Mittwoch, 31. August 2011
Eine vom Ausland finanzierte Vereinigung will inmitten einer in Transdanubien gelegenen ruhigen Wohnsiedlung ein großes, nach Meinung vieler Anwohner nicht raumverträgliches Begegnungszentrum bauen. Eine Bürgerinitiative will erwirken, dass ihre Interessen an der Wahrung der vorhandenen Siedlungsstruktur berücksichtigt werden.Da sie nicht gehört wird, will sie sich das Gehör mit einer öffentlichen Demonstration schaffen. Diese läuft, weil es sich um ein kommunalpolitisch höchst explosives Thema handelt, nicht ohne Einmischung extremer (partei)politischer Gruppen ab. Die Bürgerinitiative, weiß mangels Erfahrung nicht, wie sie darauf richtig reagieren soll. Sie hat insbesondere keinen Einfluss darauf, dass ihre Demo auch für „Hasspredigten“ gegen Ausländer missbraucht wird. So weit, so übel. Zwei Wochen später brennt an einem anderen Ort ein Migranten-Wohnheim. Rechtsextreme stehen im Verdacht, den Brand gelegt zu haben. So weit, so noch übler. Ein Nationalratsabgeordneter ereifert sich daraufhin, die Bürgerinitiative habe „den Boden für schwerkriminelle Hassaktionen aufbereitet“. In einer Aussendung der GRÜNEN vom 14.07.2010 kann man schwarz auf weiß lesen: Der FPÖ und der Bürgerinitiative Rappgasse wirft Öllinger vor, den Boden für schwer kriminelle Hassaktionen wie die Brandanschläge in Floridsdorf aufbereitet zu haben. Öllinger: „Es ist ziemlich offensichtlich, dass die neonazistisch motivierten Brandanschläge in Floridsdorf ...in einem Zusammenhang mit den Aktionen und der Demonstration gegen ein islamisches Kulturzentrum stehen. Die Nazi-Skins...sind jetzt zur Tat geschritten. Daraufhin klagen ihn nicht der FPÖ zugehörige Sprecherinnen und Sprecher der Bürgerinitiative wegen Rufschädigung und erhalten vom Gericht – nein, nicht Recht, sondern eine Abfuhr. Mit folgender – hier summarisch dargestellter – Begründung:
Seltsame Rechtsauffassung des Gerichtes In der Rechtsansicht, der zufolge politische Kritik zu dulden sei, folgt das Gericht dem OGH, der sich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zum Thema Meinungsfreiheit. angeschlossen hat. Auch die Ansicht des Gerichts, dass politische Kritik an Bürgerinitiativen, die am politischen Diskurs teilnehmen, zuzulassen sei, ist im Grundsätzlichen richtig. Dennoch birgt die Entscheidung für die Zivilgesellschaft manche Fragezeichen. Nicht folgen kann man bei objektiver Betrachtung des Sachverhalts dem Gericht, wenn es feststellt, es handle sich nicht um eine unwahre Tatsachenbehauptung. „Es ist offensichtlich, dass die...Brandanschläge im Zusammenhang mit ...der Demonstration...stehen“ bedeutet doch nicht mehr und nicht weniger, als dass ein Zusammenhang zwischen den Brandanschlägen und der Demonstration der Bürgerinitiative besteht. Da dies als „offensichtlich“ bezeichnet wird, bedarf es nach Meinung Öllingers gar keines Beweises (und dies, obwohl zum Zeitpunkt dieser Äußerung noch nicht erwiesen war, wer diese Brandanschläge überhaupt ausgeführt hatte). Dass mit dieser Behauptung eines Zusammenhanges zwischen Demo und Brand die Bürgerinitiative und nicht nur die FPÖ gemeint gewesen war, geht aus dem einleitenden Satz „Der FPÖ und der Bürgerinitiative Rappgasse wirft Öllinger vor, den Boden für schwer kriminelle Hassaktionen wie die Brandanschläge in Floridsdorf aufbereitet zu haben“ klar hervor. Bleibt nur noch zu klären, was mit dem Ausdruck „Zusammenhang“ gemeint ist, ob ein realer oder vielleicht nur ein ideeller, fiktiver gemeint