Samstag, 5. April 2014
Unter dem Motto „Eislaufverein neu: Höher, schöner ? Diskutieren Sie mit Experten und dem zuständigen Projektkoordinator“ luden KURIER und ORF zu den „Stadtgesprächen“ ein. Eine sinnlose Veranstaltung, die nur zeigte, dass viele Wienerinnen und Wiener über das ihnen zugemutete Projekt empört sind. Entgegen allen Versuchen es schönzureden. Eine Farce. Sattsam bekanntes „Format“ Schon das Format dieser Diskussion war peinlich: ein sich selbst als „hochkarätig“ anpreisendes Podium, bestehend aus 2 Vertreterinnen des KURIER und ORF sowie einer 2-Personen-Vertretung der Projektseite. Ein permanenter, penetranter Podiumshintergrund „WIEN HEUTE“ –Seher/innen und KURIER-Leser/innen verändern Wien - Eislaufverein neu: höher? Schöner? wirkte in seiner tendenziösen Art aufreizend auf die meisten den Festsaal des Akademischen Gymnasiums füllenden „übrigen Teilnehmer“. Wenn sich KURIER und ORF zum Format solcher „Diskussionen“ nichts Besseres einfallen lassen, dann verkommen sie, wie das Beispiel zeigt, zu einem reinen „Dampfablassen“ einer Bevölkerung, die sich ob der präpotenten Art und Weise, in der mit ihren zahlreichen Bedenken umgegangen wird, von der (abwesenden) Politik nicht nur im Stich gelassen, sondern im buchstäblichen Wortsinn verkauft und obendrein noch verhöhnt vorkommt. Fragwürdige Diskussionskultur Besonders aufreizend war der Umgang mit Wortmeldungen aus dem Publikum. Das „Management“ der Wortmeldungen aus der Zuhörerschaft war ziemlich unprofessionell, wobei die Absicht, die Meinungsbildung dadurch zu beeinflussen, nicht von der Hand zu weisen war. So erhielt der Vertreter des WEV gleich zu Beginn Gelegenheit, die „Unschuld“ des WEV an der Projektentwicklung zu beteuern und ihn damit aus der Schusslinie zu nehmen – als ob die Anwesenden das deutlich über dem Podium prangende Eislaufverein neu: höher? Schöner? nicht hätten lesen können. So wurden berechtigte Wortmeldungen, die darauf hinwiesen, dass der „Kompromiss“ von Eislaufverein und Projektanten auf dem Rücken der Öffentlichkeit zustande kam, als Unsinn abgetan. So wurde die Veranstaltung nach 90 Minuten Diskussion trotz zahlreicher offener Wortmeldungen und ungebrochenen Publikumsinteresses mit der Begründung abgebrochen, „die Schule“ wolle „auch einmal Schluss machen“. Verräterisch dabei war, dass es mit der Räumung des Saales nach Diskussionsschluss keine Eile hatte. Wir kennen das seit langem. Wenn eine Publikumsdiskussion unangenehm zu werden droht, „holt“ man sich noch rasch ein paar Wortmeldungen von Leuten, deren pro-Einstellung man kennt und findet dann irgendeinen (vorher nicht bekannt gegebenen) Grund, sie überfallsartig zu beenden. Dass man als unangenehm, weil faktenkundig, bekannte Personen sich eine Stunde lang vergeblich um Worterteilung bemühen lässt, um ihnen nach Ende der Veranstaltung mit charmant-seifigem Moderatorinnen-Lächeln das Bedauern darüber zu heucheln, dass sie nicht „drangekommen“ wären, bestätigt nur die hinterhältige Regie solcher „Stadtgespräche“. Arbeitsplätze einmal anders Überraschend kam eine Wortmeldung des Betriebsrat-Obmanns des Hotel Intercontinental. Er legte überzeugend dar, dass der geplante Bau mit der längerfristigen Sperre des Hotels und daher mit dem Verlust von 200 Arbeitsplätzen einherginge. Ein bemerkenswertes Szenario, wenn man bedenkt, dass üblicherweise bei solchen Projekten gebetsmühlenartig das