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Fehlende Rechte der Bürger


Montag, 2. September 2013

Ein ständiges Problem, insbesondere in Sachen Verkehrslärmbelastung ist der Umstand, dass den belasteten Bürgern keine Möglichkeit eingeräumt ist, um Behörden, die aufgrund der gegebenen Umstände und der Gesetzeslage verpflichtet wären Maßnamen zu ergreifen, um die Belastung der Bevölkerung zu vermindern, dies aber unterlassen, in irgend einer Form zu belangen.

Um auf diese Problematik aufmerksam zu machen, wurde an die entsprechenden Bereichssprecher aller Parlamentsklubs [Dr. Peter Wittmann (SPÖ) Mag. Bernhard Peer (ÖVP), Mag Heimo Probst (FPÖ), Dr. Marlies Meyer (Grüne) Josef Bucher (BZÖ) und Mag. Sonja Stiller (Team Stronach)] die untenstehenden Fragen gesandt.

Sehr geehrte Damen und Herrn!
Ich möchte Sie, bzw. Ihren Club um Ihre Meinung zu folgendem Problem befragen.

In Fällen wo eine Behörde aufgrund einer gegebenen Sachlage und der entsprechenden Gesetzeslage von sich aus Handlungen setzen müsste, dies aber, aus welchen Gründen auch immer unterlässt und daher ein Gesetz nicht vollzieht, besteht für die Bürger, die sich aufgrund dieses Nicht-Handelns der Behörde beschwert erachten keine Möglichkeit den Vollzug des Gesetzes bei Gericht einzuklagen oder auch nur die Vorgehensweise der Behörde überprüfen zu lassen.

Als Beispiel sei auf den "Vollzug" des §43 Abs. 2 StVO verwiesen. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Behörde verpflichtet bereits bei belästigenden Lärmwerten durch den Verkehr verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu setzen. Tatsächlich herrschen auf allen Hauptstraßen Wiens, aber auch anderer Städte Dauerschallpegel von 76dBA und mehr. Solche Werte sind schwer gesundheitsschädlich und betragen das ca. 6-fache des Grenzwertes für den vorsorglichen Gesundheitsschutz nach der WHO.

Die Behörden verteidigen ihr Nicht-Handeln in der Regel mit einer Interessensabwägung, obwohl in der entsprechenden Gesetzesstelle keine solche vorgesehen ist und daher zu unterbleiben hätte. Abgesehen davon existieren VfGH Entscheidungen die den Vorrang der Anrainerinteressen, bei denen es sich im Wesentlichen um Gesundheitsinteressen handelt, vor Verkehrsinteressen festlegen.

B123/90, B426/90 (8. Okt. 90), B778/86 800-802/86 (9. 0kt. 87) (alle Vorrang der Interessen der Anrainer vor Verkehrsinteressen), B51/76 (auch B202/76, B326/76) (21.Juni 77) (§43 Abs. 2 StVO ist weder im Hinblick auf die Eigenschaft einer Straße als Bundesstraße, noch sonst etwa in zeitlicher Hinsicht beschränkt), B931/93-12 (24. Juni 994) (auch geringe Verbesserungen für die Anrainer rechtfertigen verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach §43 Abs.2 StVO; Salzburger Busfahrverbot).

Meine Frage: Sind Sie und Ihr Club bereit eine Änderung der sehr unbefriedigenden und rechtlich sehr bedenklichen Praxis durch ein entsprechendes Gesetz herbeizuführen, das den Bürgern eine Möglichkeit bietet auch ohne Antragsrecht eine Überprüfung der Vorgehensweise der Behörden durch ein Gericht oder einen unabhängigen gerichtsähnlichen Senat zu erwirken ?

Ein weiteres für die betroffenen Bürger sehr schädigende Vorgangsweise

Ergibt sich oft aus der Tätigkeit von mit Laien besetzten Behörden, wie z.B. die Bezirksbauausschüsse nach der Wr. Bauordnung. In diese Ausschüsse können die Parteien auch grenzdebile Analphabeten entsenden, da für die Mitglieder solcher Ausschüsse keinerlei Qualifikationen, außer dem Parteibuch verlangt werden. Nicht dass ich nun den Parteien unterstelle so gehandelt zu haben, doch allein die Möglichkeit ist erschreckend genug.

Solche Ausschüsse genehmigen auch Projekte, die eindeutig im Widerspruch zum gültigen Flächenwidmungs- und Bebauungsplan stehen. So wurde z.B. beim Hotel Hilton II Danube, 1020, Handelskai 269 ein Zubau vom Bezirksbauausschuss in einem Bereich genehmigt, in dem gem. gültigen Flächenwidmungsplan die Errichtung von Gebäuden als unzulässig bezeichnet ist.

