Dienstag, 13. November 2007
Eine Veranstaltung der ÖVP WienZusammenfassung der wesentlichen Textpassagen Impulsreferate und Stellungnahmen aus dem Auditorium Hellmut Hofmann, aktion21 – pro Bürgerbeteiligung: Was heißt „aktion 21 – pro Bürgerbeteiligung“? Der weltweite UNO-Gipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg hat im „Aufruf von Johannesburg“ nach dem ersten Jahrzehnt der 1993 beschlossenen „Agenda 21“ (21 steht für das Jahrhundert) ein Jahrzehnt der „Local Action 21“ als ein „Vorwärts von der Agenda zum Handeln“ als Strategie zur beschleunigten Umsetzung zukunftsbeständiger Entwicklung ausgerufen. Was versteht aktion21 unter Bürgerbeteiligung? Wir verstehen unter Bürgerbeteiligung die Einbindung der betroffenen Bevölkerung in die Planung und Entwicklung lokaler und kommunaler Projekte. Betroffen ist, wer sich betroffen fühlt. Dies sollte jeder Bürger, jede Bürgerin selbst bestimmen können. Beschränkung auf kommunale Projekte deshalb, weil sich Bürgerbeteiligung zunächst in der Praxis lokaler und kommunaler Projekte bewähren sollte, bevor man sie auf die ungleich breitere regionale oder gar nationale Ebene hebt. Warum Bürgerbeteiligung? Die Gründe dafür heißen: Intelligenz, Transparenz, Resonanz, Akzeleranz und Akzeptanz: • Intelligenz: Verzicht auf kollektive Intelligenz, ein wissenschaftlicher Begriff, kann sich als schwerer Fehler erweisen. Viele Unternehmen halten Marktforschung und damit die kollektive Intelligenz für unverzichtbar und lassen sich das auch viel kosten. • Transparenz: Umfassende, ehrliche Information, zu der auch ehrliche Antworten auf berechtigte Fragen gehören, räumt den sonst immer im Raum stehenden Verdacht aus, es ginge etwas mit unrechten Dingen zu, noch dazu wenn es nicht vernünftig argumentiert werden kann. • Resonanz: In den Planungsprozess eingebundene Bürgerinnen und Bürger führen eher zu einer positiven Resonanz in der Öffentlichkeit. Negative Resonanz in der medialen Öffentlichkeit schadet, positive Resonanz nützt dem Projekt. • Akzeleranz: Bürgerbeteiligung kann zwar im Frühstadium zu Projektverzögerungen führen. Dem gegenüber begründet sie eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass in der Umsetzungsphase nicht mit verzögernden, störenden und sogar gefährdenden Widerständen zu rechnen ist. • Akzeptanz: Breite Akzeptanz schon in der Verwirklichungsphase gibt dem Vorhaben wesentlich bessere Startchancen und bedeutet eine wesentliche Hilfe bei seiner kommerziellen Auswertung. Wie soll Bürgerbeteiligung aussehen? Wie die gute FEE – frühzeitig – ehrlich – ergebnisoffen: • Frühzeitig: Information der Betroffenen nicht erst, wenn eine ausgearbeitete Planung vorliegt, sondern im „Ideenstadium“, also so lange noch überlegt werden können, ohne dass dem ein bereits getätigter beträchtlicher. Aufwand entgegensteht. • Ehrlich: volle und wahrheitsgetreue Information über das gesamte Vorhaben, über alle Beweggründe und über seine Auswirkungen, über die Realisierungsmöglichkeiten und über die Pro- und Kontraargumente zu den angedachten Alternativen. • Ergebnisoffen: Bereitschaft, das angedachte Projekt oder die angedachte Projektvariante einer ehrlichen und unvoreingenommenen Abwägung gegenüber Alternativvorschlägen zum Projekt oder zu Projektdetails zugänglich zu machen Mittel der direkten Demokratie Partizipative Demokratie als notwendige Ergänzung der repräsentativen Demokratie ist nicht auf Konfrontation, sondern auf Kooperation abgestellt. Befragung oder Abstimmung sollten – vielleicht als durchsetzbares Recht einer qualifizierten Abgeordnetenminderheit - im Rahmen der partizipativen Demokratie nur ausnahmsweise und nur dann eingesetzt werden, wenn eine konsensuale Lösung an einer unüberbrückbaren, grundsätzlichen Polarisierung scheitert. 