gewesen ist. In dieser Frage helfen die Feststellungen des Erstgerichts weiter, denen zufolge „sich die Kläger mit den zur Kundgebung der Bürgerinitiative...erschienenen Angehörigen der rechtsradikalen Szene ausgetauscht haben“. Ohne näher zu spezifizieren, worüber sie sich „ausgetauscht“ hätten, kann aus dieser Diktion jedenfalls abgeleitet werden, dass nach Meinung des Gerichts der „Zusammenhang“ mit Rechtsradikalen ein realer gewesen sein muss. (Bemerkenswert ist allerdings, dass die Beweisaufnahme kein einziges Wort über die Art und Weise eines solchen „Austauschs“ enthält und das Gericht damit von einem unbewiesenen Sachverhalt ausgegangen ist). Fazit: es handelt sich eindeutig um eine Tatsachenbehauptung des Inhalts, dass ein realer Zusammenhang zwischen den Brandanschlägen und der Demonstration der Bürgerinitiative besteht und dass Öllinger die Richtigkeit dieser Tatsachenbehauptung hätte unter Beweis stellen müssen. Gewundene Erklärungen Das Gericht versucht in gewundenen Erklärungen abzuleugnen, dass es sich um unbewiesene Unterstellungen Öllingers gehandelt hat:„...kein Vorwurf, die Kläger hätten an strafbaren Handlungen mitgewirkt oder dazu aufgefordert, sondern als politisch kritische Betrachtung und Analyse der Folgen des politischen Handelns der BI des Inhalts, dass diese an den „schwer kriminellen Hassaktionen“ und den Brandanschlägen eine politische und moralische Mitverantwortung träfe“. Dabei verkennt das Gericht die Tragweite solcher Versuche. Einer Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern, denen bei nüchterner Betrachtung der Dinge nichts anderes zur Last gelegt werden kann, als friedlich gegen ein ihrer Meinung nach raumunverträgliches Projekt zu demonstrieren, wird die politische und moralische, wenn auch nicht gerichtlich strafbare Mitverantwortung an einem mit dieser Demonstration in keinerlei tatsächlichem Zusammenhang stehenden Verbrechen zugeschoben. Beängstigende Folgen Diese unsägliche Art der Denunzierung von Bürgerinitiativen aus durchsichtigen parteipolitischen Motiven war bislang nur von anderen politischen Gruppierungen unrühmlich bekannt. Dass sich nun auch ein prominenter Vertreter der Grünen aus demselben Holz geschnitzt entpuppt ist enttäuschend, von ihm hätte man sich etwas mehr Sensitivität gegenüber der Zivilgesellschaft erwartet. Nach der (immer noch) geltenden Praxis der Staatsanwaltschaft müssen die Mitglieder der Bürgerinitiative sogar froh sein, nicht – wie die Tierschützer – aufgrund bloßer Verdächtigungen als kriminelle Vereinigung im Sinne des § 278 Strafgesetz (bekannt unter der Bezeichnung „Mafiaparagraf“) belangt, in U-Haft genommen und angeklagt zu werden. Vielleicht haben sie diese „Ausnahme“ nur dem Umstand zu verdanken, dass sie – politisch – von der „richtigeren“ Seite vereinnahmt worden sind. Das ist ja das eigentlich Groteske, aber auch Beunruhigende an der Sache: Rechtsfindung bedeutet nicht, dass das geltende Recht richtig angewendet, sondern einer bestimmten politischen Meinung der Entscheidungsträger entsprechend ausgelegt wird. Die „Rechtsausleger“ bekommen so jene Bedeutung, die diesem Begriff im Boxsport zukommt. Zu Boden gehen dabei die Bürger und ihre Rechte. Beängstigend ist aber – auch im Licht anderer unverständlicher Verhaltensweisen der Justiz – die Tatsache, dass ein Gericht diese Vorgangsweise rechtens findet und der Zivilgesellschaft Dinge zumutet, die jeden Politiker, jede Partei sofort veranlassen würden, den Urheber solcher