AKT!ON 21

Wien war einmal ein guter Boden für Fußballer


Montag, 4. April 2011


"Wiener Fußballschule" war einst ein internationaler Begriff für hohe Spielkultur. Die dafür nötige Balltechnik mussten sich die jungen Kicker schon aneignen, ehe sie zu einem Verein gingen, auf den Straßen und Gstätten Wiens. Diese Freiräume gingen mit der Zeit verloren und damit auch die Grundausbildung.


Das legendäre Wunderteam war berühmt für sein "Scheiberlspiel" (gekonntes Flachpassspiel). Verbandskapitän Hugo Meisl konnte noch aus dem Vollen schöpfen. Unzählige erstklassige Kicker standen zur Auswahl, die alle in ihrer Jugend dem Fetzenlaberl nachjagten.

Jene erfolgreiche Mannschaft, welche Jahre später bei der WM 1954 in der Schweiz den ausgezeichneten 3. Platz erreichte, setzte sich ebenfalls großteils aus Wienern zusammen. Aus den Torhütern Kurt Schmied (Vienna) und Walter Zeman (Rapid) sowie den Feldspielern Ernst Happel, Gerhard Hanappi, Robert Dienst und den Körner-Brüdern (alle Rapid), Ernst Ocwirk, Karl Stotz und Ernst Stojaspal (alle Austria) und dem Wackerianer Turl Wagner. Klingende Namen, die allesamt als Straßenfußballer begannen.

Auch die Siegesserie der sogenannten Decker-Ära wurde von Wiener Nationalspielern getragen. Etwa von Hans Buzek (Vienna), Erich Hof (Sportclub), Horst Nemec (Austria) und Rudi Flögel (Rapid), um nur einige der bekanntesten Akteure zu nennen.

Viele Fußballfreunde werden sich noch an die Wiener Stammspieler der "Cordoba-Generation" (1978) erinnern. An Franz Hasil, Hans Krankl, "Schneckerl" Prohaska, Robert Sara, Erich Obermayer, Edi Krieger und Willy Kreuz. Die in den Nachkriegsjahren in Wien aufgewachsenen Kicker-Legenden legten alle beim freien Fußballspielen die Basis für ihre internationalen Karrieren.

Das bescheidene Freizeitangebot der Wiener Betonkäfige nehmen fast nur mehr Gastarbeiterkinder an. Von der heutigen Generation ist der türkischstämmige Ex-Rapidler Ümit Korkmaz der einzige, der es vom "Käfigkicker" bis zum Nationalspieler brachte. Der Wiener Korkmaz versuchte sein Glück beim deutschen Bundesligisten Eintracht Frankfurt, wo er sich allerdings nicht durchsetzen konnte. Heute verdingt er sich beim VfL Bochum in der 2. Liga.

Der Wiener Kickerjugend fehlt keineswegs das Talent, sondern vielmehr die Freiräume, wo das Talent in Bewegung erprobt werden kann. PolitikerInnen können mit dem Begriff "Freiraum" wenig anfangen. In Anträgen zu Änderungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ist immer öfter von "höherwertiger Nutzung" die Rede, von der dann aber nicht die Jugend profitiert, sondern irgendwelche Spekulanten.

In Deutschland hat man längst erkannt, dass auch der vereinsunabhängige Fußball gefördert werden muss. Die Bolzplatz-Offensive ist das Ergebnis eines nationalen Schulterschlusses zwischen dem Deutschen Fußballbund, Kommunen und der Sportartikelindustrie.

Michael Jungwirth
PRO HEILIGENSTADT