19,17 Cornelia Ehmayer, Stadtpsychologin, stellte einen Mangel an präventiven Beteiligungsverfahren fest. Es wären andere Methoden für eine Form der Stadtentwicklung gefragt, die nicht auf Gegebenheiten basiert und eine Begegnung auf derselben Augenhöhe ermöglicht. Wenn es aber die Lokale Agenda21 nicht gäbe, wären wir mit politischen Entscheidungen konfrontiert, bei welchen der Zeitpunkt der Einbindung der Bevölkerung von der Politik bestimmt werde. Die Agenda21 habe überdies den Vorteil, dass Ideen von der Bevölkerung ausgehen können. Es ist dies die einzige Form, die so etwas ermöglicht. Allerdings: es wird nichts gebaut, man sieht nichts, wenn sich über die LA 21 neue urbane soziale Netzwerke in der Stadt bilden, die auch der Gesundheit zuträglich sind. Allerdings bilden sich solche Netzwerke nicht von alleine, es bedarf professionell ausgebildeter Moderatoren. Es fehlt die Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen. In der Stadt sind neue Methoden des Zusammenlebens üblich geworden. Daher sind in der Stadt neue Methoden zur gesellschaftlichen Veränderung notwendig. Die Selbstcharakteristik von Menschen, die an der Agenda21 teilnehmen lautet: zielstrebig, kontaktfreudig, willensstark, interessiert am Umfeld, ehrenamtlich engagiert. 19,28 Seethaler, Architekt, erläutert anhand der Planung des Kabelwerk-Areals (Teil eines sozialen Wohnbauprojekts der Stadt Wien, weg vom Blockraster zu anderen Strukturen in einem sehr heterogenen Umfeld) die Vorteile von Bürgerbeteiligung anhand von 5 Punkten: Es wurde viel Informationspolitik gemacht. 1.: Bürgermitbeteiligung bringt dem Bauträger Freiheit von Einsprüchen: beschleunigtes Verfahren, Anrainer fühlen sich als Mitbewohner, Reaktion auf die Bedürfnisse der Umgebung. 2. Kulturelle Zwischennutzung: keine Leerstehung, alte Hallen wurden Gruppen zur Verfügung übergeben: 500.000 Besucher in 5 Jahren, Vermeidung von Vandalismus, frühzeitiges und effektives Standortmarketing, Basis für spätere Nutzungsvielfalt 3. Kooperativer Planungsprozess 4. neue städtebauliche Instrumente: keine „Siedlung“ (nebeneinander), sondern Stadt bauen (miteinander) 5. Gebietsbetreuung: Vermögen, aus dem Projekt ein Optimum herauszuholen. Erfordert jedoch eine genaue Planung der Mitbeteiligung. 3 Jahre nach Flächenwidmung war die Planung abgeschlossen. Ergebnis: Durchwegung, Architektur um den Platz herum, Festlegung der „maximalen Kubatur“ und einer darüber hinausgehenden Bonuskubatur (für gemeinnützige Einrichtungen); im Sockelgeschoß alles, nur nicht Wohnungen, stärkere Nutzungsverteilung, verkehrsfreier Innenteil, Erhaltung von Altbauten. 19,39 Fürst, Mediator stellt einen Wandel der Kommunikationskultur fest. Der Bürger ist nicht fixer Teil der Planungskultur, nur dann, wenn er protestiert. Die Änderungsflexibilität ist viel zu gering. Der Bürger will aber nicht überzeugt werden, sondern mitreden. Die Grundkonstellation ist: Befürworter und Gegner. Bürgerbeteiligung führt zur Entanonymisierung des Feindbildes. Der Bürger weiß mehr, als vermutet wird. Bürgerbeteiligung bedeutet Zeitgewinn. 