AKT!ON 21

Offener Brief an Stadtrat Rudolf Schicker


Dienstag, 13. März 2007 bis Montag, 12. März 2007

Offener Brief an Stadtrat Rudolf Schicker: Wider die Gestaltungspolitik der Stadt Wien!

Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien, und Peter Noever, Direktor MAK, kritisieren vehement den inakzeptablen Umgang der Stadt Wien mit Kunstprojekten für den öffentlichen Raum und mit deren engagierten Initiatoren. Hinter der Zustimmung durch Stadtrat Rudolf Schicker, so fordern sie, muss in Zukunft eine realistische Absicht stehen. Bast und Noever protestieren gegen die sinnlose Zermürbungstaktik der Stadtverwaltung und fordern im Offenen Brief "Wien ist die Geschmacksdiktatur der Bürokraten!" den politischen Willen zur Transparenz bei der Förderung von Kunstinitiativen.

Der Offene Brief "Wien ist die Geschmacksdiktatur der Bürokraten!" im Wortlaut:

WIEN IST DIE GESCHMACKSDIKTATUR DER BÜROKRATEN!

Wien ist wenn international renommierte Designer und Künstler in Gestaltungsentscheidungen ignoriert und übergangen werden! Wien ist wenn Bürokraten darüber entscheiden, was schön ist! Wien ist wenn außergewöhnliche Architekten Wettbewerbe gewinnen und gefällige Architekten bauen dürfen! Wien ist wenn Kräfte, die die Stadt nach vorne bringen könnten, ausgegrenzt werden. Wien ist wenn alles Künstlerische bezweifelt werden darf, nicht aber die Unfehlbarkeit der Stadtpolitik! Wien ist wenn Gestaltungsentscheidungen ohne nachvollziehbare Grundlagen getroffen werden! Wien ist wenn der Bildungsauftrag von Museen und Universitäten hintergangen wird! Wien ist wenn ambitionierte Kunstprojekte in den Mühlen der Stadtverwaltung zerrieben werden! Wien ist wenn mit monarchistischer Selbstgefälligkeit über wichtige künstlerische Projekte hinweggegangen wird! Wien ist wenn Kunstinstitutionen Kitsch vor die Nase gestellt wird!

Sehr geehrter Herr Stadtrat Schicker,

das MAK und die Universität für angewandte Kunst haben Ihnen Projekte für Gestaltung und Beleuchtung ihres Außenraums präsentiert. Internationale Designer und Künstler wurden dazu ausgewählt. Die Beleuchtungsprojekte werten die Ringstraße auf und schaffen die dringend nötige Verbindungsachse zwischen dem Neubauareal Wien Mitte und dem tatsächlichen Stadtzentrum. Sie haben diesen Projekten zugestimmt und Ihre Unterstützung zugesagt. Die zuständigen Magistratsabteilungen wollen nun davon nichts wissen und lehnen es ab, weiter darüber zu verhandeln. Stattdessen werden dem MAK und der Universität für angewandte Kunst kitschige Reproduktionen von alten Straßenlaternen vor die Türe gestellt, ohne Diskussion, ohne Argumente. Einfach so. In guter alter Tradition. Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, weil dieses Vorgehen Methode hat! Künstler und Kultureinrichtungen legen Projekte vor, denen vorgeblich zugestimmt wird. Dann sorgt man dafür, dass sie in der Magistratsbürokratie aufgerieben werden, indem sich keiner mehr zuständig fühlt. Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, weil die Stadt es immer schon so gemacht hat mit ihren kreativen Kräften. Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, weil wir gegen die systematische Ausgrenzung der Kreativität protestieren!

Gerald Bast, Rektor Universität für angewandte Kunst

Peter Noever, Direktor MAK

Kommentar

Das Maß ist voll

Wien ist, wenn Entscheidungen immer wieder an den Betroffenen vorbei in eitler Abgehobenheit gefällt werden, aus Gründen, die nachzuvollziehen nicht allzu schwer fallen dürfte.
Vorgestern war es die lakonische Mitteilung von der Schließung der Landstraßer Markthalle, gestern es der Aufschrei der Angewandten Kunst, heute ist es die patzige Präferenz des brutalen Sängerknabenprojektes vor dem sanfteren des Filmarchivs.
Mit dem Übermut eines Überdrüberkapitalisten.
Vor soviel sozialer Demut beugt der reuige Wiener sein Knie, streut Asche auf sein Haupt und betet: "Herr, vergib mir, Dich gewählt zu haben!"

Helmut Hofmann
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