In solchen Fällen wäre ein Gesetz zum Schutz der Bürger vor Behördenwillkür nötig, dass eine Informationspflicht der Behörden über ihre Entscheidung gegenüber allen vom Projekt direkt oder indirekt betroffenen Bürgern, zumindest in einem weiteren Umgebungsbereich des geplanten Projekts vorsieht und diesen zumindest bei im Widerspruch zu bestehenden Gesetzen und Verordnungen erfolgten Genehmigungen den Bürgern ein Recht auf ein Verfahren zur Überprüfung der Genehmigung durch ein unabhängiges Gericht oder unabhängige Schiedsstelle Genehmigung einräumt.

Auch sollte überlegt werden mit Laien besetzte Behörden generell durch ein Bundesgesetz zu verbieten.

Meine Frage: Sind Sie und Ihr Club bereit in diesem Sinne aktiv zu werden?

Es wäre schön wenn ich Ihre Antwort noch vor der Wahl erhalten könnte.

mfg
Friedrich Hochmann
B.I. Handelskai

Auf mein Mail bezüglich meiner Fragen zum Vollzug von Gesetzen habe ich überraschen rasch am 4. September eine Antwort, wenngleich keine vollständige, von Herrn Mag. Peer (ÖVP-Klub) erhalten.

Sehr geehrter Herr Hochmann!

Zu Ihrem Mail betreffend Fragen zur Verfassung darf ich Ihnen als zuständiger ÖVP-Klubsekretär (aber nicht Bereichssprecher des Klubs!) kurz dahingehend antworten, dass derartige Vorschläge, das Nichthandeln von Behörden gesetzlich zu unterbinden, bereits im Zuge des Österreich Konvents diskutiert wurden, es aber auch diesbezüglich zu keinem Konsens kam. Es stellt sich insbesondere die Frage, wann ein derartiges vorgeworfenes Nichthandeln vorliegt, denn Behörden haben immer Auswirkungen von Vorhaben objektiv zu prüfen. Natürlich sieht auch gerade der von Ihnen angesprochene § 43 Abs. 2 StVO eine Interessensabwägung vor: „Bei der Erlassung solcher Verordnungen ist einerseits auf den angestrebten Zweck andererseits auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen und Verkehrserfordernisse Bedacht zu nehmen.“ Ein nicht tätig werden von Behörden wird sich daher in derartigen Fällen nicht immer als solches darstellen, sondern kann auch das Ergebnis einer derartigen Interessensabwägung sein. Diese sollte aber zukünftig den Bürgern transparent kommuniziert werden.

Bevor man – wie von Ihnen verlangt – ein derartiges Gesetz in Erwägung zieht, wird auch zu prüfen sein, ob nicht die derzeit bestehenden Instrumente, wie die Rechte als Partei in einem Verwaltungsverfahren oder die Möglichkeit, Missstände der Verwaltung an die Volksanwaltschaft heranzutragen, ausreichen.

Besten Dank für Ihre Anregungen und freundliche Grüße!
Bernhard Peer

Mag. Bernhard Peer
Klubsekretär
Parlamentsklub der Österreichischen Volkspartei
Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien
Telefon: +43 1 40110-4610
Fax: +43 1 40130-4839
bernhard.peer@oevpklub.at
www.oevpklub.at


Auf dieses Mail wurde mit dem untenstehenden Mail erwidert.

Sehr geehrter Herr Mag. Peer!

Ich danke für Ihre rasche Antwort auf mein Mail.

Aus dem von Ihnen angeführten Satz im §43 Abs. 2 StVO ( „Bei der Erlassung solcher Verordnungen ist einerseits auf den angestrebten Zweck andererseits auf die Bedeutung der Verkehrsbeziehungen und Verkehrserfordernisse Bedacht zu nehmen.“) ist wohl keine eindeutige Anweisung für eine Interessensabwägung zu entnehmen, sondern einfach eine Anweisung das jeweils gelindeste zur Erreichung des angestrebten Zieles ausreichende Mittel zu ergreifen. Wollte der Gesetzgeber eine Interessensabwägung, so hätte er das klar zum Ausdruck gebracht.
Ganz abgesehen davon, dass durch die von mir genannten VfGH-Entscheidungen eindeutig die Interessen der Anrainer Vorrang vor Verkehrsinteressen genießen sollen, auf welchen Umstand Sie leider nicht eingegangen sind

Eine transparente Information der Bürger über eine Ablehnung von Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von Bürgern mag a wünschenswert sein, allein die Schädigung der Gesundheit der Bürger, insbesondere der Anrainer der Hauptstraßen, werden dadurch nicht verringert. Der "Vollzug" des §43 Abs. 2 StVO durch Interessenabwägung, bei der zumindest in Bezug auf die Anrainer der Hauptstraßen, bei er immer die Verkehrsinteressen obsiegen, u.zw. trotz der von mir genannten VfGH Entscheidungen, die eindeutig den Vorrang der Anrainer-(Gesundheits-interessen) festlegen, schädigt durch die stark überhöhten Lärmwerte eindeutig die Gesundheit der Anrainer und führt zu hohen Gesundheitskosten und Kosten für Frühpensionierungen (Herzinfarkte)

Ihre zarte Andeutung, dass die Behörden trotz des Zulassens von schwer gesundheitsschädlichen Lärmwerten den §43 Abs. 2 StVO ordnungsgemäß vollziehen könnten, übersieht wohl die VfGH-Spruchpraxis.