1. Bürgerbeteiligung kommt so und so. 2. Keine Angst vor Verzögerung oder Verhinderung 3. Wer kann solche Verfahren bewältigen? (Zeitaufwand der Bürger!) 4. Maßgeschneidertes Prozessdesign, das im Einzelfall für alle Beteiligten passt. 19,48 Elisabeth Freytag, Lebensministerium, tritt für Vernetzung der Initiativen ein, für Öffentlichkeitsbeteiligung (weiterer und geschlechtsneutraler Begriff) gemeinsam mit ÖGUT und Büro Arbter. Im Dezember ist ein workshop zusammen mit Bulgarien geplant (Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großprojekten, SUP). Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Interessen. Es geht um good governance, wozu auch die Einbeziehung der Bürgerinnen (nicht „Normunterworfenen“) gehört. 19,54 Raffelsberger, Wirtschaftsjurist (Wohnbaugenossenschaft Siedlungshilfe) sieht den Wohnungsbau als umfassenden Wirtschafts- und Kulturauftrag. Abseits akademischer Überlegungen sieht er den Wohnbau durch eine Art Schweinezyklus beherrscht. In Wien mangelt es an einer Raumordnung. Auf eine Novelle der Bauordnung kann man nur hoffen. Auf Bürgerbeteiligung besteht keinerlei Rechtsanspruch. Die einzigen Möglichkeiten sind: Verfassungsgerichtshof, „Fachbeirat“, öffentliche Einsicht in den Flächenwidmungsplan, Veröffentlichungen in Amtsblättern, Abgabe von Stellungnahmen, auf Nachbarn beschränkte Parteienstellung im Bauverfahren. Dort erfolgende Einsprüche kommen viel zu spät, auch solche gegen die Bauordnung selbst. Hinzu kommt eine widersprüchliche Judikatur VfGH – VwGH (letzterer formalistisch). Die subjektiven öffentlichen Nachbarrechte berücksichtigen die Interessen der Nachbarn in höchst unzureichendem Maß. Die meisten „Rechte“ sind überhaupt nicht geschützt, es wird keine Einsicht in Expertisen gewährt. Bürgerbeteiligung müsste unbedingt rechtlich durchsetzbar sein. 20,03 Dr. Mor: wie kann man befürchten, eine BI würde den Hauptbahnhof in Frage stellen? Sie macht aber auf die enormen Nebenwirkungen aufmerksam, welche die umwohnenden Menschen betreffen. Warum führt keine U-Bahn-Linie vorbei? Warum wird ein Bahnhof hinter palisadenartigen Hochhausbauten versteckt, welche die Umgebung des Belvedere in Frage stellen? Arbter: Wie kann man Bürgerbeteiligung in die Flächenwidmung einbeziehen? Landerer: die Stellungnahmen, die jede beliebige Person abgeben kann, sind für den Mistkübel. Wer liest sie, wo kommen sie hin? Radajkovic: bei einer Hausrenovierung hatten die Nachbarn alle möglichen Einspruchsrechte. Die Folge: 30 cm tiefere Loggien wurden verhindert. Folge: Miniloggien statt Loggien, die ihren Zweck auch erfüllen. Parameter für eine Entwicklung zu schaffen ist langfristig nicht möglich. Zinggl: was haben die großen Oppositionsparteien nach den nächsten Wahlen vor, in Sachen Bürgerbeteiligung anders zu machen? Wessely: Agendaprojekt Ruhe- und Sinnesgarten war erfolgreich, für größere Projekte aber ist die AGENDA21 ein völlig untaugliches Mittel. Es gäbe nicht so viele Bürgerinitiativen, wenn die LA21 irgendein Problem im Bezirk ändern könnte. Aufklärung, was Bürgerbeteiligung wirklich sein sollte, ist nötig. Summer: Bürger haben kein Recht, nicht einmal das Recht, bestehenden Naturschutz einzufordern. Zinsenheim: für ein 120.000m² großes EKZ in Rothneusiedel wurde am 21.12.06 ein Bürgerforum einberufen. Dort erklärten Vertreter der MA 18 und des Bezirks: „Wir wissen noch nichts.