Freitag, 22. Juli 2011
Ein wunderschönes Ensemble, seit über 100 Jahren im Dienste der Öffentlichkeit! Droht nun die Zerstörung?Das Otto-Wagner-Spital am Steinhof mit der berühmten Kirche ist ein einzigartiges Bau- aber auch sozialpolitisches Denkmal, ein Denkmal einer sozialen Haltung und menschenfreundlichen Einstellung psychisch Kranken gegenüber. Artikel zur Geschichte der Steinhof-Anlage Das Otto-Wagner-Spital am Steinhof mit der berühmten Kirche ist ein einzigartiges Bau- aber auch sozialpolitisches Denkmal, ein Denkmal einer sozialen Haltung und menschenfreundlichen Einstellung psychisch Kranken gegenüber. Ende des 19. Jahrhunderts tauchte mit dem rasanten Wachstum Wiens ein weiteres Problem auf. Die Anstalten für Geisteskranke waren heillos überfüllt. Gleichzeitig damit gab es auch einen Wandel in der Einstellung zu diesen Menschen. Statt Narren wurden in ihnen psychisch Kranke gesehen. Ziel war nun eine menschenwürdige Unterbringung mit Pflege und Beschäftigungstherapien. Eine nach diesen Prinzipien errichtete Musteranlage entstand in Mauer-Öhling bei Amstetten. Gestalter und tatkräftige Organisator war Carlo von Boog, Oberbaurat im niederösterreichischen Landesbauamt. Mauer-Öhling, Verwaltungsgebäude 1902 wurde der Bau einer Anlage im Westen Wiens beschlossen. Wien war damals noch ein Teil Niederösterreichs. Um Spekulationen vorzubeugen schafften die Behörden eine Meisterleistung. Der Ankauf von 144 ha Land von 110 verschiedenen Besitzern wurde von nur zwei Beamten innerhalb einer Woche durchgeführt! Es waren die sogenannten Spiegelgründe am südlichen Abhang des Gallizinberges. Treibende Kraft war der Landesausschussreferent Leopold Steiner, der spätere erste Landeshauptmann von Niederösterreich. Plan des Otto-Wagner-Spital und Pflegezentrum (Steinhof) Carlo von Boog wurde aufgrund seiner Erfolge in Mauer-Öhling mit Planung und Bauleitung betraut. Der in seiner Abteilung entstandene Plan („Beamtenentwurf“) enthielt bereits alle bis heute bestehenden Elemente: eine Mittelachse mit Gemeinschaftseinrichtungen, links und rechts davon ein System an Pavillons, ein Sanatorium im Westen, Wirtschaftsgebäude im Osten und eine Landwirtschaft im Norden. Der Plan der Anlage wurde von Otto Wagner überarbeitet und künstlerisch verfeinert. Die Bauplanung und Baudurchführung war faszinierend effizient. Steine wurden nahe der Loiblstraße gebrochen, das heutige große Schutzhaus Rosenthal war eine Schotterquetsche, das gesamte Material rollte in Wägen gebremst auf einer leicht abfallenden Bahntrasse Richtung Baustelle. Materialbahn mit Bremsern auf den Steinhofgründen Der Weg hinter dem Schutzhaus in die Steinhofgründe folgt noch dem Verlauf dieser Trasse. Bis in die 60 er Jahre wurde dieses Schienennetz zur Versorgung aller Pavillons genutzt. Zum Transport von Ziegel und anderem Baumaterial wurde eine Bahnverbindung zur Vorortelinie hergestellt. Die dazu nötigen Schienen und Schwellen wurden gebraucht gekauft und nachher wieder verkauft. Diese ökonomisch und ökologisch schlauen Konzepte aus der Zeit Luegers können uns heute als Vorbild dienen. Nach 2 ½ Jahren Bauzeit wurde die Anlage 1907 eröffnet. Sie war die fortschrittlichste in ihrer Art in ganz Europa. Landschaft, Organisation, Architektur und Nutzung waren hier zu einer hervorragenden Einheit verschmolzen. Pavillons im Westteil der Anlage Danach diente die Anlage für viele Jahrzehnte als Pflegeanstalt für psychisch Kranke und als Lungenheilstätte. Das Konzept psychosoziale Versorgung hat sich nun erneut gewandelt, weg von der zentralen Unterbringung zur Reintegration in die