Denunzierungen augenblicklich um eine Zurücknahme und Entschuldigung aufzufordern. Es wäre nicht das erste Mal, dass diesbezügliche Klagen gegen Angehörige von Bürgerinitiativen erwogen, angedroht und auch eingebracht wurden. Auf welcher Seite Gerichte in einem solchen Fall zu stehen pflegen, ist bekannt: auf der Seite der Stärkeren. Solcherart sollte man sich nicht darüber wundern, wenn dem Bürger eines Tages der Kragen platzt. Du bist eine BI, wir sind eine BI – warum sagn’s zu dir rechtsradikal? Tatsache ist, dass sich die Bürgerinitiative nicht aus „Rechtsradikalen“ (was immer man darunter versteht) zusammensetzt. Das ist aus dem (Sprengel-)Wahlergebnis vergangener Bezirksvertretungswahlen gut ablesbar, kann aber auch zu jedem (jeder) Einzelnen, die sich zu der BI bekannt hat, individuell nachvollzogen werden. Tatsache ist weiters, dass die BI die Aufmerksamkeit der Baubehörde auf konsenswidrige Bauausführungen lenken musste und die Reaktion darauf anfänglich zu wünschen übrig ließ. Tatsache ist demnach einmal mehr, dass ein Aufschrei der Zivilgesellschaft und die Einschaltung der Volksanwaltschaft notwendig waren, um geltendes Recht gegen undurchsichtige Begünstigungen durchzusetzen. Es ist nicht einzusehen, warum man solche Initiativen, die in Wien zum traurigen Alltag gehören, nur deshalb in die Nähe des „Rechtsradikalismus“ stellt, weil sie sich einmal ausnahmsweise nicht gegen einen inländischen Bauträger oder Sponsor, sondern gegen eine fremdstaatliche Gemeinschaft richtet. Tatsache ist auch, dass die Sprecherin dieser BI aufgrund massiver persönlicher Drohungen aus ihrer angestammten Wohnung wegziehen musste. Eine Zivilgesellschaft, in der öffentliches Engagement so „belohnt“ wird, ist nicht die, für deren Verwirklichung wir uns einsetzen. Wahnsinn mit Methode Warum aber, fragt man sich, warum werden für ihre legitimen Interessen eintretende Bürgerinnen und Bürger von Politikern dermaßen untergriffig denunziert? Ich gehöre selbst einer BI an, die noch heute, nach mehr als 10 Jahren, völlig grundlos im Geruch der FPÖ-Nähe steht, weil Ihr Anliegen damals von der FPÖ vehement (und, wenn auch viel dezenter, von den Grünen) unterstützt worden war. Dieser „Makel“ blieb selbst dann an ihr haften, als Vertreter der SPÖ der mit ihr identen Lokalen Agenda 21-Gruppe zum Thema Markthalle vorwarfen, die Geschäfte der ÖVP und der Grünen zu besorgen. Schizophrenie heißt das Zauberwort, mit dem man solche Haltungen erklären könnte. Doch dieser Wahnsinn hat Methode, wie seinerzeit in der causa Waldheim: irgendetwas wird schon hängen bleiben und solcherart nicht nur die Entscheidungen von Höchstgerichten und Volksanwälten beeinflussen, sondern – natürlich unausgesprochen – der Herabsetzung einer legitimen, ganz und gar nicht parteipolitisch orientierten Bürgerinitiative und damit ihres Anliegens dienen. Nicht umsonst gilt rufschädigendes Verleumden als Rufmord. Wie man einen Meuchelmord nicht zurücknehmen kann, so kann man auch einen Rufmord nicht ungeschehen machen – wenn man es überhaupt will. Schlussfolgerungen für Bürgerinitiativen
Keine politische Partei ist davor gefeit, Bürgerinnen und Bürger zu diffamieren, statt auf sie zu hören, wenn sie ihrer Anliegen wegen auf die Straße gehen. Es lässt tief blicken, wie ernst es politische Parteien mit Bürgerbeteiligung meinen und wie unsensibel sie mit diesem Instrument umgehen, wenn der Blick auf die Tatsachen von Ideologien verschleiert wird. HH/10.05.11 Aufgeschnappt Beitrag |