AKT!ON 21

Aufgeschnappt:
Gefährliche Täuschungen


Mittwoch, 17. Mai 2017

Der Wiener Gemeinderat hat am 5. Mai 2017 mit den Stimmen der SPÖ und der Grünen folgendem Resolutionsantrag der Grünen (Quelle: Christoph Chorherr (Grüne) am 05.05.2017, Rathauskorrespondenz vom 05.05.2017) zugestimmt:

"Die Stadt Wien bekennt sich zur Erhaltung der historisch gewachsenen Silhouette ihrer Innenstadt. Die bestehende Entwicklungsdynamik soll jedoch als Chance genutzt werden, die Stadt im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger und den höchsten kulturellen Maßstäben verpflichtet weiter zu bauen. Die Stadt Wien bekennt sich dazu, dass in der Inneren Stadt keine neuen Hochhausstandorte, keine zusätzlichen Hochhäuser sowie keine Aufstockungen von bestehenden Hochhäusern geplant und verordnet werden. Die Stadt Wien bekennt sich des Weiteren dazu, dass in dem durch den Masterplan Glacis beschriebenen Bereiche keine neuen Hochhausstandorte geplant und verordnet werden. Der Gemeinderat stellt klar, dass diesem Bekenntnis widersprechende Interpretationen der thematischen Leitbilder Masterplan Glacis und Hochhauskonzept nicht zulässig sind."

"Die Stadt Wien, ihre Struktur und ihre bauliche Gestalt, ist Ergebnis einer Jahrhunderte währenden Entwicklung. Die Wiener Innenstadt als Ergebnis einer tiefgreifenden, permanenten Überformung verfügt über keinen geschlossenen mittelalterlichen oder barocken Kern, sondern über eine höchst attraktive Gemengelage unterschiedlicher Baustile, gefasst durch den durchwegs homogenen gründerzeitlichen Ring, an dem mit Gebäuden der Moderne, der Nachkriegsmoderne sowie der Gegenwart weitergebaut wurde. Die städtebaulichen und architektonischen Qualitäten des historischen Zentrums sind überragende Zeugnisse eines fortwährenden Wandels von Werten im Laufe von zwei Jahrtausenden."


Wozu diese Resolution?
Dieser Resolutionsantrag sollte offensichtlich dazu dienen, die von VBM Vassilakou zu Unrecht gegen die ICOMOS erhobenen Anschuldigungen durch eine Absichtserklärung zu rechtfertigen, die berechtigte Sorge der UNESCO über die weitere Entwicklung im Bereich des kulturellen Welterbes zu zerstreuen und die Aberkennung des diesbezüglichen Prädikates zu verhindern.

Inhaltlich geht es dabei um die Frage, ob Hochhausstandorte im Bereich des ehemaligen Glacis durch den Masterplan Glacis in Verbindung mit dem neuen Hochhauskonzept ausgeschlossen oder im Gegenteil sogar aus ihm ablesbar seien, wie dies in verschiedenen, gut begründeten Stellungnahmen dargelegt wurde.

Diese Frage hat dadurch Aktualität erhalten, dass eines der Hauptargumente gegen den geplanten Bau am Heumarkt die Beispielwirkung ist, die die Genehmigung eines solchen Hochhauses auf die weitere städtebauliche Entwicklung haben würde. Jeder weitere Wunsch nach einem Hochhaus im Glacisbereich könnte sich darauf berufen, dass die UNESCO auch das Hochhaus am Heumarkt zugelassen hätte, so wie sich ja dessen Bauwerber jetzt schon auf das – wenn auch „zähneknirschende“ - Nachgeben der UNESCO im Jahr 2003 bei Wien Mitte berufen hat.

Der Resolutionsantrag der Grünen war daher so formuliert, dass er die Frage seiner Geltung für das Heumarktprojekt geschickt ausklammert, dabei aber ungeschickt genug durch zweideutige und in sich widersprüchliche Ansagen die eigenen Zielvorgaben in Frage stellt (s. die diesbezügliche Analyse der Resolution auf dieser Homepage). Diese legistische Schludrigkeit verrät den zeitlichen Druck, vor der für 1. Juni 2017 angesetzten Abstimmung über den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan des umstrittenen „Heumarkt-Areals“ ein Nachgeben der UNESCO erwirken zu müssen, um sich nicht einer Verletzung des Welterbe-Vertrages schuldig zu machen.

Deutungsmonopol für Masterpläne?
Das Verbot einer der Auslegung der Stadtregierung entgegenstehenden Interpretation von Masterplan Glacis und Hochhauskonzept 2014 richtet sich vor allem gegen die Meinung, dass diese städtebaulichen Instrumente den Bau weiterer Hochhäuser im Bereich des ehemaligen Glacis (Stichwort „Stadtkrone“) nicht ausschlössen. Es fällt auf, dass weder diese Instrumente, noch die nunmehrige Resolution Gesetzesrang haben. Das bedeutet, zum einen, dass sie vor dem Verfassungsgerichtshof nicht angefochten werden können, zum anderen, dass sie vom Gemeinderat mit einfacher Mehrheit jederzeit geändert, abgeschafft oder neu gefasst werden können. Es fällt weiters auf, dass das Hochhauskonzept 2003 bereits ein Hochhausverbot in der Welterbe-Kernzone enthalten hat, mit dem der Hochhausbau am Heumarkt nicht vereinbar gewesen wäre. Dass dieses alte Hochhauskonzept anlässlich der Planung des Heumarkt-Projekts rasch und problemlos geändert wurde - wobei man die Bestimmung, derzufolge Hochhäuser in der Welterbe-Kernzone zulässig sind, mehrmals genau lesen muss, um nicht die Beibehaltung des Hochhausverbotes herauszulesen – ist ein weiteres Indiz dafür, wie wenig von Absichtserklärungen wie jener vom 5. Mai 2017 zu halten ist.

Klarer Verstoß gegen Menschenrechte
Dass man aber für eine nicht vorhandene Bindungswirkung bereit ist, Grundprinzipien wie das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) zu missachten und bestimmte Meinungsäußerungen nach dem Muster totalitärer Staaten zu verbieten, lässt vermuten, dass die an den Regimes der Türkei, Ungarns, Russlands oder Polens heftig kritisierten Vorgangsweisen nun auch in Wien eine Heimat gefunden haben. Es ist allerhöchste Zeit, diesem Trend in aller Entschiedenheit Einhalt zu gebieten und diejenigen, die ihm folgen, auf den Müllhaufen der politischen Geschichte zu befördern.

Helmut Hofmann