Donnerstag, 12. April 2012
Im Ö 1-Morgenjournal vom 23. 3. 2012 wurde dem erstaunten und befremdeten Hörer die Stadt Wien als Beispiel für „sauberes“, d.h. korruptionsloses Arbeiten präsentiert. Ausgerechnet Transparency International (in der Person der Vorsitzenden Eva Geiblinger) soll ihr dies bescheinigt haben. Von einem „aktiv geprüften sauberen Mitglied“ ist doch da die Rede. Da geht jedem, der selbst konkrete Fälle übelster Korruption im Dunstkreis der städtischen Verwaltung Bescheid erfahren hat, das Geimpfte auf.Was will Transparency International? Man muss dazu wissen: Transparency International bezweckt nicht die Aufdeckung und Bekämpfung einzelner Korruptionsfälle, sondern will durch Schärfung des Bewusstseins der Korruption entgegenwirken, will also bewirken, dass von oberster Stelle Korruption verurteilt und im Fall des Falles unnachsichtig verfolgt wird. So weit, so gut. Und wenn TI seinem Mitglied, der Stadt Wien – sie ist 2011 TI als Mitglied beigetreten – bescheinigt, dass sie sich im Bemühen, Korruption innerhalb ihrer Reihen auszumerzen, besonders hervorgetan habe, dann wird man nach objektiven Kriterien fragen dürfen, die dafür Evidenz geben. In diesem Zusammenhang ist die Schrift „Auf dem Weg zum Ethikmanagement, Korruptionsprävention im Wiener Magistrat", 2004 zu erwähnen. Dieser erste umfassende Versuch, einem weithin wuchernden Geschwür beizukommen, verdient zumindest deshalb lobende Erwähnung, weil damit wenigstens die öffentliche Distanzierung gegenüber einem zur Gewohnheit gewordenen Übel erfolgt ist. Daraus abzuleiten, dass damit Korruption im Dunstkreis der Stadt Wien aufgehört hat zu sein, wäre naiv. Eher wäre zu hinterfragen, welche Signale gesetzt werden, wenn Absichtserklärungen zu Erfüllungshandlungen umgedeutet werden, wenn der erklärte Wille, Korruption zu bekämpfen, mit wirksamen Einrichtungen zur Korruptionsverhinderung verwechselt wird. So, wie die Dinge nun in den Medien dargestellt werden, entsteht der fatale Eindruck, TI habe zumindest einen erkennbaren Rückgang der Korruption im Dunstkreis der Stadt Wien festgestellt. Fatal vor allem für TI, weil alle, die es anders wissen – und das sind nicht gerade wenige - voll Zweifel fragen, wieso sich Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung Transparency International verbunden fühle. Aktiv geprüft? Stutzig wird man bei einem Ausdruck wie „aktiv geprüft“. Wer hat da geprüft? Wohl nicht TI, wie man beim ersten Augenschein annehmen würde. Diese Organisation hat ja gar nicht die rechtlichen und personellen Möglichkeiten für eine aktive Prüfung. Da kann also nur eine Prüfung durch die dazu befugten Organe gemeint sein, insbesondere das Kontrollamt der Stadt Wien. Dem ergeht es ähnlich wie dem Rechnungshof: es prüft Jahre im nachhinein, stellt fest, hat keinerlei Sanktionsmöglichkeiten und kann schon gar nicht in „frische“ Fälle eingreifen, was alleine von durchschlagender generalpräventiver Wirkung wäre. Das Etikett „aktiv geprüft“ sagt also genau so viel aus wie „biologisch kontrollierter Anbau“, wenn nicht auch fest steht, dass die Prüfung laufend und durch ein unabhängiges, außenstehendes Gremium erfolgt. Korruption ist ein weiter Begriff Korruption reicht über die Beeinflussung von Beamten, bei gewissen Unzukömmlichkeiten wegzuschauen, d.h. ihrer gesetzlichen Kontrollpflicht – natürlich unter Verweis auf die Unzumutbarkeit, mit der unzulänglichen personellen Ausstattung täglich nachzusehen – nicht nachzukommen und die Anzeige grober Verfehlungen der Zivilgesellschaft zu überlassen, die nach Absolvierung des Vater-leih-ma-d’Scher-Spieles in der Regel resigniert aufgibt, bis zur „Nachhilfe“ bei