Freitag, 30. Dezember 2011
In der Bundesregierung macht sich Ratlosigkeit breit. Die EU fordert eine Schuldenbremse in der Verfassung. Die Opposition spielt nicht mit, lässt sich nicht billig kaufen. Was tun? Reaktion 1: auf die böse Opposition schimpfen. Reaktion 2: der ursprünglich angedachten Augenauswischerei eine noch größere (einfaches Bundesgesetz) folgen lassen. Reaktion 3: Nix tun.Reaktion 3 wird es nicht spielen können, der Druck der EU wird immer größer. Reaktion 2 wird bei der EU kaum positiv aufgenommen werden, bringt also auch nichts. Reaktion 1 hat schon statt gefunden; Kanzler und Vizekanzler sind beim Versuch, das Oppositionsverhalten kabarettistisch zu begleiten, als auch auf diesem Gebiet dilettierend kläglich gescheitert. Staatsmännisches Verhalten sieht anders aus; papageienhaftes Nachplappern von Wortspenden führender Europapolitiker(innen) begründet noch lange keine Glaubwürdigkeit. Warum nicht Volksabstimmung? Die Chance für einen partizipativen Dialog hatte es vor einigen Jahren mit dem Verfassungskonvent gegeben. Sie wurde jammervoll vertan. Verdienstvoll wäre es, wenn sich die Regierung wenigstens jetzt dazu durchringen könnte, über eine Verfassungsänderung, die eine grundsätzlich geänderte Budgeterstellung mit sich bringen würde, das Volk abstimmen zu lassen. Ernst zu nehmende Verfassungsrechtler stehen ohnedies auf der Standpunkt, dass jede einschneidende Verfassungsänderung im Zusammenwirken mit den zahlreichen, in den letzten Jahrzehnten beschlossenen Verfassungsbestimmungen zu einer Gesamtänderung der Verfassung führen würde, die zwingend einer Volksabstimmung zu unterwerfen wäre. So originell also ist die Idee auch wieder nicht, die Bevölkerung über das finanzielle Schicksal des Staates entscheiden zu lassen. Sie zeigt eher, wie notwendig dies wäre, um das Staatsschiff aus der fatalen Sackgasse heraus zu führen, in das sie die Regierungen der letzten 40 Jahre immer tiefer hineinmanövriert haben. Dummheit oder Verbrechen Auch wenn sich die Regierung noch so partizipationsresistent zeigt, am Volk wird sie nicht vorbeikommen. Entweder sie greift zum Mittel der Volksabstimmung oder sie riskiert Protestbewegungen à la Tahiaplatz, Wallstreet, Athen oder Moskau, Bewegungen, die imstande sind, auch die mächtigsten Regierungen hinwegzufegen. Zu glauben, dass Österreich das gallische Dorf sein könnte, in dem solches nicht möglich sei, wäre ein Verbrechen, das mit Dummheit alleine nicht entschuldbar sein würde. Langsam dämmert es den Verantwortlichen, dass es ein in die Verfassung geschriebenes Hinauszögern der Schuldenbremse bis 2017 (!) nicht geben wird. Langsam dämmert es ihnen, dass mit einem den Maastricht-Kriterien entsprechenden Budget ehestens, das heißt spätestens 2013 begonnen werden muss. Denn ohne wirksame Schuldenbremse droht – EU-Regeln hin, EU-Regeln her, die Griechenlandisierung Österreichs. Eine Schulden-Notbremse wäre mit beträchtlichen Einkommensverlusten auch minderbemittelter Schichten verbunden. Das übersteht keine Regierung ungestraft. Wer sich in einer derartigen Notsituation immer noch an einer Volksabstimmung vorbeimogeln will – für eine breit angelegte Bürgerbeteiligung ist es leider zu spät – , ist nicht zu retten. Helmut Hofmann Aufgeschnappt Beitrag |