Gesellschaft. Das hatte natürlich Konsequenzen für die Nutzung des Ensembles. Zuerst wurde die Landwirtschaft aufgelassen. Die so freigewordene Fläche der „Steinhofgründe“ war sofort Objekt von Spekulationen. Die Stadt Wien plante dort Ende der siebziger Jahre die Errichtung einer exklusiven Wohnsiedlung. Das führte zu einem wütenden Protest der Bevölkerung. Das Ergebnis einer Volksbefragung schob diesen Gelüsten einen Riegel vor. Seither ist dieses Gelände ein wunderschönes und von der Bevölkerung viel genutztes Erholungsgebiet. Erinnerungstafel in den Steinhofgründen, nahe dem Eingang bei der Feuerwehr Das aktuelle Wiener Krankenhaus-Konzept sieht nun die Reduktion des Spitals auf den westlichen Teil vor. Der Ostteil wird somit frei. Statt dort andere soziale Einrichtungen anzusiedeln um die Nutzung für öffentliche Wohlfahrt zu wahren wird dieser Bereich sofort wieder Ziel von Spekulationen (siehe oben). Ohne jede öffentliche Debatte wurde ein Teil des Areals an die GESIBA verkauft, dort sollen 600 Wohnungen entstehen. Ein weiteres Grundstück wurde der VAMED zum Bau eines Rehab- und Wellnesszentrum übergeben. Und dort wird bereits abgerissen, siehe Titelfoto. All diese Beschlüsse und Ziele sind fernab der Bevölkerung gefasst worden, als hätten die Verantwortlichen wieder Angst vor dem Bürgerzorn. Daher ist derzeit nur wenig bekannt. Die Vorgangsweise hat Methode. In den letzten Jahren werden von der Stadt Wien laufend wertvollste Grundstücke und Ensembles in schönster Lage an Private verscherbelt, der Bevölkerung entzogen und der Luxusnutzung zugeführt. Kurhaus Der Wiener Naturschutzbund schrieb bereits im Juni 2009 in den Wiener Naturschutz-Nachrichten: „Unter dem Deckmantel „Gesundheit und Soziales" entwickelt der Krankenanstaltenverbund die finanzielle Ausschlachtung der historisch gewachsenen Areale des Krankenhauses Hietzing samt Rosenhügel, Otto Wagner Spital, Geriatriezentrum Liesing ... inzwischen lauter exklusive Lagen mit viel Platz und viel Grün ... Eine Vermarktung von öffentlichem Eigentum mit solchem Freiraum in Richtung Immobilien für Betuchte und Wohnexklaven wäre das Letzte im Sinne unseres schwer erkämpften sozialen Wertesystems. ... Es mag ja sein, dass bestimmte Nutzungen in der Medizin oder im Sozialwesen hier nicht mehr optimal umsetzbar sind. Aber es gäbe genügend Bedarf bei anderen öffentlichen Institutionen und Einrichtungen, die zweckmäßigerweise hier ihren Standort finden könnten. Priorität müssten jedoch die am Ort entwickelten Strukturen der sozialen Wohlfahrt weiterhin haben." Die folgende Aussage wird Otto Wagner zugesprochen: „Für die Ärmsten das Schönste!“ Der offenbar vorgesehene Verkauf des ganzen Ostteils der Steinhofanlage würde dieses Ensemble todsicher zerstören. Private Investoren brauchen zu verbauende Kubatur um saftige Erträge zu erzielen. Wenn nötig werden dafür sämtliche Denkmal- und Schutzämter weichgeklopft. Wieder soll die Bevölkerung um ein wunderschönes Stück Wiens enteignet werden. Wieder soll in einem ruhigen Naherholungsgebiet ein Verkehrserreger gesetzt werden. Daher regt sich erneut Widerstand gegen die Absichten der Stadtregierung. Unter Anderen hat sich eine „Initiative Steinhof“ gebildet in der auch ich mitarbeite. Die Initiative Steinhof versteht sich als Plattform initiativer Bürgerinnen und Bürger. Sie ist keiner Partei verpflichtet. Sie fordert:
Kontakt: E-Mail: steinhof@gmx.at Briefpost: Initiative Steinhof, c/o Club International, Payergasse 14, 1160 Wien Internet: http://www.aktion21.at/themen/index.html?menu=183 Karl Melber (aus Kordon-Nachrichten Nr.19) |