AKT!ON 21

23., Umweltinitiative Wienerwald


Montag, 6. Mai 2013

Wir sind gegen das Gemeinnützige“ Wahnbau-Projekt Waldmühle Rodaun (ehemaliges Zementwerk Perlmoser/La Farge)

Zementindustrie-Vergangenheit – verbaute Zukunft...


Seit September 2012 wird das ehemalige Zementwerk Perlmoser Lafarge Rodaun mittels Raupenfahrzeugen mit Bohrmeiseln durch die Firma Prajo (Firmenmotto „Wir schaffen Freiräume“...) abgebrochen, zerkleinert und riesige Metallteile werden für die Wiederverwertung per LKW abtransportiert. Besonders aufwendig war die Entsorgung von einem asbesthältigen Eternit-Hallendach. Ob sich noch andere gefährliche Giftstoffe im Boden des Zementindustrieareals befinden, konnte oder wollte auf schriftliche Anfrage bisher weder Lafarge noch die involvierten gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften beantworten.

Lafarge – weltweit führende Baustoffgruppe – mit Sitz der Zentrale in Wien 6. Bezirk, Gumpendorferstrasse, bestehend aus 3 Gesellschaften: Lafarge Perlmoser GmbH (Zementdivision), Lafarge Beton GmbH (Division Beton und Zuschlagstoffe), Lafarge Gips GmbH, Niederlassung Österreich (Gips Division); Firmenphilosophie: „250 Mitarbeiter sorgen dafür, dass mit Lafarge Zement Bauvorhaben in ganz Österreich verwirklicht werden.“
Lafarge hat sich durch den Verkauf der alten Industrieanlage aus der Verantwortung genommen, denn die Abbruch- und Entsorgungskosten von veranschlagten 4 Millionen EURO tragen die gemeinnützigen BauträgerInnen. Es kann auch angenommen werden, dass Lafarge bei dem geplanten Wohnbauprojekt durch große Mengen an zu liefernden Zement, Beton, Gips wieder mitverdienen wird und vor allem eine hohes Interesse an der Umsetzung hat.

Ein Rückblick: Ohne Öffentlichkeit wurden am 29.4.2009 Kaufverträge mit dem „Österreichischen Siedlungswerk“ Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft (1080) www.oesw.at,
Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (1010) und GWB-Nord Ost Gemeinnützige Wohnbau- und Baubetreuungsgesellschaft (St. Pölten) abgeschlossen. Das Zementwerksareal wurde mit der Flächenwidmung Gewerbegebiet/Bauland angekauft. Erst am 18.12.2009 wurde der Flächenwidmungsplan mit einer Mehrheit von SPÖ und ÖVP im Wiener Gemeinderat zu Wohngebiet/Bauland umgewidmet (GRÜNE waren dagegen) . Aber die Waldmühle Rodaun Errichtungs- und Verwertungsgesellschaft mbH gab es in geltender Rechtsform seit 27.3.2009. Diese umstrittene Umwidmung wurde von der Wiener Umweltanwaltschaft nur zur Kenntnis genommen, da eine Wohnbesiedelung einer Verbesserung gleich käme (argumentiert wurde mit einer vielleicht sonst drohenden Industrieanlage). Von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig gab es auch keine Einwände. Frühere Gemeinderatsbeschlüsse wurden ignoriert, wie etwa die Grünlanddeklaration vom 24.6.1986 oder die 10 Punkte für mehr Wohnen, Arbeiten und Grün in Wien bis 2010, dafür wurde in der selben Gemeinderatssitzung ein Klimaschutzprogramm beschlossen. Massive Verkehrszunahme durch überdimensionierte Wohnanlagen an ungeeigneten Standorten schien kein Thema für die beschließenden PRO-Wohnbau-MandatarInnen zu sein.

