Montag, 11. Juli 2011
Gesundheitsminister Stöger meint im Interview: (Standard, 9./10. Juli 2011) auf den Einwurf von Peter Mayer, es gelänge der SPÖ nicht zu vermitteln, dass sich viele nicht einbrächten und nur in den Zuschauerrängen säßen: „Es gelingt allen nicht. Wir merken oft, dass geraunzt wird, aber nur wenige sich einbringen wollen. Da ist man zu autoritätshörig.“Zwei Tage zuvor, in der Ausgabe vom 7. Juli 2011, setzt sich der Geologe und Konrad-Lorenz-Preisträger Josef Lueger mit der „Infrastruktur des Drüberfahrens“ auseinander und meint, dass die von der Regierung angepeilte „Vereinfachung“ des Berufungsverfahrens bei Großbauprojekten weder umwelt- noch rechtsstaatverträglich sei. Er schließt mit dem Satz: „Was die Regierung den arglosen Österreichern verkaufen will, ist eine Mogelpackung. Kratzt man an der Hülle aus wohlklingenden Worten und blumigen Phrasen, tritt ihr Kern ans Licht. Und der heißt „Drüberfahren“ – auch um den Preis der Rechtsstaatlichkeit und Umweltverträglichkeit.“ Auf derselben Seite (31) meint Barbara Coudenhove-Kalergi zu den Demonstrationen in Spanien und Griechenland: „Aber bis jetzt haben die beobachtenden Journalisten noch keine Lösungen entdeckt, die in die Zukunft führen und einen Ausweg aus der Krise weisen. Wie sollten sie auch, wenn selbst die klügsten Experten aller Lager ratlos scheinen?“ Wie reimt sich das zusammen? Die Antwort ist einfach für diejenigen, die das Ohr auf der Schiene haben und hören, was auf uns zukommt. Zum einen, Herr Minister Stöger: es sind gar viele – und sie werden von Tag zu Tag mehr - , die sich einbringen wollen. Man lässt sie nur nicht. Im Gegenteil, man beschneidet - siehe die „Vereinfachung“ der Bürgerrechte bei Großbauvorhaben -das Wenige, ohnedies Unzulängliche noch mehr. Als reute es die Obrigkeit längst, Bürgerinitiativen ein (ohnedies nur formelles) Mitspracherecht eingeräumt zu haben, dessen Ausübung, gleich ob sinnvoll oder nicht, in jedem Fall als Verfahrensverschleppung denunziert wird. Was hält die Bürger zurück? Wundert es bei den Erfahrungen, die sinnvoll sich einbringen wollende Bürgerinnen und Bürger machen mussten, dass Frustration um sich greift, dass man kostbare Lebenszeit, Energien und Geld nicht opfern will, wenn die Erfahrung lehrt, dass alles vergeblich ist, dass die Behörden stur wie Panzer den ihr von der Politik vorgegebenen Weg des Drüberfahrens einschlagen und gerade einmal so viel „Rücksicht“ üben, dass sie sicher sein können, dem Verwaltungsgerichtshof keine Handhabe für die Aufhebung eines Bescheides zu geben? Eines Verwaltungsgerichtshofes, dessen Mitglieder sie ohnedies auf ihrer Seite wissen, wie ja mitunter eigenartige, dafür aber inappellable Fehlentscheidungen bestätigen? Es ist, wie Umfragen bestätigt haben, keine strukturelle Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit oder gar Autoritätshörigkeit der Bevölkerung, die den einzelnen davon abhält sich einzubringen. Es ist vielmehr die Erfahrung, dass man sich damit nur die Feindschaft der Obrigkeit bis hin zu Repressalien einhandelt, ganz so, wie es der Politologe Gehmacher in einem nicht öffentlichen Schulungspapier des Renner-Institutes den angehenden SP-Funktionären in der Abwehr der „irregulären Opposition“ (so hatte er damals die aufmuckende Bevölkerung tituliert) empfohlen hatte: Druck ausüben. Rechtsstaatgefährdung - keine Neuigkeit Wenn nun ein Warner von einem Angriff auf den Rechtsstaat spricht, dann hat er noch nie vom Augartenspitz gehört oder gelesen. Wiederholt wurde an dieser Stelle darauf