Das Problem ist aber nicht allein der Vollzug der StVO durch die Behörden, sondern es besteht allgemein im Fehlen einer Klagslegitimation für Bürger die durch ein (vermeintliches) Nicht-Handeln von Behörden geschädigt werden.

Auf das zweite von mir aufgezeigte Problem sind Sie leider nicht eingegangen. Vielleicht können Sie auch dazu Stellung nehmen.

Besten Dank im Voraus
mfg
Friedrich Hochmann

Sehr rasch hat auch der Parlamentsklub des Team Stronach geantwortet. Allerdings werden darin Tatschläge erteilt, die juristisch kaum zielführend sein dürften.
Antwort auf mein Mail vom 2. Sept. eingelangt am 4. Sept.

Sehr geehrter Herr Hochmann!
Herzlichen Dank für Ihr E-Mail!
Wir bedauern Ihre unerfreuliche Situation. Im Falle eines Nicht-Handelns der Behörden, besteht für Sie als Bürger jedoch nicht die Möglichkeit dieses über Gerichte einzuklagen, allerdings können Sie sich in diesem Fall an den Verwaltungsgerichtshof mittels Individualbeschwerde wenden, da dieser bei Beschwerden betreffend die Säumigkeit von Behörden zuständig ist. Es besteht weiters die Möglichkeit sich mittels Devolutionsantrag an die zuständige Behörde der nächsten Instanz zu wenden, wenn die untergeordnete Behörde innerhalb von sechs Monaten nicht handelt.
Das Problem mit den von Ihnen angeführten VfGH-Entscheidungen ist, dass dies Einzelentscheidungen sind und in unserem Rechtssystem leider nicht auf andere Fälle angewandt bzw. nicht verallgemeinert werden können.
Wir vom Team Stronach setzten uns selbstverständlich dafür ein, dass es – im Sinne der Anrainer - zu verstärkten Maßnahmen hinsichtlich des Lärmschutzes kommt. Wir bevorzugen generell regionale, der Situation und den regionalen Gegebenheiten angepasste Regelungen, die nicht von Politikern sondern Experten, Betroffenen und den Menschen vor Ort ausgearbeitet werden. Dann steht auch einer kontrollierten Benutzung der stark befahrenen Straßen nichts im Wege.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Team Stronach

Darauf wurde wie folgt repliziert

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich danke für Ihre rasche Beantwortung meines Mails

An sich ist mir schmerzlich klar, dass ich nach der derzeitigen Rechtslage haben eine Behörde aufgrund ihres Nicht-Handelns vor Gericht zu bringen. Mir ging es darum auszuloten, wie denn die Meinung der Klubs aller im Parlament vertretenen Parteien zu diesem Thema sind.
Meines Wissens nach ist eine Individualbeschwerde an den VwGH nur möglich wenn ein Gesetz oder eine Verordnung in die Rechtssphäre des Antragsteller eingreift. Die StVO ist in erster Linie für die Verkehrsteilnehmer bestimmend, sodass kaum von einem Eingriff in die Rechtssphäre der Anrainer der Strassen gesprochen werden kann. Außerdem geht es bei der Belastung der Anrainer nicht um die StVO an sich, sondern um deren Vollzug. Für Fragen des Vollzugs dürfte aber das Recht auf eine Individualbeschwerde nicht gegeben sein.
Bezüglich eines Devolutionsantrags wäre die Voraussetzung für einen solchen, dass ein Antragsrecht auf Herausgabe eines Bescheides besteht und die Behörde sich weigert ei Entscheidungsreife der Sache eine Bescheid herauszugeben, wobei eine Frist von max. sechs Monaten besteht.

Ich möchte Sie daher bitten mir mitzuteilen, ob Ihr Klub bereit wäre für eine Änderung des unbefriedigenden und der Klientelpolitik Vorschub leistenden Situation und für die Eröffnung einer Klagsmöglichkeit für Bürger die sich durch ein Nicht-Handeln einer Behörde beschwert erachten einzutreten.

Weiters möchte ich Sie auch noch um eine Stellungnahme zu dem Problem zu bitten, dass Behörden ohne jede Fachkenntnis Bewilligungen in krassem Gegensatz zu eindeutigen Bestimmungen erteilen können, wie dies z.B. im Falle der Bezirks-Bauausschüsse nachweislich möglich ist. So wird, wie ich in meinem Mail vom 2. September 2013 erläutert, von den Mitgliedern der Bezirks-Bauausschüsse, die in der Regel von Bezirksräten beschickt werden, keinerlei Kenntnisnachweis verlangt, sodass dies auch von grenzdebilen Analphabeten beschickt werden können.

Mfg
Friedrich Hochmann