Mittwoch, 19. April 2017
Was sich die für Bürgerbeteiligung zuständige Stadträtin Maria Vassilakou unter Bürgerbeteiligung vorstellt, hat sie nun in einem nur allzu durchsichtigen Schelmenstück zu erkennen gegeben. Man darf es sich auf der Zunge zergehen lassen1. Akt: Christoph Chorherr, grüner Protagonist des neuen Hotels Intercontinental und des für seine Finanzierung angeblich erforderlichen Tojner-Towers, rechtfertigt sein bedingungsloses Eintreten für den Bau in einem, wie er sagt, von der Wiener Zeitung erbetenen Gastkommentar. Er schließt ihn mit den Worten: : „Es sei nur die ketzerische Frage gestattet: Würden die Kritiker verstummen, wäre statt Luxuswohnungen eine öffentliche, etwa kulturelle, universitäre oder andere Wien bereichernde Nutzung vorgesehen? Wenn es nur das ist, dann würde ich diese Debatte gerne weiter führen.“ 2. Akt: Ich habe diese provokante Frage aufgegriffen und angeboten, mit meiner Kritik am Tojner-Tower zu verstummen, wenn statt der Luxuswohnungen eine andere Wien bereichernde Nutzung, nämlich die Wiedererrichtung der vor einem Jahrzehnt gegen den erbitterten Willen tausender Wienerinnen und Wiener, insbesondere auch der Grünen, unter Bürgermeister Häupl geschlossenen Landstraßer Markthalle, keine 500 m vom Bauplatz entfernt, vorgesehen wäre. Ich habe hinzugefügt, dass ich eben diese Debatte sehr gerne weiter führen möchte. Ich hatte mich auf diese schon aufrichtig gefreut, denn wenn Chorherrs Wunsch nach Verstummen meiner Kritik tatsächich zu einer derartigen Bereicherung der Nutzung führen würde, wäre das wohl ein echter Mehrwert – an Stelle der bisher als solcher angepriesenen Lächerlichkeiten. 3. Akt: Nichts. Null Echo, nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Offensichtliche Schockstarre ob dieser vorwitzig-hinterlistigen Art von Beteiligung betroffener Bürger am streng geheimen Geschehen hinter den Polstertüren des Magistrats. Wahrscheinlich war der Führer des Koalitionspartners not amused über solche „dummen Scherze“. 4. Akt: Etwa eine Woche später. Eine verzweifelte Stadträtin, die innerhalb ihrer eigenen, aufmüpfig werdenden Gefolgschaft in Argumentationsnotstand geraten ist, ergreift einen Strohhalm und erdreistet sich, in einem umfangreichen Pamphlet bei der Darstellung des sich verflüchtigenden Mehrwertnebels zu behaupten, ein Mehrwert bestünde auch durch die in Planung (befindliche) neue Markthalle. Na bumm, das nennt man speed kills: kaum kommt dem Chorherr aus der Bevölkerung eine Idee zugeflogen, werden die klugen Köpfe der Stadtplanung eiligst zusammengerufen, brüten das ganze Wochenende über dieser neuen Idee, die wahrscheinlich alle lhnedies schon lange gehabt, aber strengstes Amtsverschwiegenheit darüber bewahrt haben, und dann rückt die Chefin endlich mit der Neuigkeit heraus, die Markthalle neu sei schon in Planung! Nicht etwa, dass man willens sei, sie aufzugreifen und dem Investor als ersten wirklich tauglichen Mehrwert abzuverlangen, nein, sie ist vielmehr schon längst über das Ideenstadium hinaus „in Planung“, das heißt, man arbeitet schon emsig daran, Ort, Größe, Struktur, Ausstattung, Betrieb, nicht zu vergessen Schaffung der Rechtsgrundlagen - ja und natürlich die Kleinigkeit der Einwilligung des Investors in all das Geplante festzulegen und, ja natürlich in den Entwurf der Flächenwidmungsplanes, der demnächst beschlossen werden soll, einzuarbeiten. Gschwind is gangen - damit es nicht immer beim blabla bleibt, sondern endlich einmal auch Nägel mit Köpfen gemacht werden. Ach so, das geht wohl nicht so einfach? Das ist weder im Weinfeld-Projekt, noch in einer seiner Überarbeitungen vorgesehen? Da muss man halt doch noch…. Und überhaupt: welche Fläche soll man dann als was für einen Markthallenbetrieb widmen? Als Wohngebiet wohl kaum, auch nicht als Hotel, als Sport- und Erholungsfläche wohl auch nicht, was dann? Aber es ist schon in Planung, in Plaanung, in Plaaanung - lässt uns die Frau Stadträtin wissen. 5. Akt: Wir sind um einige Erkenntnisse reicher.
In einer Aussendung der Grünen ist zu lesen: „Das rot-grüne Wien als Ausnahmeprojekt in einem neoliberalen bis rechtspopulistischen Umfeld, in Österreich wie in Europa, darf nicht geschwächt und schon gar nicht beendet werden. Wir wollen die Stadt nicht über kurz oder lang den Populisten überlassen.“ Man ist fassungslos, mit welcher Kaskade an Lug und Trug sogar den eigenen Parteiangehörigen eine falsche Darstellung nach der anderen untergejubelt wird. Haben Sie denn alle vergessen, wodurch ein Viktor Orbán an die Macht gekommen ist? „Wir haben die Menschen belogen und betrogen…“ musste der damalige sozialistische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany eingestehen. Als das ruchbar wurde, gab es in Ungarn einen Erdrutsch. Vielleicht sollten die Grünen besser an diesen Erdrutsch und seine Folgen denken. Vielleicht dämmert ihnen dann, dass sie nicht nur von Stadtplanung, sondern vor allem auch von Bürgerbeteiligung eine Vorstellung haben, vor der ihnen selber, wenn sich die Investorennebel in ihrem Denken gelichtet haben, grausen sollte. Bei einigen fortschrittlich Denkenden aus ihren Reihen hat dieser Prozess ja schon eingesetzt. Helmut Hofmann |