“ Seitdem haben die Bürger nichts mehr gehört. Am 25.10.07 erklärte ein Vertreter der MA 18: „Es ist noch nichts beschlossen. Ihr werdet eingebunden, so bald die Flächenwidmung erfolgt ist.“ 5000 Rothneusiedler sind bis heute nicht gefragt worden. Die Grundstücke sind noch nicht im Besitz der Stadt Wien, aber auf den Feldern finden schon Probebohrungen statt. Wolf: Ähnlich ist es im Geriatriezentrum Lainz. Obwohl noch nichts Verbindliches vorliegt, werden auf dem Immobilienmarkt bereits Verwertungen angeboten. Das ist klarer Rechtsmissbrauch. BV Reichhard: LA21 ist eine gute Methode, es kommt nur darauf an, ob und wie man sie ernst nimmt. Es können Netzwerke entstehen, die zu einer Grätzel-Identität führen. Fantur: Auch in der Sechskrügelgasse wurde Bürger-Beschwichtigungspolitik betrieben. Süss: die Bürger sind keine Verhinderer, sie wollen nur als gleichberechtigte Partner wahrgenommen werden. Schöberl: die Gründung der aktion21 ist der Erfolg der agenda21. Jungwirth: BI Hohe Warte. Herr Wolf (Moderator) hat uns vorhin den Rat gegeben, etwas, das kritikwürdig ist, der Opposition zu sagen. Das haben wir getan. BV Tiller versteht aber unter Bürgerbeteiligung die Einladung zu einer Informationsveranstaltung ein halbes Jahr nach Widmungszusage und Verkauf. Nach massiver Rechnungshofkritik wären Änderungen noch denkbar gewesen. Der einzige, der damals noch der BI geholfen hatte, war der (damals noch grüne) GR Kenesei. Fial (BI zur Erhaltung und kulturellen Nutzung der alten Busremise in Döbling) – Frage an Agenda21: warum ist die LA21 unter den Bürgern und Bürgerinnen nicht bekannt? Lenzenhofer zeigt Mängel in der BO auf, die dazu führen, dass alle Instanzen in Anerkennung dieser Mängel die darauf gegründeten Entscheidungen bestätigen. N.N.: Man sollte einmal auf Augenhöhe mit den Bürgern diskutieren. Warum sind die Politiker gegen die Bürger? Becker: Bürgernähe ist ein großes Ziel der VP. Wie gehen Bezirkskaiser mit anderen Politikern um? Wiener Stadtverfassung: Sondersitzung, in der alle Oppositionsparteien das Thema Kontrolle behandelt haben. Ergebnis? (17 Wortmeldungen) Raffelsberger: Stärkung der Bezirke im Flächenwidmungsverfahren! Ehmayer: Bürgerbeteiligung müsste in der Stadtverfassung festgeschrieben werden. Die Diskussionen sind ein Zeichen dafür, dass sich etwas ändern wird. Vor 10, 15 Jahren gab es einen ersten Schub. Die Unzufriedenheit mit der LA21 ist bedauerlich, sie war aber auch notwendig, damit sich etwas ändert. Die LA21 wird auch durch Diskussionen wie diese bekannt. Die Stadt Wien ist sich nicht schlüssig, wie es nach der Agenda weitergehen soll. Wenn es eine Unterstützung von der Stadt nicht gibt, weiß ich nicht, wie es weiter geht. Fürst: Bürgerbeteiligung ist immer noch ein Machtspiel. Sie kann nur bei unabhängiger, objektiver Prozessleitung funktionieren, die Auftragnehmer aller Beteiligten ist, auch jener, die nicht dafür bezahlen. Die Rolle der Politik ist nicht klar definiert. Was lassen die Politiker zu? Görg hatte gesagt: „Ich will am Schluss 3 Alternativen am Tisch haben, dann entscheide ich.“ Freytag: alternative Methoden – Bürgerinnenrat, 12 nach Zufallsprinzip ausgewählte Vertreterinnen. Mit der Zeit der Menschen sollte dabei sorgsam umgegangen werden. Seethaler: Bürgerinitiativen ja, aber Achtung vor populistischen Bürgerinitiativen. 20,30 Schluss der Veranstaltung ohne Möglichkeit zu weiteren Wortmeldungen. |