geradezu penetranter Nichterledigung von Ansuchen, verbunden mit der Jammerei über private, mit hohen Ausgaben verbundene Tätigkeiten des zuständigen Beamten. Und wenn jemand, der zähneknirschend, um sein Ziel, in das er bereits viel Geld investiert hat, zu erreichen, das Verlangte zahlt und den Nehmer sodann anzeigt, dann hat er zunächst selbst einmal seine Bestrafung in Kauf zu nehmen, ohne sicher zu sein, dass auch der Nehmer bestraft werden würde. Strafloses Anfüttern Auch Anfüttern gibt es, auch das wurde bislang von TI als Korruption eingestuft. Wie so etwas läuft, ohne strafbar zu werden: zuerst erkundigt man sich bei einem „Gewährsmann“, ob und mit welchem Betrag einem ein bestimmten Beamter gewogen wird. Sodann erweist man sich ihm gegenüber „großzügig“, schätzt seinen verdienstvollen Einsatz für sein Amt – alles derzeit nicht strafbar. Später sondiert man dann bei diesem Beamten, welche Chancen ein konkretes Ansuchen hätte und ob er einen dabei beraten könne. Kann er es, dann weiß man auch, wie das Ansuchen lauten muss. Dieses wird natürlich völlig korrekt und ohne dass auch nur das Geringste nachweisbar wäre, erledigt. Mitunter, selten genug, in einer Art und Weise, der zuzustimmen sich nicht einmal die Bauoberbehörde überwinden kann. Dann muss eben „repariert“ werden, wobei natürlich wieder die Grenzen nach allen Richtungen ausgelotet werden. Anrainer haben, wenn sie nicht überhaupt als Parteien durch miese Tricks ausgeschaltet werden, im Igel und Hase-Spiel immer die Rolle des Hasen. Oder es kommt ein „Wink“ von oben, besser gesagt ein „Durchwinken“ eines von höchster Hand protegierten Vorhabens. Dann muss der Beamte eine Begründung für eine ungesetzliche Entscheidung finden, sei sie auch noch so unhaltbar. Die Berufungsinstanzen werden schon wissen, was sie zu tun haben. Korruption hat viele Gesichter. Geldkuverts waren gestern. Kein Korruptionsbewusstsein? Könnte es sein, dass die Korruption ein derartiges Maß erreicht hat, dass das Bewusstsein für die Rechtswidrigkeit abhanden gekommen ist und das, was tagaus, tagein geschieht, überhaupt nicht mehr als Korruption wahrgenommen wird? Gewisse Verhaltensweisen – siehe U-Ausschuss – lassen derartiges befürchten. Wie ist es zu sehen, wenn ein Beamter die Erledigung eines Ansuchens, die er mangels entsprechender EDV-Unterstützung „zu Fuß“ vornehmen muss, nicht vor Ablauf von 6 Monaten signalisiert, es sei denn, man zahle ihm einen bestimmten Betrag, damit er das zu Erledigende in seiner Freizeit mit Hilfe eines von ihm selbst entwickelten EDV-Programms innerhalb weniger Minuten effektuieren könne? Solche Leistungen in der „Grauzone“ werden ganz offiziell, ohne Scham oder Heimlichkeit offeriert. Vielleicht nicht strafbar, aber „sauber“? Hat nicht der Herr Bürgermeister persönlich gemeint, wenn er alle Beamten, die nicht korrekt arbeiten würden, entfernen würde, dann müsste die magistratische Verwaltung zur Hälfte geleert werden? Da fragt sich wirklich, welche Kriterien dafür maßgeblich sind, dass ein „Mitglied“ als „sauber“ gilt. Das Vorhandensein eines seitenlangen Verhaltenskodex alleine, an den sich viele nicht halten, kann es wohl nicht sein, es sei denn, seine Einhaltung unterläge einer permanenten und effizienten Prüfung, mit rigorosen Maßnahmen gegen alle, die dagegen verstoßen, und mit einer Belohnung derjenigen, die solche Verstöße unverzüglich anzeigen – etwa durch eine faire Auftragsvergabe. Aber bei solchen Vorschlägen wird unser Herr Bürgermeister in seiner jovial-abkanzelnden Art sicher wieder ein paar Haare in der Suppe finden, an denen er sich aus dem Sumpf zu ziehen versucht. Helmut Hofmann Aufgeschnappt Beitrag |