hingewiesen, wie hier höchste Organe unserer Republik den Rechtsstaat regelrecht vorführen und uns bedeuten, dass dubiose Investoren“rechte“ vor Öffentlichkeitsrecht gehen und sich die Zivilgesellschaft brausen gehen kann, wenn das Kapital anschafft, Recht her, Recht hin – im wahrsten Sinn des Wortes. Die weitere Aushöhlung des Rechtsstaates ist nur die Folge dessen, dass die bisherigen Verstöße ungeahndet und unbeachtet über die Bühne gehen durften. Spät, aber immerhin dennoch, wachen nun auch andere auf und zeigen, wohin wir kommen, wenn wir mit dem Rechtsstaat weiterhin so schlampig umgehen. Lippenbekenntnis zur Partizipation Die SPÖ, die vordergründig sehr vollmundig für eine Erweiterung der Bürgerrechte eintritt (Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung hat das vom ehemaligen Bundesvorsitzenden schriftlich) – will dann, wenn es „ans Eingemachte“ geht, nichts, aber auch schon gar nichts davon wissen. Höchstens von einer Farce, bei der man ahnungslose Bürgerinnen und Bürger missbraucht, um sich nach Abhaltung einer „Alibibeteiligung“ großer Bürgernähe berühmen zu können. Wer’s glaubt, wird selig. Dass, wie Frau Coudenhove-Calerghi schreibt, die beobachtenden Journalisten noch keine Lösungen entdeckt hätten, die in die Zukunft führten und einen Ausweg aus der Krise wiesen, kann wohl nur für jene zutreffen, denen Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung noch immer ein Buch mit 7 Siegeln ist. Sonst wüssten sie schon lange, dass die Problemlösung nur in einer Einbindung der Bürgerinnen und Bürger als den wahren Experten bestehen kann, wie es ja die von der UNO verabschiedete Agenda 21 klar und deutlich darlegt. Nur das beharrliche Vorbeisehen, das klammheimliche Torpedieren jeder wirksamen Partizipation, das wirksame Behindern jedes noch so schwachen Beteiligungspflänzchens führt dazu, dass viele beteiligungswillige Bürgerinnen und Bürger keine Ahnung haben, wo und wie sie sich einbringen könnten. Wozu Beteiligung? Wer nicht will, dass die Bevölkerung eingebunden wird, hat zumeist die schwächeren Argumente und fürchtet die stärkeren der Bürgerschaft. Die Argumentationsschwäche hat ihre Ursache darin, dass man nur Teile der Wahrheit offen legen will. Die ganze Wahrheit offen legen hieße aber, Geldflüsse offen zu legen, die bei der Bevölkerung nicht gut ankommen. Auf ihr beruhende Entscheidungen wären nicht mehrheitsfähig. Daher werden Abgeordnete unter Klubzwang vergattert, für etwas zu stimmen, das sie nicht mit ihrem Gewissen, geschweige denn mit dem Wählerauftrag in Einklang bringen können. Eine gut funktionierende begleitende Bürgerbeteiligung könnte vor allem bei Großprojekten dazu dienen, dass die Planung und Abwicklung transparenter wäre, dass katastrophale Fehler vermeidbar wären und dass sinnloser Geldvergeudung und dubiosen Geldflüssen ein wirksamer Riegel vorgeschoben werden könnte. Die dabei erzielten Ersparnisse gingen in die Euromilliarden. Eine Bevölkerung, deren Gürtel die Regierenden immer enger schnallen müssen, um ihr ein griechisches Schicksal zu ersparen, wird irgendwann, vielleicht sehr bald, nicht mehr ruhig zu stellen sein. Ein Blick nach Athen, Madrid oder Paris sollte den Verantwortlichen zu denken geben, falls sie dazu überhaupt noch fähig sein sollten. Hallo aufwachen! Wenn das Kind einmal im Brunnen liegt, wird es zu spät sein werden auch die Bürgerinnen und Bürger keinen anderen Ausweg mehr weisen können als den der Bestrafung der Schuldigen. Trotzdem werden wir, die Bevölkerung, die Zeche bezahlen müssen. H.Hofmann |