Das WAHNBAU Projekt Waldmühle Rodaun

Warum der Begriff „Wahnbau“? Dazu ist eine ausführlichere Argumentation erforderlich, da es für viele Menschen unverständlich ist gegen ein Wohnprojekt zu sein. Obwohl unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit (ohne großzügige Wohnbauförderung würde dieses Projekt voraussichtlich nicht gebaut werden) potentiellen WohnungswerberInnen glaubhaft versichert wird. es würde sich durch und durch um ein ökologisches Wohnprojekt handeln, sieht die Realität anders aus. Bereits der Abbruch wird als ökologisch verträglich bezeichnet, da Beton vor Ort wiederverwertet werden soll (bisher nicht geschehen) und Material wird mit LKWs abtransportiert (die bestehende Bahnstrecke bleibt ungenutzt). In der Projektwerbung wird der Begriff Ökologie für die Schaffung eines angeblich 12.000 m² großen Parks mit Bepflanzung nur im Wienerwald vorkommender Bäume eher missbraucht. Denn statt einer monströsen Wohnsiedlung mit vielleicht 1.200 – 1.500 BewohnerInnen hätte nach der Ressourcenausbeutung ein Wald aufgeforstet werden können. Das wäre ökologischer, klimafreundlicher gewesen. So tritt der verständliche Wunsch nach qualitativem Wohnraum in Konkurrenz mit naturbelassenem Naherholungsraum. Als gewagtes Unternehmen könnte sich die Bebauung mit „gemeinnützigen“ Villen auf einer ehemaligen Halde bzw. eines Schuttkegels erweisen. Oberhalb dieser inzwischen kahlgeschlägerten Fläche befindet sich eine Oberflächenquelle, die einen kleinen See hätte speichern können, wenn es nicht überhöhte Verbauungspläne gäbe. Besonders bei Starkregen kann es hier zu Unterspülungen, wenn nicht sogar Überschwemmungen kommen (durch den Klimawandel, den solche Projekte durch provozierte Verkehrszunahme noch vorantreiben, ist verstärkt mit Extremwetterlagen zu rechnen. Hangabrutschungen im Bereich der ehemaligen Brauereigründe in Liesing beim EKZ Riverside zeigen die Grenzen von zügelloser, großflächiger Verbauung an ungeeigneten Stellen auf. Was die Planer bei der Projektierung anscheinend nicht berücksichtigt haben: durch die spezielle Tallage mit dem aufgelassenen Steinbruch Fischerwiese gegenüber kommt es bei Verkehrsaufkommen zu einer regelrechten Lärmbeschallung sicher für die obergeschossigen Wohnungen. Zusätzlich führt über das künftige Wohngebiet eine Hauptfluglinie, die leider auch den Erholungswert des gesamten Gebietes zu bestimmten Zeiten ebenso durch Lärm beeinträchtigt. Wer also hier baut will möglichst viel Betonkubatur unter Anstandsdachbegrünung verstecken und erweitert das Stadtgebiet um den Preis von echtem Freiraumverlustes. Mindestens 25.000 m² wurden per Umwidmung privatisiert und sind grundsätzlich nicht mehr für die Allgemeinheit zugänglich.

Bedrohter Natur- und Naherholungsraum

Im Kaltenleutgebener Tal hat sich durch alte, aufgelassene Steinbrüche und eben keine Besiedelungsnutzung ein interessanter Natur- und Naherholungsraum entwickelt. Auf einigen versteckten Pfaden kommt ein/e vorsichtige/r, Natur schätzende/r BesucherIn an geschützten Pflanzen vorbei. Es gibt teilweise urwaldähnliche Zonen, da dort vielleicht aus Gründen der Unrentabilität nicht gnadenlos „durchforstet“ worden ist. Besonders erlebenswert und schützenswert vor kommerziellen Interessen ist der aufgelassene Steinbruch Fischerwiese mit einem Wasserbiotop. An dessen Rand und bestimmten Schuttzonen haben sich verschiedene Froschlurche (z.B. Wechselkröten und die europaweit geschützte Gelbbauchunke) und Schlangen angesiedelt. Im Sommer besucht diesen wunderschön gelegenen See regelmäßig ein Schwalbenschwarm. Dieses Gebiet soll in das Landschaftschutzgebiet Teufelstein eingebunden werden. Aber ist das Schutz genug für den Ansturm aus der geplanten gemeinnützigen Wohnsiedlung?

Logisch ÖKO

Die ProjektbetreiberInnen sehen nicht nur die Infragestellung der Verbauung nicht ein, sondern verwenden den Naturraum als „ökologische“ Werbung. Es werden aber keine autolosen BewohnerInnen gesucht, denn „natürlich“ werden je Wohneinheit auch dem entsprechend Garagen- und Parkplätze eingeplant. Ökologisch Bauen heißt Umwelteinflüsse, Wechselwirkungen, Rückkoppelungseffekte einzubeziehen – das ist mehr als in diesem Fall Größenordung und Augenmaß ökonomisch zu rechtfertigen. Ökologisch wirken heißt auch Wahlmöglichkeiten aufzuzeigen oder auch Vorhaben zu unterlassen. Warum gab es keine öffentliche Diskussion über alternative Wohnanlagen und vor allem nie einen Architektenwettbewerb?
Viele Ungereimtheiten, Widersprüche, Überheblichkeiten, einige Tatbestände – in der Zusammenschau ist es verständlich: überdimensionierter auch gemeinnütziger Wohnbau am falschen Platz mit einem „ÖKO-Mascherl“ ist ein Wahnsinn. Deshalb „Wahnbau-Projekt“!

Siehe auch den Beitrag im Anhang

Für die Initiative Wienerwald
Klaus Wechselberger
klaus.wechselberger@ams.at
Links zu diesem Thema