbläst, sondern etwa 2 bis 3 m höher. Kein Grund, an der ca. 50 m entfernten Brandrauchentlüftung der U 3 etwas zu ändern. Die bläst nämlich im Ernstfall den Gästen des angrenzenden Schanigartens direkt ins Gesicht. Wer das einatmet, hat ausgesorgt. Vielleicht kümmert sich da einmal wenigstens die Gewerbebehörde, wenn schon den Wiener Linien und der für sie zuständigen Magistratsabteilung so etwas völlig schnuppe ist. Hauptsache die „Vurschrift“ wird eingehalten, auch wenn sie noch so mangelhaft ist.

Helmut Hofmann