Arbeitsplatzargument strapaziert zu werden pflegt. Aber wahrscheinlich war man sich angesichts der derzeit in Österreich dramatisch steigenden Arbeitslosigkeit des Rohrkrepierereffektes bewusst und verzichtete lieber auf das vielfach abgegriffene Totschlagargument. Vorauseilende Gewissheit Immer wieder fokussierte sich die Diskussion auf die Tatsache, dass der für einen neuen Geldadel projektierte Wohnhausturm in der Kernzone des von der UNESCO deklarierten kulturellen Welterbes der Wiener Innenstadt liege. Sowohl seitens der UNESCO als auch der Stadt Wien ist jeglicher Hochhausbau in dieser Kernzone strikt ausgeschlossen worden. Der Einfluss des Bauwerbers auf die politischen Entscheidungsträger muss also schon gewaltig sein, wenn diese plötzlich alle Verträge, Zusagen und Deklarationen wie etwa das Wiener Hochhauskonzept „vergessen“ und Planungen erfolgen, die nur unter Vorwegnahme von Zugeständnissen sinnvoll erscheinen, die man bisher für undenkbar halten durfte. Da spielt eine Überschreitung der Flächenwidmung von „nur“ 5% eine untergeordnete Rolle – man werde doch bei so einem Projekt nicht kleinlich sein? Dass der Wiener Gemeinderat einer solchen Lappalie die Zustimmung nicht verweigern werde – davon darf man doch, Transparenz hin, Transparenz her, selbstredend ausgehen, nicht wahr? Wiens Bürokratie hat seiner Spezialität, dem vorauseilenden Gehorsam, ein korrespondierendes Pendant beschert: die vorauseilende Gewissheit von Investoren über das Ergebnis der für ihre Vorhaben notwendigen Amtshandlungen. Welterbe mit „Schmäh“ Interessant sind die gedanklichen Verrenkungen, die der bedauernswerte Welterbe-Beauftragte der Stadt Wien machen muss, um das Attentat auf das Wiener Stadtbild schönzureden. Da entnimmt man etwa einem KURIER-Interview den Satz: „Der Stephansdom etwa wird in der Realität vom Palais Schwarzenberg verdeckt.“ Ein aktuelles Foto zeigt, dass es offenbar tatsächlich mehrere Wirklichkeiten (Realitäten) geben muss, wie auf die Quantenphysik gestützte Philosophen annehmen. Auch wenn er so blühenden Unsinn sagt oder besser gesagt sagen muss, „das Baugebiet liege in einem Gebiet, wo es mit dem Hilton und dem Bahnhof Wien-Mitte bereits ähnlich hohe Bauten gebe“, dann bedenkt er offenbar nicht, dass der geplante Turm von dem (das Hilton um 10 Meter überragenden) Wien-Mitte Turm akkurat genau so weit (700 m) entfernt ist wie vom „Steffl“, dem Südturm zu St. Stephan. Folgt man der Argumentation des Welterbe-Beauftragten der Stadt Wien (welcher Hohn liegt in dieser offiziellen Bezeichnung!), dann können wir noch froh darüber sein, dass sich der alte Steffl nahtlos in das neue Hochhausensemble seiner „Umgebung“ einfügt! Angesichts so billiger „Schmähs“, wie man in Wien dazu sagt, ist zu hoffen, dass sich die UNESCO im Gegensatz zu Wien Mitte unnachgiebig zeigt und auch die Projektwerber bei der Aussage das Projektvertreters Mag. Wolfinger bleiben, im Fall des Bestehens auf einer Höhenreduktion sei das gesamte Projekt hinfällig. Vielleicht reut es die UNESCO, schon bei Wien Mitte zu nachgiebig gewesen zu sein. Heute bekommt sie dafür die höhnische Quittung: der geplante Turm „korrespondiere“ mit denen von Wien Mitte, die von der UNESCO, wenn auch „zähneknirschend“, aber ohne Konsequenzen geduldet worden waren. Ein Beitrag der Öffentlichkeit? Gespielt war die Entrüstung des Projektvertreters gegenüber dem Vorwurf der Flächenvermehrung auf Kosten