Sonntag, 19. September 2010
Der Vorsitzende der GdG-KMSfB (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten Kunst, Medien, Sport, freie Berufe), Christian Meidlinger, bezog zu "Vorwürfen einer Bürgerinitiative“, wie er die öffentliche Anklage einer Plattform von rund 60 Wiener Bürgerinitiativen – nicht ganz unpolemisch – bezeichnet, Stellung. Sie macht aufrechte Demokraten ziemlich ratlos. Für den Gedanken der Gewerkschaft ist Herrn Meidlingers Stellungnahme keine Werbung, sonst würde sie mit Anschuldigungen gegen unzählige Bürgerinnen und Bürger, davon nicht wenige Mitglieder jener Gewerkschaft, deren Funktionär er ist, etwas differenzierter umgehen. So etwa, wenn den Bürgerinitiativen unterstellt wird, „aus Ärger über missliebige Bauprojekte ungerechtfertigte Anschuldigungen gegen die Beschäftigten des Wiener Magistrats zu erheben“. Herr Meidlinger hat anscheinend nicht mitbekommen, dass sich der Ärger nicht gegen missliebige Bauprojekte richtete, sondern gegen Widmungspraktiken der Stadt Wien, die eine Schande für jedes demokratische Gemeinwesen und eine Verhöhnung der Bürgerinnen und Bürger darstellen. Auch hat offenbar nicht mitbekommen, dass sich der Unmut nicht gegen „die Beschäftigten des Wiener Magistrats“ richtet, sondern gegen eine Politik, die diese Verhöhnung fördert, statt auf ihre Abhilfe zu dringen. Nicht die nicht erhobenen Anschuldigungen sind billige Polemik, sondern die unwahre Behauptung, solche Anschuldigungen seien erhoben worden. Aber solche Polemik hat ja schon vorher Herr Stadtrat Schicker besorgt. Es geht weiter: „Aber auch im Eifer des Gefechts sollte man die Grundregeln einer fairen Diskussion beachten", sagte Meidlinger. Anschuldigungen, MitarbeiterInnen des Magistrats würden Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern zur Flächenwidmung "ungelesen entsorgen" oder "die Zahl eingelangter Stellungnahmen manipulieren" seien jenseits berechtigter Kritik. Es lässt tief blicken, wenn ausgerechnet ein Gewerkschaftsfunktionär die – von wem immer vorgenommene - Zählung von über 600 Stellungnahmen als eine einzige als unberechtigte Kritik zurückweist. Eine grundlegend demokratisch organisierte Vereinigung wie eine funktionierende Gewerkschaft sollte gerade solchen Reduzierungen gegenüber eine ganz besondere Sensibilität entwickeln. Es sei denn, sie nähert sich in ihrer Denkweise jenen (glücklicherweise außereuropäischen) Staaten, in denen solche Zählweisen zum traurigen Wahlalltag zählen. Auch sollte Herr Meidlinger nicht die Attitüde des Planungsstadtrates übernehmen, Bürgerinitiativen Äußerungen in den Mund zu legen, die sie nicht getan haben. Niemand von uns hat Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Magistrats beschuldigt, Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern zur Flächenwidmung "ungelesen zu entsorgen". Gerade ein Funktionär der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten sollte zwischen selbständigem Handeln von Beamten im eigenen Wirkungsbereich einerseits und weisungsgebundenem Handeln andererseits unterscheiden können. Herr Meidlinger meint schließlich: "Bürgerinitiativen kann man nur dazu raten, sich nicht vor fremde politische Karren spannen zu lassen. Politischen Fraktionen, die angesichts der Wahlprognosen kleinmütig werden, würde es besser anstehen, mit offenem Visier in die politische Arena zu treten." Dieser Aussage können wir vollinhaltlich beipflichten. Nicht beipflichten können wir Herrn Meidlinger hinsichtlich des Zusammenhanges, in welchen er diese Aussage gestellt hat. Es ist ja drollig, wie sich er kleine Maxi Bürgerinitiativen vorstellt. Die dümpeln da im Irgendwo vor sich hin und warten darauf, sich von irgendjemandem – von wem denn wohl? – „vor den „Karren spannen“ zu lassen. Weiß der Klein-Maxi überhaupt, wovon er redet? Weiß er, was Bürgerinitiativen sind (außer er meint das seltsame Konstrukt, das in diversen Umweltverträglichkeitsprüfungs-Gesetzen zum Spielball juristischer Spitzfindigkeiten geworden ist, nachdem mehrere kleine Politiker-Maxis recht unbedarft versucht hatten, es mittels einer sehr unzulänglichen Definition dingfest zu machen)? Man stelle sich vor: da sind hunderte, ja oft tausende Bürgerinnen und Bürger, die mit einem noch gesunden Gespür für Transparenz und Anstand gegen eine ihnen aufoktroyierte Ungeheuerlichkeit protestieren, nicht unter dem Mantel der Anonymität, nein, mit vollem Namen und Anschrift und mit einer glasklaren Willensäußerung – und dann unterstellt ihnen ausgerechnet ein Gewerkschaftsfunktionär, sie würden sich vor irgendeine Karren spannen lassen! Vielleicht denkt er an die jämmerlichen Versuche einer politischen Partei, so eine UVP-Bürgerinitiative mit 200 Unterschriften gegen das Zentralbahnhofsprojekt (oder wie immer es heißen mag) zustande zu bringen und solcherart Bürgerinnen und Bürger vor den Karren einer Partei zu spannen. Damit hat Aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung freilich wenig zu tun, weil für Parteipolitik welcher Art auch immer in ihren Reihen kein Platz ist. Deshalb verschweigt uns Klein-Maxi auch geflissentlich, wen er mit dem „fremden politischen Karren“ meint. Und seinen wohlgemeinten Ratschlag an „politische Fraktionen, die angesichts der Wahlprognosen kleinmütig werden“, sollte er besser an die Adresse derer richten, die er damit konkret meint und damit seinen eigenen Rat befolgen, „mit offenem Visier in die politische Arena zu treten“. Sich beim wahlkampftösenden Hindreschen auf politische Mitbewerber hinter dem Rücken von Bürgerinitiativen zu verstecken, ist nämlich ein ganz mieser Stil, der den nach BAWAG & Co. ohnedies um ihr Image kämpfenden Gewerkschaften in der Bevölkerung, aus der sich die Bürgerinitiativen rekrutieren, nicht gerade die dringend nötigen Sympathien eintragen wird. Aber wir Gewerkschafter – die Angehörigen der uns angeschlossenen Bürgerinitiativen sind ja – mit wenigen Ausnahmen - gewerkschaftlich organisiert, laden den Herrn Gewerkschaftsfunktionär Christian Meidlinger gerne ein, sich mit uns über die Fragen, die er in seiner OTS-Aussendung angeschnitten hat, „mit offenem Visier“ zu unterhalten. Vorausgesetzt, dass auch er bereit ist, offen auszusprechen, was ihm an seinen Wählerinnen und Wählern missfällt, was er von ihnen an Änderungsbereitschaft wünscht und – natürlich auch vice versa. Helmut Hofmann
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