Donnerstag, 30. Juni 2011
Wen der Mut verlassen hat, ein in jeder Hinsicht höchst zweifelhaftes Projekt durchzuwinken, der (oder besser gesagt die) flüchtet in eine „Befragung“ des Volkes. Diese wird allerdings so inszeniert, dass das gewünschte Ergebnis womöglich schon von vorneherein feststeht. Dazu ist jedes undemokratische Mittel Recht. Allerdings wird die Rechnung mitunter ohne den Wirt - im Fall der Schule Geblergasse ohne die Schüler - gemachtDie Vorgeschichte: die Bezirksvorstehung hat eine Befragung der „betroffenen Bevölkerung“ inszeniert. Betroffen waren nach Ansicht der Bezirksvorsteherin Pfeffer die Bewohner in einem Umkreis von 300 zum geplanten Garagenstandort, dem baumbewachsenen Hof einer Schule. Die am meisten davon Betroffenen, die Lehrer und Schüler der Schule, wurden von der Befragung ausgeschlossen. Man ahnte ja, wie die abstimmen würden. Um auf Nummer sicher zu gehen, wurde die Befragung quasi im Alleingang, ohne Rückkoppelung mit der Bürgerinitiative angesetzt und durchgeführt. Dementsprechend sah sie aus: die Einwände der Initiative und der Schüler wurden totgeschwiegen, das Projekt schöngeredet und obendrein mit unglaubwürdigsten Behauptungen wie z. B. einer 150%igen Überparkung des Straßenraums gerechtfertigt. Den Gipfel der Unverfrorenheit aber stellten die an die Befragten versandten Stimmzettel dar: sie waren mit einem Strichcode versehen, der die Empfänger nicht sicher sein ließ, ob die Obrigkeit daraus auf ihr Stimmverhalten schließen könnte. Ein Faustschlag ins Gesicht des geheimen Wahlrechts, der vermuten lässt, dass sich parteitreue Genossen oder sonst von der Obrigkeit Abhängige gar nicht getrauten, sich der Stimme zu enthalten oder gar gegen die Garage zu stimmen. Der Ostblock mit seinen zweifelhaften „volksdemokratischen“ Methoden lässt grüßen, auch noch nach 22 Jahren. Was viele nicht wissen: die Durchführung von Befragungen wie dieser über Ja oder Nein zu einer Garage ist nirgends verbindlich geregelt. Das Ergebnis ist, auch wenn vorher von der Bezirksvorsteherin erklärt wurde, sie werde sich daran halten, völlig unverbindlich. Beim Bacherpark wurden die Regeln für die Durchführung in einer Mediation aller Beteiligten verbindlich festgelegt und die verbindliche Anerkennung des Ergebnisses vereinbart. Ähnlich war es bei der Taborstraße und beim Luegerplatz, obwohl dort schon unter dem Druck der Garagenbefürworter demokratiepolitisch bedenkliche Elemente durchgesetzt wurden. Immerhin aber wurde über das Prozedere eine Einigung erzielt und die Nachvollziehbarkeit aller Schritte (zumindest verbal) gewährleistet. Bemerkenswert: der Kreis der Befragten wurde über die Bewohner hinaus auf Handelsketten, Einzelkaufleute, Anwälte, Ärzte usw. mit der Begründung erweitert, sie seien von dem Garagenprojekt ebenso betroffen wie die Wohnbevölkerung. Was für den Luegerplatz Recht ist, sollte für die Geblergasse billig sein. Nur hat man dort erst gar keinen Konsens über die Befragungsmodalitäten gesucht, sondern diese von oben herab einfach diktiert. Den Kreis der Betroffenen hat man zurück- und die eigene Argumentation vom Luegerplatz ad absurdum geführt. Der Rücklauf der an die Bewohner verteilten Stimmzettel ergab 1131 Pro-Stimmen und 850 Kontra-Stimmen – bei einer nicht gerade berauschenden Beteiligungsquote von 33%. Ein klares Votum für die Garage? Mitnichten. Auch die Lehrer und Schüler haben eine Befragung durchgeführt, demokratischer übrigens als ihre „Vorbilder“. Wenn man das einseitige Befragungsdiktat der Bezirksvorsteherin als demokratiepolitisch irrelevant verwirft und stattdessen den Wohnbevölkerungsstimmen die Lehrer/Schülerstimmen hinzufügt, dann ergibt dies 1390 Kontrastimmen und 1145 Prostimmen. Das und nichts anderes wird jeder, der auch nur einen Funken von Demokratieverständnis aufbringt, als Befragungsergebnis ansehen. Natürlich ist auch dieses Ergebnis nicht verbindlich, es ist lediglich eine Orientierungshilfe. Wer sie ablehnt, muss für die Folgen seines Handelns einstehen. Es sieht nicht danach aus, als würden sich die Schüler, als würde sich die Zivilbevölkerung mit einer auf einem zurechtfrisierten Resultat beruhenden Entscheidung abfinden. Zu groß ist der aufgestaute Zorn über die Missachtung der primitivsten demokratischen Rechte unter den jungen, dafür besonders empfindlichen Menschen. Die Enthüllungen der Kronenzeitung über die Hintergründe der Akteure sind ja auch nicht gerade dazu angetan, das Vertrauen in die Projektbefürworter zu festigen und die Wut einzudämmen. Ein Blick über den Tellerrand der an der Oberfläche noch heilen österreichischen Welt sollte zum Umdenken genügen, bevor das Kind im Brunnen liegt. Und wenn das nichts helfen sollte, gibt nicht die Demontage der Patronin des ganzen Garagendesasters durch ihre eigenen Parteifreunden einigen Anlass zu diesem Umdenken, Frau Pfeffer? Der Grat zwischen parteinützlichem und parteischädigendem Verhalten ist manchmal schmal, sehr schmal... H. Hofmann |