der Öffentlichkeit. Was er dabei wohlweislich verschwieg: die Fläche, die zu Lasten öffentlicher Verkehrsflächen dem WEV zugute kommen soll, dient als Ausgleich für jene Fläche, die der WEV im „Kompromissweg“ an anderer Stelle des Areals dem Projekt geopfert hat. Dass der Bauträger von der öffentlichen Hand keine Flächen bekomme, ist also nur die halbe (formale) Wahrheit. Die andere Hälfte lautet: so weit man den kryptischen Projektangaben entnehmen kann, wird der WEV für das, was er dem Bauträger geben soll, durch Flächen der Bundesstraße 1 (zwischen WEV und Beethovenpark) entschädigt. Das heißt, die öffentliche Verkehrsfläche wird verkleinert, der zu mehreren Tageszeiten dicht begangene Gehsteig (hoffentlich) nicht zu Lasten der Fußgänger verschmälert, sondern gegen den 1. Bezirk hin verschoben, detto die Fahrbahn samt (schmaler) Parkspur und Radfahrweg. Es bleibt also letzten Endes nur der Wegfall des ohnedies schon einmal reduzierten Grünstreifens zwischen B 1 und Nebenfahrbahn – und das angesichts einer Kommunalverwaltung, die sich rühmt, die Grünflächen innerhalb der Stadt heilig zu halten und jedenfalls nicht zu vermindern. Offen ist auch die Frage, wer die Kosten dieser massiven Umgestaltung der B1 tragen soll. Sie wird gegebenenfalls an die Auftraggeber des Umbaus zu stellen sein. Und die Politik? Sie glänzte durch Abwesenheit. Nicht ganz, einige Bezirkspolitikerinnen waren dazu auserkoren, der zu erwartenden Protestflut, so schlecht es eben ging, ausweichend zu begegnen. Und zuletzt als rettende Engel mit lahmen Flügeln zu retten, was noch zu retten war: mission impossible. Da hatte man es am Steinhof noch leichter. Die Feigheit ihrer männlichen Kollegen, sich diesem Bürgerunmut zu stellen, wäre ein gutes Thema für Feministinnen und Feministen aller Lager. Eine Vertreterin des Bauausschusses Landstraße versuchte in gewundenen Erklärungen dessen Vorsitzenden, Bezirksvorsteher-Stv. Rudolf Zabrana, zu verteidigen, der eigenartigerweise auch Mitglied jener Jury war, aus der nicht wenige Mitglieder später in ihrer Eigenschaft als Vertreter der Stadt Wien die Wege für das Projekt ebnen sollen. Ein Vertreter aus dem Publikum hatte sie alle namentlich verlesen. Eine andere, ihres Zeichens selbst (grüne) Bezirksvorsteher-Stv., wand sich in wenig verständlichen Sätzen, aus denen nur immer wieder „man werde das alles noch eingehend überlegen und diskutieren“ zu hören war, als gäbe es auch nur einen Funken Hoffnung, „oben“ in der von Maria Vassilakou geleiteten MA 21 werde sich auch noch irgendetwas zum besseren wenden. Gesamteindruck: niederschmetternd Wenn man all das und was sonst noch ruchbar geworden ist, zusammenfasst, dann bekommt man ein Sittenbild, das zu schlimmsten Befürchtungen Anlass gibt. Ein Investor, der sich weder um Stadtbild noch um geltende Widmungen schert, will etwas bauen, das der der UNESCO gegenüber eingegangenen Verpflichtung der Stadt Wien nicht entspricht. Die Bevölkerung, allen voran namhafte Architekturkritiker und Architekten sowie die Medien spiegeln das blanke Entsetzen über diesen Insult. Aber die Politik, auch die der Opposition, verhält sich bedeckt und signalisiert damit einmal mehr, dass ihr, wie schon bei Wien Mitte, das Welterbeprädikat schnuppe ist, wenn der Geldadel mit einem schönen Schein winkt. Einem schönen Schein, der von den meisten Menschen als maßlose Schäbigkeit empfunden wird Helmut Hofmann. |